Wie wir uns gegenseitig klein halten – oder „Der Sklave will nicht frei werden, er will Sklavenaufseher werden“
Lesedauer 4 Minuten und 27 Sekunden (Lesedauer für Akademiker 3:17; für Legastheniker 11:11; für Menschen mit einer schnellen Auffassungsgabe 4:04; für die mit einer weniger schnellen Auffassungsgabe 6:06; für Nichtmuttersprachler zwischen 13:15 und 15:13 und für die Menschen, die ausschließlich Suaheli lesen können, ist die vereinheitlichte Zeitfestsetzung noch nicht festgelegt worden). Die Tageshöchsttemperatur beträgt heute +2 Grad (gefühlte Temperatur -1 Grad. Sollte jedoch mit Ihrem Gefühl etwas nicht stimmen, so beträgt die gefühlte Temperatur heute zwischen -7 und + 8 Grad. Haben Sie jedoch Ihre Jacke zuhause vergessen, beträgt die „Gefühlte“ – 13 Grad und falls Sie gerade von einem Frühschoppen nach Hause kommen, werden Sie angenehme 17 Grad fühlen können.)
So, nachdem Sie das gelesen haben, werden Sie bestimmt denken, dass ich heute einen Kasper gefrühstückt habe. Dem kann ich jedoch nur energisch entgegnen: ja, das habe ich.
Na ja, sei es wie es sei, auf jeden Fall „durfte“ ich gestern mal wieder mit den Öffentlichen fahren. Mir gegenüber saßen zwei ältere Damen, die hinter ihren lebensrettenden Masken ziemlich grimmig hervorlugten. Dieses verbitterte Starren erinnerten mich sofort an den Spruch: „wenn Blicke töten könnten“. Vermutlich konnten die es wirklich!
Es schien so, als könnten die zwei Grazien mit ihren Augen unsichtbare, giftige Pfeile aussenden, denn jeder von den anderen Fahrgästen, bei dem der medizinisch äußerst hilfreiche Maulkorb auch nur ein paar Millimeter verrutscht war, zurrte selbigen augenblicklich wieder ordnungsgemäß zurecht, nachdem die zwei Frauenzimmer ihn vernichtend anvisiert hatten. „Wow“, dachte ich, „das einfache, strenge Stieren reicht schon völlig aus, um alle wieder auf das gleiche Level zu ziehen“.
Der Sklave will nicht frei werden. Er will Sklavenaufseher werden.“ (Gabriel Laub)
Und so fuhren wir von Haltestelle zu Haltestelle und ich ließ die Szene einfach mal so auf mich wirken. Ohne Gedanken. Ohne Anschauungen. Innerlich völlig tiefenentspannt. Ein derartiger Zustand ist sehr angenehm. Ich lasse mich dann nicht mehr durch irgendetwas beeinflussen. Nur ruhig beobachten.
Dabei kam mir spontan ein Satz, den die Amerikaner sagen, in den Sinn: „like mexican crab“ („wie mexikanische Krabben“). Dies ist ein Gleichnis und beschreibt das Verhalten von mexikanischen Krabben, nachdem sie gefangen wurden. Wirft man diese possierlichen Tierchen in einen Topf, kann man nämlich ein sehr interessantes Schauspiel beobachten, wenn manche von denen versuchen zu fliehen. Falls es tatsächlich einer gelingt bis an den Rand des Topfes zu gelangen, wird sie von den anderen wieder nach unten gezogen. Jede Krabbe, welche es bis nach oben geschafft hat, wird von ihren Artgenossen wieder nach unten gerissen.
So entsteht das seltsame Phänomen, dass es kein Tier je wieder aus dem Topf heraus schafft, ohne dass eine übergeordnete Instanz die Schalentiere bewachen muss. Alle „beaufsichtigen“ sich gegenseitig und achten peinlich genau darauf, dass es keine von ihnen jemals nach oben schafft oder dass ihr gar die Flucht gelingt…
„Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein.“ (Albert Einstein)
Während diese Metapher in mir aufstieg, ruckelte der Linienbus an frisch restaurierten Häusern vorbei, deren Wände kurz nach der Renovierung mit Graffiti besprüht wurden. Keine schönen, wie zum Beispiel in New York, sondern sinnloses Geschmiere ohne jeglichen Inhalt. Dazu noch die üblichen Hetzparolen.
„Merkwürdig“, dachte ich, „es sieht tatsächlich so aus, als könnten es manche einfach nicht ertragen, dass sich andere etwas schön herrichten. Und ist einmal etwas hübsch anzusehen, muss es sofort wieder auf ein schäbiges Level hinuntergezogen werden.“ Einheitspampe auf niedrigstem Niveau. Hauptsache beschmiert. Keiner darf sich etwas stilvoll zurechtmachen… ansonsten wird es gleich wieder zerstört.
Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ (Friedrich Schiller)
Dieses Phänomen nehme ich auch in Gesprächen mit Selbstständigen wahr. Hat es tatsächlich mal ein Kleinunternehmer mit viel Fleiß oder kreativen Ideen geschafft, etwas mehr Geld zu verdienen, versuchen andere sofort den „Ausreißer nach oben“ wieder nach unten zu ziehen. Like mexican crab …
„Keine Schneeflocke in der Lawine wird sich je verantwortlich fühlen.“ (Stanislaw Jerzy Lec)
Aber ich als Träger des „Schlauheits- Ordens am Bande“ (und anderer hoher Auszeichnungen) behaupte einfach einmal, dass dies nicht der richtige Weg ist. Wir sollen uns nicht gegenseitig immer wieder runter ziehen. Ein friedliches Zusammenleben – oder gar Erfolg – geht nur im anständigen Miteinander. Es ist überhaupt nicht nötig, unsere Mitmenschen ständig argwöhnisch zu bewachen, um sie dann – falls sie Spaß oder Erfolg haben – wieder nach unten zu ziehen. Hören wir auf damit, uns gegenseitig das Leben zu vermiesen. Das spielt nur denjenigen in die Karten, die uns gegeneinander aufhetzen wollen. Wir wollen doch schließlich kein Leben führen wie die mexikanischen Krabben …
Wir müssen lernen, entweder als Brüder miteinander zu leben, oder als Narren unterzugehen.“ (Martin Luther King)
UND:
Wenn auf der Erde die Liebe herrschte, wären alle Gesetze entbehrlich.“ (Aristoteles)
Ahoi
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