Mannheimer Polizistenmord: Angeklagter schweigt zum Prozessauftakt
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Gestern hat der Prozess zum Attentat auf dem Mannheimer Marktplatz begonnen, bei dem der Polizist Rouven Laur getötet wurde. Insgesamt 50 Prozesstage sind für das Staatsschutzverfahren vor dem Oberlandgericht in Stuttgart angesetzt.
Mord und fünffacher versuchter Mord
Konkret wird dem Angeklagten Sulaiman A. zur Last gelegt, fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) sowie einen Polizisten mit einem Messer verletzt zu haben.
Der 29 Jahre alte Polizeibeamte Rouven Laur erlag später seinen Verletzungen. Ein anderer Polizist schoss den Angreifer nieder, der operiert wurde und zunächst nicht vernommen werden konnte. Seit Mitte Juni ist der mittlerweile 26-Jährige in Untersuchungshaft. Im November erhob der Generalbundesanwalt Anklage wegen Mord und fünffachem versuchtem Mord. In seiner Anklage gehet die Generalbundesanwaltschaft davon aus, dass A. Sympathien für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) habe. Sollte der Angeklagte in Stuttgart verurteilt werden, dann droht ihm lebenslange Haft.
Die Anteilnahme am Tod des jungen Polizisten war bundesweit groß, in Mannheim fanden sich wenige Tage danach 8.000 Menschen für eine Gedenkkundgebung zusammen. Die Tat löste zudem heftige Debatten über striktere Abschiebungen ausländischer Straftäter und Messerverbote aus.
Prozessbeginn verzögerte sich
Laut der „Tagesschau“ war das Interesse bei Publikum und Medien gestern so groß, dass der für 10:00 Uhr angesetzte Prozessbeginn erst verzögert beginnen konnte. Die Familie des getöteten Polizisten war gestern auch anwesend. Sie tritt im Prozess als Nebenkläger auf und wird laut dem Portal „Legal Tribune Online“ (LTO) von zwei Anwälten vertreten, einer für die Eltern und einer für die beiden Schwestern. Auch der Bürgermeister von Neckarsbischofsheim, dem Herkunftsort von Laur, saß gestern im Publikum. Er kennt die Familie gut.
Als der Angeklagte in Handschellen in den Gerichtssaal geführt wird, beginnt wenig später der Prozess. Anders als oft bei Prozessbeginn üblich, begann der Auftakt in Stuttgart nicht mit vielen Anträgen der Verteidigung. Die Generalbundesanwaltschaft las die Anklage vor.
Religiöse Pflicht, „Ungläubige“ anzugreifen
Im Jahr 2021 begann der Angeklagte nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan, sich für deren Ideologie zu interessieren. Durch Beiträge radikal-islamischer Gelehrter auf Telegram entwickelte er, so die Generalbundesanwaltschaft, Sympathien für die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) und übernahm deren Ideologie ab etwa Anfang 2023. Zum Schluss war er der Überzeugung, es sei seine religiöse Pflicht, vermeintliche Ungläubige in Deutschland anzugreifen. Daher plante er einen Anschlag auf Menschen, die er als Feinde des Islam betrachtete.
Am 31. Mai 2024 hatte der Täter das Ziel, möglichst viele Mitglieder der islamkritischen Vereinigung „Bürgerbewegung Pax Europa“ (BPE) zu töten, die dort eine Kundgebung abhielten. Außerdem beabsichtigte er, Polizeibeamte als Repräsentanten des Staates anzugreifen. Um 11:35 Uhr stach er in kurzen Abständen auf mehrere Personen in der Nähe des BPE-Stands ein und verletzte sie schwer.
Hauptkommissar Rouven Laur eilte in der unübersichtlichen Situation zu Hilfe. Der Täter attackierte ihn von hinten mit einem Jagdmesser, dessen Klinge 18 Zentimeter lang war, und stach ihm zunächst ins Schulterblatt. Kurz darauf stieß er das Messer im Bereich des linken Ohrs heftig in seinen Kopf. Trotz einer sofortigen Notoperation erlag Laur wenige Tage später seinen schweren Verletzungen.
Familie des Opfers tritt als Nebenkläger auf
Die Familie des Opfers verfolgte die Verhandlungen laut „Bild“ tief betroffen. Einer der Vertreter, Rechtsanwalt Wolfram Schädler, hatte zu Prozessbeginn, wie die „Tagesschau“ schreibt, gegenüber dem SWR erklärt: Sie seien heute aber bewusst zum Prozessbeginn vor Ort im Gerichtssaal. Die Mutter habe gesagt: „Wir sind da, weil Rouven nicht da ist.“
Eine Anklage wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ oder deren Unterstützung wurde jedoch nicht erhoben, da die Ermittler zwar eine ideologische Nähe zum IS erkennen, aber keine direkte Einbindung in die Organisationsstruktur nachweisen konnten.
Zu Beginn des Prozesses äußerte sich der Angeklagte nur kurz zu seinen persönlichen Daten wie Geburtstag, Geburtsort und Familienstand, gab jedoch keine Erklärung zu den Tatvorwürfen ab. Seine Verteidiger kündigten später an, dass A. sich zu seinen persönlichen Verhältnissen äußern werde, nicht jedoch zur Tat. Über sein Recht zu schweigen, hatte ihn der Richter zuvor belehrt.
Warnung vor überhöhten Erwartungen an Prozess
Der Vorsitzende Richter Herbert Anderer wies darauf hin, dass das Verfahren emotionale Momente mit sich bringen werde. Er betonte, dass das Gericht mit Akribie alle relevanten Erkenntnisse zusammentragen werde, um eine rechtmäßige Urteilsfindung zu gewährleisten. Dennoch warnte er vor überhöhten Erwartungen an den Prozess. Dieser werde die individuelle Schuld des Angeklagten klären, sei aber kein parlamentarischer Untersuchungsausschuss. „Wir sind Teil der dritten Gewalt, also der Justiz, nicht weniger, aber auch nicht mehr“, so Anderer.
Der Prozess ist im Moment bis zum Herbst angesetzt. Dann soll es eine Entscheidung geben.
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