Medienrummel bei Reichsbürger-Razzia: Ermittlungen wegen Geheimnisverrat eingestellt
Rechtsanwalt Dirk Schmitz erklärte gegenüber Epoch Times, er habe seinen Augen nicht getraut, als er von der Karlsruhe Staatsanwaltschaft über die Einstellung eines Verfahrens schriftlich informiert wurde, das Schmitz dort selbst zur Anzeige gebracht hatte.
Nicht die Einstellung an sich verwunderte den Anwalt, sondern die Begründung: Schmitz hatte Strafanzeige gestellt gegen Unbekannt unter anderem wegen „Verletzung des Dienstgeheimnisses“ anlässlich der sogenannten „Reichsbürger-Razzien“.
An den Durchsuchungsorten waren zeitgleich Journalisten und Fotografen unterschiedlicher Medien teilweise schon vor den durchsuchenden Beamten vor Ort, die sich zum Teil einen Weg durch die Presse bahnen musste, um ihrer Arbeit nachzukommen.
Anwalt Schmitz war, so erzählt er, schnell klar, dass das nicht das Ergebnis eines einfachen Lecks in einer der beteiligten Behörden war, sondern eine konzertierte Aktion von ganz oben, möglicherweise aus dem Ministerium.
Drei Monate passierte nichts, dann wurde Dirk Schmitz von der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass das Verfahren eingestellt wurde unter anderem aus zwei wesentlichen Gründen: Zu viele Tatverdächtige und der Hinweis auf das Zeugnisverweigerungsrecht der Presse.
Für Schmitz deshalb empörend, weil er aufgrund der großen Zahl an Medienvertretern an unterschiedlichen Orten und zur selben Zeit von einer sehr begrenzten Täterzahl ausgeht. Und zum anderen, weil es zwar ein Zeugnisverweigerungsrecht, aber keineswegs eine Pflicht gebe.
Die Mitteilung der Staatsanwaltschaft, dass das Verfahren eingestellt wurde, ist hier einsehbar.
RA Dirk Schmitz im Gespräch mit Alexander Wallasch
Hat Ihnen die Durchführung der Reichsbürger-Razzien nicht gefallen?
Das Erste war ein Gefühl, was mir an den Reichsbürger-Razzien nicht gefallen hat. Das Gefühl, dass mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird. Das war aber nur ein Gefühl, weil ich selbst an den Razzien nicht beteiligt war, konnte also nicht übersehen, ob da jetzt vielleicht riesige Waffenarsenale in der Hinterhand waren und wirklich etwas „Putschähnliches“. Nachdem ich die Gesichter in den Medien gesehen hatte und die Namen – jene, die jetzt bekannt sind – war mir rasch klar: Die sind nicht staatsstreichfähig.
Und als rauskam, welche Pläne das gewesen sein sollen, habe ich mit dem Kopf geschüttelt. Der Jurist kennt den schönen Begriff vom „untauglichen Versuch“. Wenn ich über einen Putsch nachdenke, insbesondere über einen Putsch im Parlament, also im Deutschen Bundestag, fallen mir spontan zwei Ereignisse ein, die in Parlamenten stattgefunden haben: Der eine ist sehr alt, von Karl I. gegen das Parlament in England 1642: gescheitert. Karl ist später geköpft worden.
Und das andere war der Putschversuch von Antonio Tejero 1981 in Spanien, der dann aber gleich mit zwei Hundertschaften Guardia Civil ankam und der am Ende gescheitert ist, als der König die Soldaten schlicht aufforderte, in die Kasernen zurückzukehren.
Und jetzt höre ich von wenigen Bewaffneten, die angeblich den Bundestag stürmen wollen. Wer besetzt die Ministerien? Wer verhaftet Minister, Staatssekretäre, Amtschefs, Bundeswehr- und Polizeiobere? Soweit ich weiß, laufen alleine um den Bundestag 50 bis 100 Sicherheitsleute und Polizisten herum. Das hörte sich eher nach Folklore an, nicht nach Umsturz.
Welche Haltung haben Sie zu Reichsbürgern?
Ich finde die Reichsbürger als Individuen abwegig. Und ich finde die Themen, die die Reichsbürger vertreten, abwegig.
Klingt das nicht zu harmlos?
Die Kurzzusammenfassung der Reichsbürger, wenn ich sie mal staatsrechtlich ernst nehme, ist, dass die Gründung der Bundesrepublik mit einem Manko belegt ist und wir in einem Reich weiterleben, das 1945 nicht untergegangen ist.
Wenn ich jetzt überlege, wie viele Menschen nach 1945 geboren wurden und regelmäßig an Wahlen teilnehmen, in denen jede Stimme eine Bestätigung der „Bundesrepublik“ ist, diese daher in den Willen der Menschen aufgenommen wurde, ist ein fortbestehendes „altes Reich“ lächerlich.
