Mannheim: Streit um den „Sarotti-Mohr“ – Normale Nostalgie oder Zeichen des Rassismus?

Über ein Werbeplakat mit dem "Sarotti-Mohr" an der Theke im Foyer des Mannheimer Kulturzentrums "Capitol" ist eine heiße Debatte entbrannt. Seit einer Veranstaltung zum Thema "Alltagsrassismus" im vergangenen Oktober gehen die Wogen unter Besuchern des Kulturzentrums und in Sozialen Netzwerken hoch. Die Frage: Darf man die Mohrenfigur zeigen, oder ist das ebenfalls Alltagsrassismus?
Titelbild
Zwei Werbeschilder mit dem "Sarotti-Mohr" lösten in Mannheimer Capitol eine heftige Debatte zum Thema Alltagsdiskriminierung aus.Foto: screenshot
Epoch Times9. April 2019

Nach einer Veranstaltung zum Thema „Alltagsrassismus“ am 10. Oktober 2018 geriet der Veranstaltungsort, das Mannheimer Kulturzentrum, selbst unter Beschuss: Die beiden Werbeschilder mit dem „Sarotti-Mohr“ an der Theke des Kulturzentrums sind für einige Besucher des Zentrums ein Affront und selbst nichts anderes als „Alltagsrassismus“.

Die Betreiber des Capitols nahmen die nach der Veranstaltung auf sie einprasselnden Kommentare ernst. Sie riefen ein Beratergremium für ihr Kulturzentrum ein und erbaten Stellungnahmen vom Stadtarchiv und dem Denkmalamt Mannheim.

„Im Capitol ist kein Platz für Rassismus, Hetze und Hass“, so das offizielle Statement des Hauses.

Es folgten eine Reihe von Veranstaltungen, in denen das Thema mit mehr als 700 Jugendlichen und Erwachsenen auf sechs Veranstaltungen diskutiert wurde.

„Irritationen des Betrachters gewünscht“

Am 27. Februar verkündete der Vorstand der Capitol Stiftung seine Entscheidung:

Die Sarotti Werbeanlage bleibt in unserem Haus erhalten. Die Sarotti Figur wird weiterhin gezeigt, ihre Haltung wird aber verändert. Sie soll zum Symbol für unseren Wunsch werden, mit unseren Gästen dauerhaft im Gespräch zu bleiben. Eine Irritation des Betrachters ist hier gewünscht und beabsichtigt, diese soll den Dialog anregen.“

Ruhan Karakul, die Co-Vorsitzende der Alevitischen Gemeinde Deutschlands, plädierte als einziges Mitglied im Beratergremium des Capitols für eine Beseitigung der Werbung. Sie vertrat die Auffassung, dass damit der Rassismus reproduziert werden würde.

„Paradebeispiel von wiederkehrender Alltagsdiskriminierung“

Als ein „Paradebeispiel von wiederkehrender Alltagsdiskriminierung“ und „eindeutig kolonialrassistisches Zeugnis“ bezeichnete das Antidiskriminierungsbüro (adb) Mannheim das Sarotti-Schild und bedauert die Entscheidung des Betreibers:

Die positive Absicht der Capitol-Betreibenden, die Sarotti-Figur zum Symbol für ihren Wunsch werden zu lassen, ‚mit unseren Gästen dauerhaft im Gespräch zu bleiben‘, steht nach Ansicht des adb in keinem Verhältnis zu den Verletzungen, die ebendieses Symbol bei den Betroffenen auslöst.“

Das adb beanstandete, dass im Beratergremium des Capitol neben Moderatorin und Autorin Mo Asumang zu wenige schwarze Menschen mitgewirkt hatten.

Tahir Della, Verbandssprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland vertrat laut „Focus“ die Ansicht, dass man auch ohne die Werbung über Rassismus diskutieren könne: „Wo ist das Problem, die Figuren abzuhängen?“

Der „Mohr“ im Wandel der Zeit

Der „Sarottimohr“ zierte seit über 100 Jahren die Produkte der Schokoladenwerke. Eine rassistische Deutung der Werbefigur erscheint dem Unternehmen abwegig. „Aus unserer Sicht gibt es keine Veranlassung, die Marke Sarotti in diese fragwürdige Interpretation zu bringen“, so ein Statement des belgische Süßwarenherstellers Baronie.

Sprachwissenschaftler Henning Lobin sieht das anders. Aus dem „Mohr“ ist im Laufe des 19. Jahrhunderts aus einem neutralen Begriff ein abfälliges Wort geworden. Er sagt laut „Focus“:

Das kann man zum einen daran erkennen, dass das Adjektiv, das in Textkorpora am häufigsten mit „Mohr“ kombiniert wird, ‚kohlpechrabenschwarz‘ lautet, zum anderen an der Tatsache, dass es heute offensichtlich andere, neutralere Wörter zur Bezeichnung schwarzer Menschen gibt.“

Das kritisierende Wort solle man nach seiner Empfehlung ebenso wenig verwendet wie andere beleidigende Wörter zur Bezeichnung von Menschen.

Auch in Frankfurt gab es ähnliche Diskussionen im vergangenen Jahr. Dort forderte der Ausländerbeirat die Umbenennung zweier „Mohren-Apotheken“ – vergeblich.

Foto: screenshot

Übrigens: Der „Sarotti-Mohr“ erhielt seinen Namen 1918 in Gedanken an die Gründungsstätte der Schokoladenwerke in der Berliner Mohrenstraße. der  Bereits im Jahr 2004 verpassten Marketing-Experten der Stollwerk AG ihrer Werbefigur ein neues Outfit. Aus dem „Mohren“ wurde der „Magier der Sinne“. Seine schwarze Haut wurde golden eingefärbt. Statt ein Tablett zu tragen, jongliert er jetzt mit Sternen. (sua)



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