Gedenken an die „wahren Helden“: Historische US-Flugzeuge brechen nach Europa auf
Hoch über dem Hudson River flog die D-Day-Staffel in enger Formation fast 160 Kilometer bis nach New York.
Geradeaus überragte das One World Trade Center – mit 541 Metern das höchste Gebäude Amerikas – majestätisch die zahlreichen Wolkenkratzer der Stadt.
Gleich dahinter erschien die Freiheitsstatue mit der Fackel der Freiheit in den Wolken.
Die fünf Flugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg drehten nach links ab, um vor ihrem Rückflug nach Connecticut einen besseren Blick auf die Freiheitsstatue zu haben, die auf ihrer Insel im New Yorker Hafen thront.
Vor achtzig Jahren sah der Blick aus dem C-47-Truppentransporter mit dem Namen „That’s All, Brother“ noch anders aus.
Damals flog die Maschine in einen Weltkrieg, der rund 5.678 Kilometer jenseits des Atlantiks tobte.
Größte Militäroperation der Geschichte
In den Morgenstunden des 6. Juni 1944 begann die größte militärische Operation der Geschichte. Der D-Day leitete das Ende des Krieges in Europa ein.
„That’s All, Brother“ war das erste von Hunderten C-47-Transportflugzeugen, die Tausende Fallschirmspringer über den Stränden der Normandie in Frankreich absetzten.
Mindestens 10.000 alliierte Soldaten – darunter fast 4.500 Amerikaner – verloren bei der Land-, Luft- und Seeinvasion ihr Leben. Mindestens ein Viertel der Toten waren Luftlandetruppen.
Die Verluste auf deutscher Seite waren mit bis zu 9.000 Toten und Verwundeten nicht minder hoch.
Probelauf für die Legacy Tour
Der Flug über New York am 17. Mai war ein Probelauf für die geplante Legacy Tour (Gedenktour), eine Europatournee des D-Day-Geschwaders von Mai bis Juli.
Fünf der elf Flugzeuge des Geschwaders sind mittlerweile über den Atlantik geflogen. Sie nehmen an den Feierlichkeiten in Island, Großbritannien, Frankreich und Deutschland teil.
Mit den Aktionen soll der 80. Jahrestag der historischen Invasion und der 75. Jahrestag der Berliner Luftbrücke feierlich begangen werden.
Nach Angaben des D-Day-Geschwaders wollen die Piloten mit der Legacy Tour den Mut und die Opferbereitschaft der damaligen Soldaten sowie das Vermächtnis von Freiheit und Demokratie würdigen, für das diese Menschen gekämpft haben.
Für den Flug über den Atlantik benötigte jedes Flugzeug 136 Liter Öl, mehr als 6.000 Liter Treibstoff und insgesamt 80 Besatzungsmitglieder.
Ein Kriegsveteran erinnert sich
Rund 60 Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg sollen mit einem symbolischen Flug während der Zeremonien in der Normandie am D-Day, dem 6. Juni, geehrt werden.
Max Gurney, 102, aus San Diego ist einer der wenigen Überlebenden, die dabei sein werden.
„Ich bin sehr aufgeregt. Ich hoffe, dass ich ein paar Veteranen treffen werde. Gegenwärtig weiß ich noch nicht, wer sie sind. Es wird eine Reise in die Vergangenheit sein“, sagte Gurney in einem Telefoninterview mit der Epoch Times.
Gurney war einer von Tausenden junger Männer, die sich nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 direkt von der Highschool für die Armee meldeten.
Damals herrschte eine starke Antikriegsstimmung, erinnerte er sich. Der Vorfall auf Pearl Harbor hat jedoch die öffentliche Meinung zugunsten der Beteiligung an dem Krieg in Europa geändert.
„Es gab einen völligen Sinneswandel“, sagte Gurney. Zwei Tage nach dem Angriff herrschte eine „fantastische Einigkeit“ – vor allem unter den jungen Menschen.