Sie haben auf Ihr Bauchgefühl reagiert. Fassen Sie bitte zusammen, was dann passiert ist. Sie sind ja nicht bekannt als jemand, der am Gartenzaun steht und jeden Falschparker aufschreibt.
Nein, ich habe auf den Razziafotos einen älteren, gut gekleideten Herrn gesehen, einen Prinzen, wie ich dann gelesen habe, der von Sicherheitsbeamten abgeführt wird. Von dem ging schon optisch keine Bedrohung aus. Und was ich bislang gehört habe über die Ergebnisse der Ermittlungen … auch nicht. Und – da habe ich mich von Anfang an gewundert – wie machen die Aufnahmen von der Festnahme? Bei Kommandounternehmen erfahre ich nachher, dass ein Kommandounternehmen stattgefunden hat, aber nicht, dass sich die ermittelnden und durchsuchenden Beamten erst mal ihren Weg durch Journalisten bahnen müssen, um einen bevorstehenden Putsch zu verhindern. Seltsam.
Ist es möglich, dass die Polizei sich hier absichern wollte, damit man nachher nicht erzählen kann, wie brutal die vorgegangen seien? War das etwa Selbstschutz, sich da Presse dazuzuladen?
Nein, das kann ich nach den Bildern ausschließen. Das waren hier Sondereinsatzkommandos, das war nicht der Schupo um die Ecke. Und die „Putschisten“ sind, wenn ich Faeser ernst nehmen soll, gefährlich. Und wenn ich gegen gefährliche Menschen vorgehe, dann hilft es mir nicht, wenn ich eine große Gruppe Presse vor der Tür habe, die von möglichen Schüssen gefährdet werden können.
Das war mehr mediale Exekution als Polizeihandlung. Und ich weiß, es gab das Interview mit einem Einsatzführer – der war selbst massiv verwundert, dass die Presse da war, und dann noch in dieser numerischen Stärke.
Wäre es da nicht ratsam, die Polizei filmte ihre eigenen Aktionen? Kopfkameras sind ja schon im Gespräch. Später könnte man Sequenzen davon der Presse zur Verfügung stellen. Wäre das ein Modell für die Zukunft?
Das Modell ist rechtlich tatsächlich schon vollzogen. Viele Polizisten tragen heute schon Bodycams. Ich hatte jetzt vor Kurzem zwei Strafverfahren, bei denen die Bodycams im Gerichtssaal als Beweismittel abgespielt worden sind.
Die heutige Rechtslage gibt einen Bodycam-Einsatz auch bei diesen Sonderkommandos her, in nahezu allen Bundesländern.
Sie haben dann mit einer Strafanzeige reagiert …
Genau, ich habe Strafanzeige gestellt und damit ein Jedermannsrecht als Anwalt in Anspruch genommen.
Haben Sie da überhaupt mit einer Reaktion gerechnet?
Mit einer Reaktion schon. Ich habe letztes Jahr eine Strafanzeige gegen die grüne Politikerin Cramon-Taubadel gestellt, die auf dem Bundesparteitag 2022 erklärte: „Dann hat Robert der Nord-Stream 2-Pipeline endlich den Garaus gemacht …“ – und dann noch im Ausschuss für Desinformation. Hatte sich die Dame nur verquatscht, unterzuckert, zu viel Party damals ohne Maske? Straftat: Billigung der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion. Das ist dann von der Bonner Staatsanwaltschaft eingestellt worden, ohne nähere Begründung.
Wenn Ihnen jemand vorhält, Sie seien da ziemlich renitent, was antworten Sie dem?
Ja (lacht).
Sie haben dann drei Monate später ein Dokument der Staatsanwaltschaft Karlsruhe erhalten. Was war inhaltlich das Überraschende für Sie?
Überraschend war für mich die Begründung, dass man gesagt hat, es seien einfach zu viele potenzielle Verdächtige, deshalb hören wir lieber auf.
Und das Zweite war die Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht für die Presse?
Genau, das Zweite war, man könne nicht weiter ermitteln, die Presse käme dann sowieso mit ihrem Zeugnisverweigerungsrecht.
Welches Licht wirft dieser Vorgang auf den Zustand des Rechtsstaats für Sie?
Ich fühle mich zurückversetzt in die alte DDR oder in die Frühzeit des Nationalsozialismus. Ich muss das so sagen. Nach offensichtlich politischen Kriterien werden die staatspolizeilichen, staatsanwaltschaftlichen Möglichkeiten eingesetzt – oder ausdrücklich nicht eingesetzt.
