Lockdown-Studie in Österreich: Depressionen bei 50 Prozent der jungen Erwachsenen
Der zweite Lockdown in Österreich im Spätherbst 2020 hatte deutlich nachteiligere Folgen für das psychische Wohlbefinden der Menschen als der erste im Frühjahr des Vorjahres. Vor allem junge Menschen sind durch die Einschränkungen belastet, Frauen stärker als Männer und Singles oder getrennt Lebende in höherem Maße als Verheiratete oder Verwitwete.
„Alarmierende“ Ergebnisse der Lockdown-Studie
Dies geht aus einer Studie hervor, die ein Forscherteam der Abteilung für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit an der Donau-Universität Krems unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Christoph Pieh Ende Januar zur psychischen Gesundheit der Bevölkerung präsentiert hatte.
Der österreichische Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) hatte die Umfrage in Auftrag gegeben. Befragt wurden 1.500 repräsentativ ausgewählte Teilnehmer in der Zeit um den Jahreswechsel. Die Studie ist mittlerweile auch online verfügbar.
Bemerkbar macht sich die Belastung demnach anhand von Symptomen wie depressiven Verstimmungen, Ängsten oder Schlafstörungen. Ähnliche Tendenzen hatten sich auch schon in gleichgelagerten Befragungen im April, Juni und September gezeigt, im Vergleich zum ersten Lockdown war es insgesamt jedoch ein deutlich höherer Anteil an Befragten, der zumindest moderate depressive Symptome zeigte.
Auch der Leiter der Studie, Professor Pieh, zieht eine eindeutige Bilanz:
Seit der letzten Erhebung im September kam es zu einer neuerlichen deutlichen Verschlechterung der psychischen Gesundheit. Diese Ergebnisse sind alarmierend.“
Junge Erwachsene in Österreich besonders stark betroffen
Zum Zeitpunkt der Erhebung, also zu Beginn des Jahres, litten 26 Prozent der Österreicher insgesamt an depressiven Symptomen, 23 Prozent klagten über Angstsymptome, Schlafprobleme hatten 18 Prozent.
Obwohl der Winter in Österreich generell eine Jahreszeit darstellt, in der depressive Verstimmungen häufiger anzutreffen sind, spricht vieles dafür, dass der Corona-Lockdown mit Kontaktbeschränkungen in der Weihnachtszeit und Restriktionen in der Freizeitgestaltung das Wohlbefinden der Menschen im Land die Situation noch einmal deutlich verschärft hat.
Bei jungen Menschen zwischen 18 und 24 Jahren gaben 50 Prozent an, dass der zweite Lockdown eine erhebliche psychische Belastung für sie darstelle. Nach dem ersten Lockdown lag der entsprechende Anteil in dieser Altersgruppe etwas über 30 Prozent.
Familienstand spielt ebenfalls eine Rolle
Ein leichter Rückgang in der Wahrnehmung der Belastung durch den zweiten Lockdown gegenüber der Situation im Frühjahr war lediglich in der Gruppe der 25- bis 44-Jährigen zu bemerken. Allerdings verharrt sie auch dort mit 30 Prozent der Befragten, die über moderate depressive Symptome klagen, auf einem hohen Niveau.
Mit zunehmendem Alter verringert sich das Belastungsempfinden durch den Lockdown. Bei der Gruppe 65+ liegt sie bei 12 Prozent mit depressiven Symptomen. Allerdings hat sich der Anteil der Betroffenen in dieser Gruppe gegenüber dem Frühjahr 2020 verdoppelt.
Bei Menschen, die eine Trennung hinter sich haben, ist der Prozentsatz derjenigen, die mit depressiven Verstimmungen auf den Lockdown reagieren, von 25 Prozent im Frühjahr auf 47 Prozent zum Jahreswechsel gestiegen. Unter Singles fühlten sich 35 Prozent durch den Winter-Lockdown schwer belastet – im Vergleich zu 27 Prozent während des ersten.
Unter Geschiedenen sprachen etwas mehr als 30 Prozent von moderaten Depressionen im zweiten Lockdown, unter unverheiratet Zusammenlebenden 25 Prozent und unter Verheirateten weniger als 20.
In allen genannten Gruppen bedeutete dies gegenüber dem Frühjahr ein Plus von maximal fünf Prozent. Lediglich Verwitwete fühlten sich durch den zweiten Lockdown weniger stark psychisch beeinträchtigt: In dieser Gruppe sank der Anteil der Befragten mit depressiven Symptomen von 23 auf 20 Prozent.
Verzehnfachung des Anteils von Befragten mit schweren Depressionen
Auch Arbeitslose zeigten sich in überdurchschnittlichem Maße von den Pandemie-Maßnahmen belastet. Insgesamt, so die Autoren der Studie, lasse sich gemessen an 2019 ein Rückgang der Lebensqualität um ein Fünftel erkennen.
Im Jahr vor dem Lockdown lag der Anteil der Menschen in Österreich, die über depressive Symptome klagten, noch bei weniger als fünf Prozent. Die Zahl derjenigen Menschen, deren Depressionen als schwer zu bezeichnen sind, habe sich sogar verzehnfacht, heißt es in einer Mitteilung zu der Studie.
Die Gründe für die Verschlechterung im Lockdown seien individuell verschieden, so Pieh. Zukunftsängste, Jobverlust, finanzielle Sorgen und Einsamkeit gehörten zu den am häufigsten genannten Stressfaktoren.
„Als besonders belastend werden neben der Pandemie an sich die schwierige wirtschaftliche Lage sowie Folgen und die Maßnahmen zur Eindämmung erlebt. Hilfreich werden hingegen u.a. das familiäre oder soziale Umfeld, Stressbewältigung, Sport oder andere Hobbys erlebt.“
Neben der Dauer der Pandemie dürfte jedoch, so der Studienleiter, auch der Zeitraum der Erhebung eine verstärkende Rolle bezüglich der Wahrnehmung gespielt gaben.
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