„Es war ein entscheidender Moment für das Land“, sagte er. Alle seien sich plötzlich einig gewesen, den Krieg gegen die Deutschen und Japaner zu unterstützen. „Es gab keinen Dissens.“
„Wie Sie sich vorstellen können, war meine Mutter besonders besorgt. Sie hat mich immer ermutigt, vorsichtig zu sein. So wie es alle Mütter heute mit ihren Söhnen und Kindern tun“, so Gurney.
Der gebürtige Deutsche wuchs in New York City auf und diente während des Krieges bei der US-Fernmeldetruppe in Nordafrika.
Er betrachtet sich selbst als „glücklichen Überlebenden“.
„Die Deutschen waren extrem aktiv. […] Sie kämpften zum Schluss“, sagte er.
Nach dem Krieg arbeitete Gurney 45 Jahre lang bei der US-Fluggesellschaft Pan Am.
Die DC-3, die zivile Version der C-47-Maschine, war in Friedenszeiten eines der zuverlässigsten Flugzeuge gewesen, sagte Gurney. Im Krieg war sie ein verlässliches Arbeitsgerät.
Die Rettung vom Schrottplatz
Die „That’s All, Brother“ führte mehr als 800 C-47-Maschinen an, welche am D-Day 1944 mehr als 13.000 Fallschirmjäger in die Zielgebiete brachten.
Das Flugzeug diente in anderen großen Militäroperationen, bevor es nach Kriegsende 1945 in die Vereinigten Staaten zurückkehrte und verkauft wurde.
In den folgenden Jahrzehnten wechselten die Besitzer und die historische Bedeutung des Flugzeugs ging verloren.
Zwei Historiker der U.S. Air Force schließlich retteten die Maschine von einem Schrottplatz in Oshkosh, Wisconsin.
Einige Jahre später erwarb die Commemorative Air Force (CAF) das Flugzeug und restaurierte es in seiner ursprünglichen khaki-grünen Lackierung von 1944 und machte es wieder flugtauglich.
Die Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, mindestens ein Exemplar von jedem Flugzeug, das im Zweiten Weltkrieg geflogen ist, für die Nachwelt zu erhalten.
„Wie kann man eine Geschichte wie diese – das Hauptflugzeug der D-Day-Invasion – mit einem Geldwert bemessen?“, fragte CAF-Mitglied und Wartungsleiter Ray Clausen aus San Antonio, Texas.
„Das ist das erste Flugzeug der Fallschirmjägerinvasion am D-Day.“
Die DC-3 wurde von Douglas Aircraft Co. gebaut und begann ihre lange und erfolgreiche Karriere als Zivilflugzeug in den 1930er-Jahren.
Das Unternehmen stellte mehr als 600 DC-3-Maschinen her, bevor es im Jahr 1943 auf die militärische Produktion der C-47-Skytrain in den USA und der Dakota für die britische Royal Air Force umstieg.
Das Flugzeug hat zwei 1.200-PS-Propellermotoren und kann eine Reisegeschwindigkeit von über 320 Kilometern pro Stunde erreichen. Die DC-3 kommt mit einer Tankfüllung fast 2.400 Kilometer weit.
Schätzungsweise noch 164 DC-3-Maschinen, die Fracht transportieren, sind heute im Einsatz.
Während die militärische Version C-47-Skytrain bis zu 18 Fallschirmjäger auf einmal befördern konnte, hatte „That’s All, Brother“ zusätzliche elektronische Ausrüstung an Bord und konnte nur ein Dutzend Fallschirmjäger mitnehmen.
Verrückt nach Flugzeugen
Vor zwanzig Jahren meldete sich Clausen freiwillig, um bei der CAF Flugzeugteile zu reinigen. Er wollte „in der Nähe von Flugzeugen sein“.
„Ich war schon als Kind verrückt danach und war handwerklich begabt. Man schlug mir vor, einen Mechanikerschein zu machen, was ich auch tat“, sagte er.