Ein einfaches Beispiel: Ich habe sehr viele Menschen vertreten im Zusammenhang mit Maskenattesten und Impfausweisen. Da sind alleine beim bloßen einfachen Verdacht einer Impfausweisfälschung sofort Hausdurchsuchungen durchgeführt worden in Bereichen der Minimalkriminalität, wenn im Einzelfall überhaupt kriminell.
Und hier geht es um einen Angriff auf den Rechtsstaat aus dem Rechtsstaat selbst heraus. Und hier möchten Staatsdiener nicht nur einäugig sein, hier möchten dieser Staat und dessen Ermittlungsbehörden blind sein – das ist das, was mich umtreibt.
Eine Hausdurchsuchung bei der Bundesregierung oder einer Ministerin – muss es da nicht eine größere Hürde geben, um den Staat als solchen zu schützen?
Juristisch ist das falsch. Es gab beispielsweise durch Staatsanwaltschaft und Gericht in Niedersachsen 2021 Hausdurchsuchungsbefehle mit vollzogenen Durchsuchungen im Bundesinnen- und Bundesjustizministerium. Also wenn eine Staatsanwaltschaft ein Ministerium durchsuchen möchte, bedarf es keiner Zustimmung des Ministeriums. Das heißt, ein ermittelnder Staatsanwalt kann eine Hausdurchsuchung mit Gerichtsbeschluss gegen ein Bundesministerium durchsetzen, wenn er gut vorgearbeitet hat.
Tatsächlich kann daher die Staatsanwaltschaft Karlsruhe einen Durchsuchungsbefehl von Gerichts- und Ministeriumsräumen beantragen. Die müssen natürlich im Vorfeld ein gewisses Zwischenermittlungsergebnis haben.
Konkret: Aufgrund des uns bekannten Tatbestandes müssen die Verdächtigen im oberen Bereich – wohl des Innenministeriums – sitzen. Das ist mein konkreter Vorwurf.
Haben Sie weitere Rechtsmittel, die Sie ausschöpfen können beziehungsweise auch wollen?
Wir werden, ich habe das mit den Kollegen besprochen, formell Rechtsbehelf einlegen, hier eine Gegenvorstellung. Gegenvorstellung ist ein sogenanntes ungeregeltes Rechtsmittel, das heißt, wir geben der Staatsanwaltschaft noch mal die Möglichkeit, ihre Entscheidung zu überdenken, auch aufgrund unserer weiteren rechtlichen und tatsächlichen Argumente.
Was halten Sie von der Idee eines Disziplinarverfahrens gegen den genannten Oberstaatsanwalt?
Da haben die alten Juristen immer das Zitat: „Formlos, fristlos und fruchtlos“.
Das heißt?
Kann man machen, aber wird eingestellt, und zwar aus dem formal rechtlichen Argument heraus, dass der Oberstaatsanwalt im Rahmen seiner Amtsermittlung eben zu dem Ergebnis gekommen ist und dass das aus deren Sicht nicht justiziabel ist.
Danke für das Gespräch!
Epoch Times fragte auch bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Karlsruhe nach und bekam folgende schriftliche Antworten, die allerdings im Wesentlichen der Argumentation der Einstellung des Verfahrens folgen:
„Der GBA (Red.: Generalbundesanwalt) hat gerade keine Eingrenzung vorgenommen, sondern lediglich allgemein angemerkt, dass als mögliche Täter der angezeigten Delikte Personen aus verschiedenen Ermittlungs- und weiteren Behörden mit unterschiedlichen Dienstorten in Betracht kommen. Allgemein sollen Ermittlungen zielgerichtet geführt werden. Ein ‚Herumstochern im Nebel‘ ist nicht sinnvoll. Im konkreten Fall liegen angesichts der Vielzahl der involvierten Personen, die mit der Durchführung der Ermittlungsmaßnahmen am 07.12.2022 befasst oder an diesen beteiligt waren (laut Kölner Stadtanzeiger angeblich allein 3.000 Polizeibeamte beim Vollzug der Maßnahmen), keine Erfolg versprechenden Ansätze vor. Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte für die Täterschaft einer bestimmten Person.
Es ist allgemeinkundig, dass die Medienvertreter von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, um ihre Quellen zu schützen. So wurde auch – soweit ersichtlich – in keiner Veröffentlichung eine Quelle benannt.
Bezüglich der Frage, wie viele Medienvertreter ‚betroffen‘ sind / an den zahlreichen Durchsuchungsorten zugegen waren, ist festzustellen, dass keine Pflicht / Berechtigung staatlicher Behörden besteht, die Identität etwaiger Pressevertreter festzustellen.
Falls die beteiligten Behörden interne Erkenntnisse darüber hätten, dass ein Behördenmitarbeiter sich durch Informationen an die Presse strafbar gemacht hätte, ist davon auszugehen, dass die Behörden diese Erkenntnisse den Strafverfolgungsbehörden von sich aus und von Amts wegen übermittelt hätten.“
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