Mashallah und Yallah – Arabische Begriffe erobern die Sprache der deutschen Jugend

Immer häufiger übernehmen deutsche Jugendliche Begriffe, die sie bei ihren arabischstämmigen Altersgenossen oder im Gangsta-Rap aufschnappen. Eine Spurensuche.
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Eine Gruppe Jugendlicher. Symbolbild.Foto: iStock
Von 10. Mai 2023

Mit Beginn der Massenzuwanderung ab 2015 sind weit über zwei Millionen junge Männer – vielfach muslimisch-arabischer Herkunft – nach Deutschland eingewandert. Auch wächst gerade eine große Zahl arabischstämmiger jüngerer Leute auf, die bereits in Deutschland geboren wurden.

Dieser auch quantitative Zuwachs hat dafür gesorgt, dass sich die Sprache der Kinder und Jugendlichen verändert hat. Der „Spiegel“ schreibt aktuell in einer Kolumne, dass vor allem bei jungen Menschen arabische Ausdrücke immer beliebter werden und schon zur deutschen Sprache gehören.

Das Reiseportal „Yourtripagent“ hat sich im Januar ausführlicher mit arabischen Slangwörtern beschäftigt, die aktuell immer häufiger in Deutschland zu hören sind und auch von deutschen Jugendlichen aufgenommen werden. Zum einen im direkten Kontakt in Schule und Freizeit, aber auch über eine muslimisch-arabisch geprägte Rap-Musik.

Der arabische Begriff „Yallah“ ist bereits in die Jugendsprache übergegangen und wird beispielsweise von prominenten Online-Streamern wie „Knossi“ oder „Montana Black“ verwendet. Gern in Kombination mit deutschen Slangwörtern, wenn Montana Black antreibend zu Knossi sagt: „Yallah, mach kein Heckmeck.“

Das Reiseportal erklärt die Bedeutung des Begriffs „Yallah“ für Reisende:

„Lass uns gehen“ oder „Komm schon“ – dies sei eines der am häufigsten verwendeten arabischen Wörter. Die Leute verwendeten das Wort „Yallah“ für alles, vom Stau im Autoverkehr bis hin zu Leuten auf der Tanzfläche.

Beliebt sind auch der muslimischen Sprachkultur entlehnte Begriffe wie „Mashallah“ und „Inshallah“ – hier angewandt als eine Art Hochachtungserklärung oder wie es das Reiseportal formuliert:

„Dieses Wort wird benutzt, wenn man etwas Schönes oder Spektakuläres komplimentieren möchte, ohne eifersüchtig zu werden. Es wird oft von jungen Männern benutzt, wenn sie über ein Mädchen sprechen, das sie mögen, zum Beispiel können sie sagen: ‚Sie ist so nett und wunderschön … Mashallah‘.“

Ist haram in der deutschen Sprache koscher?

Auch das arabische Adjektiv „haram“ hat sich bei vielen deutschen Jugendlichen umgangssprachlich durchgesetzt, wenn es darum geht, zum Ausdruck zu bringen, dass etwas zwar rechtlich zulässig, aber in der jeweiligen sozialen Gruppe nicht erwünscht oder gar tabuisiert ist. „Haram“ ist hier die Negation des aus dem Jüdischen stammenden „koscher“, das schon seit Jahrhunderten im deutschen Sprachgebrauch genutzt wird, wenn es darum geht, etwas zu bezeichnen, das zulässig beziehungsweise erlaubt ist.

Begriffe wie „Yallah“ wurden vor allem über deutschsprachige Rap-Musik verbreitet, die von jungen Musikern muslimisch-arabischer Herkunft produziert wird.

Und zwar nicht erst seit heute, sondern schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. So beschäftigte sich eine 2014 veröffentlichte Hauptseminararbeit mit „Arabismen in der deutschen Sprache“. Hier wird unter anderem auch erläutert, dass eine „Transferenz“ – also die Übertragung von arabischen Worten ins Deutsche schon viel früher stattgefunden habe. Beispielhaft werden hier Begriffe wie „Zucker, Matratze, Giraffe, Alkohol, Rasse oder Marzipan“ genannt.