Seine Arbeit führte ihn als leitender Mechaniker schließlich zum Flugzeug „That’s All, Brother“.
„Die Flugzeuge wurden bewusst robust konzipiert und gebaut“, sagte Clausen. „Wenn wir uns darum kümmern und alle Wartungsarbeiten regelmäßig durchführen, ist es ein sehr einfach zu fliegendes Flugzeug.“
„Wenn man Dinge ignoriert und ein Problem nicht behebt, dann kommt es zurück und rächt sich bitter. Ersatzteile sind schwer zu finden und sie sind teuer.“
Für Clausen gibt es keine Worte, seine Gefühle für das Flugzeug „That’s All, Brother“ zu beschreiben.
„Ich bin ganz gerührt, wenn ich daran denke. Es ist eine solche Ehre“, sagte er. „Ich habe eine Verbindung zu ihm. Es ist wirklich aufregend, ein Teil davon zu sein.“
Darsteller schlüpfen in die Rollen der Veteranen
Die Besucher des Flughafens Waterbury-Oxford in Connecticut können die fünf Oldtimer-Flugzeuge aus nächster Nähe betrachten und ihre Geschichte erfahren.
„Es erscheint manchmal fast unwirklich, wenn wir in die Fußstapfen der Veteranen treten, die nicht mehr nach Hause gekommen sind“, sagte Scott Fischer aus Fairfield, Connecticut, der die Uniform eines Fallschirmjägers des 1. kanadischen Fallschirmjägerbataillons trug.
„Man fühlt sich geehrt und ist stolz. Wir wissen zu schätzen, was sie durchgemacht haben und was wir ihnen heute verdanken. Viele Menschen haben das vergessen“, so Fischer.
„Wenn ich diese Uniform anziehe, bin ich nicht mehr Scott Fischer“, sagte er.
„Wenn ich die Rolle spiele, bin ich die Rolle. Ich nehme sie an und genieße es. Und ich versuche, alle anderen dazu zu bringen, diese Magie zu spüren.“
Fischer nahm 2010 zum ersten Mal an einer Rekonstruktion des Zweiten Weltkriegs teil und war von da an „süchtig“ danach.
Er glaubt, wenn Menschen die Geschichte vergessen, neigt diese dazu, sich schmerzhaft zu wiederholen.
Der 102 Jahre alte Gurney hatte ein Leben lang Zeit, über den Zweiten Weltkrieg nachzudenken. Die Zeiten ändern sich, aber das Menschenherz nicht.
„Ich glaube, Kriege lösen nicht viel“, sagte er. „Sie können momentan Abhilfe schaffen. Aber Leidenschaft, Hass und Widerstand wachsen proportional zur Weltbevölkerung.“
Steven-Spielberg-Film in Gedenken an die Veteranen
Andrew Bleidner aus Connecticut trägt eine Fliegermütze und eine Lederjacke aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Er war tagelang mit dem D-Day-Geschwader unterwegs und sammelte Eindrücke für einen Film, den er zusammen mit Steven Spielberg produziert.
Bleidner liegt das Projekt sehr am Herzen, wie er Epoch Times mitteilte. Sein verstorbener Großvater, Arthur „Art“ J. Negri, war während des Zweiten Weltkriegs auf einem B-17 Bomber, auch genannt „Fliegende Festung“. Er erhielt eine Auszeichnung, weil er vier Soldaten das Leben rettete.
„Er war ein guter Mann“, sagte Bleidner. „Ich mache diesen Film im Gedenken an ihn. Es geht darum, in schwierigen Zeiten zusammenzukommen, diese Art von Brüderlichkeit und Zusammenhalt zu verstehen. Das ist zeitlos.“
Das National War World II Museum in New Orleans, Louisiana, schätzt, dass von den 16,4 Millionen Amerikanern, die während Zweiten Weltkrieg in den Streitkräften gedient haben, im Jahr 2023 nur noch 119.550 am Leben waren – eine Zahl, die fast täglich abnimmt.
