Aktion Mensch bringt einen der wenigen Sportsozialarbeiter nach Weimar
Einen Teil seiner Arbeitszeit verwendet Steffen Andritzke für Behördenwege. Wie etwa für Ramazan, der schon deutscher Meister in seiner Altersklasse im Boxen war. Der aus Dagestan stammende Junge ist 16 Jahre alt. Als seine Schulklasse auf Abschlussfahrt nach London fahren wollte, schien dies für Ramazan unmöglich – er ist kein deutscher Staatsbürger.
Vier Mal war Andritzke deshalb bei der Ausländerbehörde, damit er auf die Abschlussfahrt mitkonnte. Und schließlich freute sich der Jungsportler wie ein Schneekönig darüber, mit seinen Schulkollegen nach England fahren zu können.
Oder der Fall des zehnjährigen Edison: Im wahrsten Sinne des Wortes meldete ihn seine Familie mit Händen und Füßen beim Boxverein Weimar an – die gesamte Familie war gerade erst aus Mazedonien nach Deutschland gekommen und sprach kein Wort Deutsch. Doch als der Vater die boxenden Jugendlichen in dem Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite sah – wie es der Zufall so wollte, wurde die ganze Familie in einer Wohnung gegenüber dem Boxclub Weimar einquartiert –, packte er Edison kurzerhand am Arm und schleppte ihn in den Boxclub. Dort landete er dann bei Andritzke, der erst einmal herausfinden musste, wo der Junge denn überhaupt herkam! Kein einfaches Unterfangen, sprach Edison damals doch kein Wort Deutsch.
Als Sportsozialarbeiter muss man sich aber zu helfen wissen: Andritzke schnappte sich eine Karte von Europa, und bald stellte sich heraus, dass Edison aus Mazedonien stammt. Und mittlerweile können sich die beiden auch schon ein wenig auf Deutsch unterhalten: Andritzke wusste sich erneut zu helfen und gibt Edison jetzt mit Hilfe von Google Translate Sprachunterricht. Manchmal haben die einfachsten Mittel eben den größten Effekt…
Doch Andritzke kümmert sich nicht nur um die Deutschkenntnisse seiner Sprösslinge – er gibt ihnen auch Nachhilfe in Englisch, Geographie, und wenn´s denn mal ansteht auch in Physik.
Der enge und direkte Kontakt mit den Lehrerinnen und Lehrern der Nachwuchsboxer ist eines der Erfolgsgeheimnisse von Andritzkes Tätigkeit als Sportsozialarbeiter. „Am Beginn meiner Tätigkeit hat mich Cheftrainer Thomas Elke persönlich an allen Schulen vorgestellt. So hat sich ein guter Draht und ein kollegiales Verhältnis mit den Lehrern entwickelt.“ Die Zusammenarbeit gehe in beide Richtungen: Die Lehrer melden sich bei Andritzke, wenn es Probleme gibt oder ein Schüler in einem Fach besondere Unterstützung braucht. Dann setzt er sich vor dem Training mit den Kindern hin und übt. Bis zu zwei Schulstunden.
Auch Amtswege gehören zu Andritzkes Alltag. Vor allem bei Kindern mit Migrationshintergrund stehen öfter auch mal Behördenwege an. Diese persönliche „Rundum“-Betreuung ist Andritzke zufolge ein wichtiger Teil des Erfolgsrezepts des Boxvereins Weimar: „Dadurch profitieren eigentlich alle von unserer Arbeit: die Kinder, die Lehrer und die Eltern.“ Das ist gelebte Integration.
Und letztendlich auch das Viertel, in dem der Boxverein Weimar zuhause ist – das als „Problemviertel“ bekannte Weimar-West. Dass hier so viele sozial benachteiligte Kinder wohnen und betreut werden, war ein wesentlicher Punkt, warum die Aktion Mensch die Stelle von Andritzke zu einhundert Prozent finanziert.
„Es gibt dort Wohnareale mit vielen unterschiedlichen sozialen Schichten“, sagt Sascha Decker, Pressesprecher der Aktion Mensch. „Von den gut 175 Kindern im Boxverein Weimar haben etwa 70 Prozent einen Migrationshintergrund“, so Decker weiter. Durch die Arbeit von Andritzke könnten diesen auch Werte vermittelt werden wie Toleranz zusätzlich zur Bildung. Über den Sport würden die Kinder auch lernen, Menschen mit Behinderung vorurteilsfrei zu begegnen.
Die Stelle von Andritzke beim Boxverein Weimar ist bis Ende 2017 befristet – doch der Sportsozialarbeiter ist guter Dinge, dass auch danach ein Weg gefunden wird, damit er seine Tätigkeit fortsetzen kann.
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