Bayreuth gewöhnt sich an Castorfs «Rheingold»

Titelbild
Szene aus «Rheingolsd» mit John Daszak (Loge), Wolfgang Koch (Wotan), Albert Dohmen (Alberich).Foto: Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath/dpa
Epoch Times28. Juli 2015
Bayreuth scheint sich an Frank Castorf zu gewöhnen. Nur noch ganz wenige Buhs verirren sich am Montagabend bei den Richard-Wagner-Festspielen nach der Premiere des „Rheingolds“ in den Applaus.

Allerdings zeigt der umstrittene Regisseur selbst sich nicht auf der Bühne. Traditionell treten die Regisseure erst nach dem vierten Teil des Opernzyklus, der „Götterdämmerung“, auf die Bühne.

Daran, dass Castorfs Gesamtkonzept nur schwer zu erkennen ist, hat sich auch im dritten Jahr der umstrittenen Inszenierung zwar nichts geändert, an sein „Rheingold“ wurde aber offensichtlich Hand angelegt. Die Rheintöchter sind noch lasziver, Running-Gag-Statist Patric Seibert, der hier als Kellner und Tankstellenwart auftritt und sich zum Publikumsliebling entwickelt hat, ist noch präsenter als in den vergangenen Jahren.

Besonders erfreulich: Die Schlüsselszene des Stücks, in der Alberich den Ring verflucht, ist nun auch als solche zu erkennen. Was bislang aussah wie ein belangloses Geplänkel im Liegestuhl, bekommt zumindest dadurch ein wenig Dramatik, dass Alberich diese Liegestühle durch die Gegend wirft. Immerhin.

Das Publikum scheint sich aber inzwischen damit abgefunden zu haben, dass der als Werkzertrümmerer geltende Castorf sich nicht darum schert, die große Geschichte aus Wagners Oper zu erzählen, und erfreut sich an der beeindruckenden Drehbühne von Aleksandar Denic, den für Castorf-Inszenierungen typischen Übertragungen des Bühnengeschehens auf eine Leinwand und weiteren unterhaltsamen Details, die seine Inszenierung ja durchaus zu bieten hat: Da sind eine Erda als Puffmutter, ein Alberich, der mit einer Gummiente kämpft, und ein Pfeil-Symbol, das an das Logo einer Sportfirma erinnert, die sich genau so schreibt wie die bekannteste Repräsentantin des gerade nicht auf dem Grünen Hügel regierenden Zweigs der Wagner-Familie: Nike Wagner. „Just do it.“

Die Götterburg Walhall ist bei Castorf ein ranziges Motel, das wertvolle Rheingold schwimmt in dessen Pool. Warum es die Rheintöchter relativ wenig zu kümmern scheint, dass dieses Rheingold dann bald weg ist, und sie lieber Cocktails schlürfen, als sich allzu große Sorgen darum zu machen, ist eins der vielen Castorf’schen Geheimnisse. Warum Nibelheim ein Wohnwagen sein muss und Alberich und Mime bereits gefangen sind, wenn Wotan und Loge dort aufschlagen, um das Gold zurückzuholen, ebenso.

Das Publikum nimmt das inzwischen gelassen (ebenso wie eine kleine Panne mit der Videoleinwand, die am Montag zwischendurch kurz repariert werden muss) und feiert die Sänger ausnahmslos – allen voran Wolfgang Koch als Wotan, Nadine Weissmann als Erda und John Daszak als Loge, der die Rolle von Norbert Ernst übernommen hat. Auch Albert Dohmen, der dritte Alberich im dritten Jahr des Castorf-„Rings“, wird bejubelt. Der erste Alberich, Martin Winkler, war ohne Absprache mit Castorf von der Festspielleitung gegen Oleg Bryjak ausgetauscht worden.

Bryjak kam im März bei der Germanwings-Katastrophe ums Leben. Unter den Opfern des Flugzeugabsturzes war auch die Sängerin Maria Radner, die als Rheintochter Floßhilde debütieren sollte. Diese Rolle übernimmt nun Anna Lapkovskaja, gemeinsam mit den eingespielten Kolleginnen Mirella Hagen und Julia Rutigliano.

Star des Abends ist aber wieder einmal der künftige Chef der Berliner Philharmoniker: „Ring“-Dirigent Kirill Petrenko, der das Mammutwerk in diesem Jahr zum letzten Mal in Bayreuth dirigiert. Das Publikum scheint ihm die überraschend harschen Worte, die der sonst so schweigsame Musikstar vor Beginn der Festspiele über den angeblichen Umgang mit Eva Wagner-Pasquier und dem abgesetzten „Siegfried“-Darsteller Lance Ryan gefunden hatte, nicht übelgenommen zu haben.

Castorf hatte im vergangenen Jahr noch einen heftigen Streit mit der Festspielleitung vom Zaun gebrochen, nachdem die Rolle des Alberich ohne Rücksprache mit ihm umbesetzt und Sänger Winkler damals gegen Bryjak ausgetauscht wurde. Er drohte damals sogar mit einer einstweiligen Verfügung. In diesem Jahr, in dem mit dem „Siegfried“ die wohl wichtigste Rolle im „Ring“ umbesetzt wurde, verhielt er sich vor den Festspielen auffällig ruhig. Der Sturm, so scheint es, hat sich gelegt.

(dpa)

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