„Wir müssen ihre Geschichten sammeln“, sagte Bleidner. „Wir müssen versuchen, so viel wie möglich von dem, was die Menschheit erlebt hat, zu bewahren. Das ist der beste Weg nach vorne.
„Wir wollen den Film nicht an eine bestimmte Personengruppe vermarkten. Es geht um Zwischenmenschlichkeit.“
Bis zu seinem Tod im Jahr 2012 sprach Bleidners Großvater nicht gerne über seine Kriegserfahrungen. Manche Dinge lässt man am besten ruhen.
„Man möchte diese Dinge nicht immer wieder erleben“, so Bleidner. „Was man aber in Erinnerung behält, ist die Kameradschaft und Verbundenheit im Schmerz. Es sind die einfachen Dinge, die zählen.“
„Bis zu seinem Tod war alles, was er wollte, eine Coca-Cola und eine Tüte Kartoffelchips. Er sagte immer: ‚Trinkt nicht das Wasser [in Übersee während des Krieges].‘ Coca-Cola war ein wichtiger Bestandteil, um die Soldaten bei Laune zu halten.“
„Die Geschichte nicht sterben lassen“
CAF-Pilot Curt Lewis aus San Antonio, Texas, steuert die „That’s All, Brother“, während der D-Day-Staffel-Gedenktour.
„Es ist körperlich anstrengend“, sagte Lewis über das Fliegen der C-47 mit ihrer Spannweite von 29 Metern.
Für Lewis ist es eine Ehre, der Flugkapitän desselben C-47-Flugzeugs zu sein, das vor 80 Jahren die erste Welle der Luftlandetruppen über die Normandie anführte.
Das Traurige daran sei, dass es „jedes Jahr immer weniger [Veteranen] gibt“, sagte er. „Die Jüngeren sind 99 Jahre alt.“
Sein Co-Pilot John McKiski aus Texas fragt sich, ob es in fünf Jahren überhaupt noch Veteranen des Zweiten Weltkriegs geben wird.
„Als ich vor 48 Jahren als Jugendlicher in der CAF war, gab es überall Männer aus dem Zweiten Weltkrieg. Jetzt gibt es nicht mehr viele. Ich weiß nicht, wie viele [dieses Jahr] in der Normandie sein werden. Diejenigen, die dazu in der Lage sind, werden dort sein.“
McKiski ist ein pensionierter United-Airlines-Pilot und langjähriges CAF-Mitglied. Sein Onkel Don war Segelflieger am D-Day. Später flog er C-47er-Maschinen.
Manchmal denkt McKiski an seinen Onkel, während er über die Wolken dahingleitet.
„Eines der wichtigsten Dinge ist es, die Geschichte nicht sterben zu lassen“, sagte er. „Das ist eine große Sache. Die Menschen haben viel dafür geopfert.“
Craig Megargle ist seit mehreren Jahren Mitglied einer Gruppe von Darstellern, welche das frühere Einsatzkommando Easy Company aus dem Zweiten Weltkrieg nachstellt.
Mit Stolz und Ehre trägt er die Uniform eines amerikanischen Offiziers. Denn sein verstorbener Vater diente im Zweiten Weltkrieg im 503. Fallschirmjäger-Infanterieregiment.
Eines Tages suchte Megargle nach einer passenden Möglichkeit, seinen Vater zu ehren. Es sei eine seiner größten Wünsche im Leben gewesen, einmal mit dem Fallschirm aus einer C-47 abzuspringen.
Dazu musste er sich erst einmal seine „Sprungflügel verdienen“. Der Rest ist Familiengeschichte.
„Es war wie ein Rausch“, sagte Megargle über den Sprung; seine Stimme bebte. „Es ist ein Stück lebendige Geschichte. Die Jungs, die vor uns gesprungen sind – mein Vater – das waren die wahren Helden.“
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Still Flying High, WWII Plane That Led D-Day Operation Heads to Normandy“. (deutsche Bearbeitung nh)
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