Friedenswache vor dem Weißen Haus – 12.000 Tage und Nächte ohne Unterbrechung

Am 25. Januar 2016 starb vereinsamt in einem Obdachlosenheim in der US-amerikanischen Hauptstadt Washington D.C. die 70-jährige Spanierin Concepcion de Martin Piciotto.
Titelbild
Der Friedensengel von Washington, Concepcion de Martin Picciotto (1945 -2016).Foto: Roland R. Ropers
Von 27. Januar 2016

Die 1945 in Vigo/Spanien geborene Concepcion Picciotto gehörte zu den Frauen in der Welt, die den Friedens-Nobelpreis verdient hätten. Ein leuchtender Engel im Dschungel der Weltmachtzentrale Washington/USA. Jedes Mal, wenn ich in die amerikanische Hauptstadt kam, fuhr ich mit der Blue Line der Metro bis zur Station Farragut West und lief auf der Pennsylvania Avenue zum Lafayette Park, der auf der Rückseite des Weißen Hauses gelegen ist.

Unmittelbar auf der Straße und mit direkter Blickrichtung auf den Amtssitz des amerikanischen Präsidenten lebte auf nur zwei Quadratmetern Fläche seit dem 1. August 1981 die ehemalige UNO-Angestellte. In dieser langen Zeit kein Ortswechsel, an Ferien und Erholung gar nicht zu denken.

Ein Hoffnungsschimmer und die Widersacher

Der Einsatz für den Frieden und der dauerhafte Protest gegen Atomkraft  der gesprächsfreudigen Spanierin sind beispiellos und verlangten von jedem Besucher tiefsten Respekt. Sie war im wahrsten Sinne des Wortes ein Weltstar, der im tumultartigen Chaos zerstörerischer Kräfte einen Hoffnungsschimmer bildete.

Etlichen Amerikanern war Concepcion Picciotto ein Dorn im Auge. Für die ehemalige First Lady Nancy Reagan war die Dauerdemonstrantin mit ihren Transparenten ein Schandfleck. Der damalige Innenminister betrachtete die Friedenskämpferin als Sicherheitsrisiko und verbot jegliche Demonstration auf dem Gehweg vor der Arbeits- und Schlafstätte des Präsidenten.

Daraufhin siedelte Concepcion Picciotto zur anderen Straßenseite, an den Rand des Lafayette-Parks, wo sie die Rückseite des Weißen Hauses ständig im Blickfeld hat. Dort wurde sie oft von patriotischen Amerikanern wie auch von Touristen angepöbelt. Während des lange zurückliegenden Golfkrieges wurde sie von Mitgliedern der Marines, der Elite-Soldatentruppe, zusammengeschlagen. Ein in der Nähe stehender Polizist drehte sich um und sah weg. Seit dieser Zeit trug sie einen Schutzhelm und darüber eine schwarze Perücke.

Die Administration des Weißen Hauses bemühte sich seit Jahren, mit Verordnungen die tapfere Spanierin zu vertreiben. Niemand darf sich in der Nähe des Präsidentensitzes schlafen legen. Wenn sich ein Demonstrant weiter als einen Meter von seinen Besitztümern – einschließlich der Protestschilder – entfernt, dürfen sie von den sprungbereiten Polizisten beschlagnahmt werden.

„Wenn die im Weißen Haus vernünftig werden, kann ich in die Gesellschaft zurückkehren“, sagte die Friedenswächterin. Hilary Clinton habe schon einige Male kräftigende Sandwiches vorbeibringen lassen, aber zum Clinton-Fan ist Concepcion Picciotto deshalb nicht geworden. „Der war etwas besser als die anderen, aber für den Frieden hat er nicht genug getan.“

Der Washingtoner Friedensengel hatte sich das Schlafen abgewöhnt; irgend-wann in der Nacht hockte sie auf einem kleinen Karton und döste vor sich hin. Mehr als drei Stunden Ruhe kamen aber nur in ganz wenigen Nächten zusammen. Im Winter, wenn die Quecksilbersäule oft auf mehr als minus 20 Grad fällt, machte sie die Augen immer nur für einige Minuten zu – aus Angst vor dem Erfrieren. Ansonsten fürchtete sie sich nur noch vor dem Alter.

„Die Friedenstauben wird es noch geben, wenn ich nicht mehr demonstrieren kann.“

Passanten drückten ihr gelegentlich Dollarscheine in die Hand. Davon ließ sie Handzettel mit Friedensbotschaften drucken und kaufte blaue und weiße Farbe, mit der sie Friedenstauben auf Steine malte. Die Steine verschenkte sie als Mahnung, dass wir Frieden brauchen. Sie sollten auch ihr Vermächtnis sein: „Die Friedenstauben wird es noch geben, wenn ich nicht mehr demonstrieren kann.“

Wenn sie zum Besuch des öffentlichen WCs um die Ecke musste, wo sie sich auch notdürftig waschen konnte, musste sie stets jemanden bitten, der für wenige Minuten ihren Platz bewachte.

Von den Medien wurde sie bewusst übersehen. Das Weiße Haus wünschte nicht, dass die Welt von dieser großartigen Frau Näheres erfuhr. Auf dem ganzen Erdball werden ständig kostenaufwendige Friedenskonferenzen abgehalten, die in der Regel ergebnislos enden. Unsere führenden Politiker, die ihrem Lippenbekenntnis zufolge an Frieden interessiert sind, hätten den Mut aufbringen sollen, bei einem ihrer ständigen Washington-Besuche im Weißen Haus Concepcion Picciotto zu würdigen und zu danken.

Als die Sopranistin Diana Damrau am 18. September 2002 in Washington ihr sensationelles USA-Debüt im seit Monaten ausverkauften Kennedy-Center gab, der Cellist Yo-Yo Ma spielte das „Elgar-Konzert“, bin ich am Tag zuvor mit Diana Damrau zu Fuß durch Washington gelaufen. Ganz bewusst war ich mit ihr an dem Wohnplatz von Concepcion Picciotto, 1601 Pennsylvania Avenue, um ihr auch die andere Seite des Lebens zu zeigen.



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