Der Blog „2glory“ nennt weitere arabische Begriffe, die über die Rap-Musik Eingang in die deutsche Sprache gefunden haben:

„Wenn man keine arabisch sprechenden Freunde hat, kennt man als Deutsch-Rap-Fan trotzdem das eine oder andere arabische Wort. Oft kommen Wörter vor wie Cho (Bruder), al-Hamdu li-Llāh (Gott sei Dank), Habibi (Schatz), Inschallah (so Gott will), Wallah (bei Gott), Akhi (mein Bruder).“

Die Autorin hat zudem eine interessante Erklärung, wie diese arabischen Versatzstücke in den deutschsprachigen Rap gefunden haben:

„Wenn Araber normal reden, klingt es für Europäer wie ein heftiger Streit, aber genau diese Dynamik braucht Gangsta-Rap.“

Die große Musikplattform „Spotify“ hat eigens eine Kategorie „Arab“ eingerichtet.

Bereits 2010 schrieb der Autor Götz Nordbruch für die Bundeszentrale für politische Bildung eine Abhandlung über „Islamische Jugendkulturen in Deutschland und zitierte dort die Journalistin Julia Gerlach, die zuvor den Begriff „Pop-Islam“ geprägt hatte, der auch herangezogen wird, wenn es um den Einfluss islamisch religiöser Begrifflichkeiten geht.

Und die englische Nachrichtenagentur „Middle East Eye“, die sich sonst vornehmlich mit Ereignissen des Mittleren Ostens beschäftigt, titelte Anfang 2022 eine Schlagzeile, die das Phänomen einmal zusammenfasste: „Yallah, brudi: How Arabic and Turkish took over German hip-hop.“

Dort heißt es weiter: „Der Slang der deutschen Jugend wird von Rappern geprägt, die zu Hause Sprachen des Nahen Ostens sprechen.“

Sprache des Nahen Ostens – Slang aus den Kriegsgebieten

Besagte Nachrichtenagentur hat in den Tracks des deutschsprachigen Straßenraps viele arabische Wörter identifiziert. Bereits 2019 befand die Autorin Yasmina Suleiman allerdings für das Magazin „Scenenoise“, dass arabische Einflüsse im deutschen Rap und in der Hip-Hop-Szene eher Spätzünder ist.

Ein Blick in die Geschichte dieses Musikgenres zeige, dass die Verwendung der arabischen Sprache bei Weitem kein neues Phänomen sei. In den Vereinigten Staaten oder Frankreich seien arabische Wörter von Anfang an Teil der DNA dieses Musikstils, während in Deutschland zunächst die „Fantastischen Vier“ ihren Mittelstandsrap populär gemacht hätten.

Erst in den 2000er-Jahren habe Berliner Gangsta-Rap die Führung in der deutschen Szene übernommen. Ein Fazit der Autorin: „Aktuell kann Arabisch als eine der im Deutschrap überwiegend verwendeten Sprachen angesehen werden.“

Im vergangenen Jahr veröffentlichte der türkischstämmige deutsche Regisseur Fatih Akin eine filmische Biografie über den kurdisch-iranisch stämmigen Deutschrapper Xatar unter dem Titel „Rheingold“. Titel und Thema sagen in Kombination bereits alles über diese moderne Symbiose. Im Interview mit „nd-aktuell“ wagte der Hamburger Regisseur mit Blick auf Xatar bereits eine Art Zukunftsprognose:

„Es war sein Leben, was mich motiviert hat. Aber auch, wie sehr solche Menschen Deutschland prägen; sie kommen hierher und verändern das Land und werden selbst am Ende zu Mythologie, zur deutschen Mythologie.“

 



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