LNG schlechter als Diesel: „Brückentechnologie“ mit bis zu 50 Prozent mehr Emissionen

Verflüssigtes Erdgas (LNG) gilt als Brückentechnologie zur CO₂-neutralen Energieerzeugung. Dennoch ist die Klimabilanz fraglich: Die unvermeidbaren Emissionen des Treibstoffs haben die 80-fache Klimawirkung.
Schiffe mit LNG-Antrieb wie die "MSC World Europa", hier an einem Kreuzfahrtterminal in Katar, gelten als besonders klimafreundlich.
Schiffe mit LNG-Antrieb wie die „MSC World Europa“, hier an einem Kreuzfahrtterminal in Katar, gelten als besonders klimafreundlich.Foto: iStock
Von 21. September 2023

Kraftwerke sollen, Fracht- und Kreuzfahrtschiffe werden bereits mit LNG-Motoren und -Generatoren ausgestattet. Insbesondere die Kreuzfahrtbranche setzt auf diese Technik und konnte die CO₂-Emissionen neuer Schiffe um etwa 25 Prozent senken. Neben Kohlenstoffdioxid entweicht nun jedoch auch ein nicht unerheblicher Betrag Methan (CH4), dessen Treibhausgaseffekt etwa 80-mal stärker ist.

Bereits 2019 kam die Energy Watch Group zu dem Schluss, dass die Umstellung von Kohle und Erdöl auf Erdgas den Treibhauseffekt des Energieverbrauchs um rund 40 Prozent erhöht. Infolgedessen bezweifelte die Berliner Organisation die Zukunftstauglichkeit von Erdgas. Daten der Europäischen Union und der Motorenhersteller können diese Zweifel nicht ausräumen.

Wie Benzin, das aus dem Auspuff tropft

Kreuzfahrtschiffe machen zwar nur einen kleinen Teil der weltweiten Flotte aus, stehen aber im besonderen Interesse der Öffentlichkeit. Neuerungen dieser Branche finden zudem nicht selten auch ihren Weg in Transportschiffe, sodass Klimaschutzmaßnahmen auf Kreuzfahrtschiffen eine doppelte Signalwirkung haben.

Wie „Bloomberg“ berichtete, sind LNG-betriebene Schiffe jedoch nicht unbedingt weniger klimaschädlich als ihre mit Marinediesel oder Schweröl befeuerten Schwestern. So habe ein vermeintlicher Passagier auf dem Kreuzfahrtschiff „MSC World Europa“ an den Schornsteinen mit einer Spezialkamera „große Kohlenwasserstofffahnen“ gefilmt.

Unabhängige Auswertungen der Aufnahmen identifizierten darin „mit ziemlicher Sicherheit“ unverbranntes Methan, den Hauptbestandteil von LNG. Dieser sogenannte Methanschlupf ist technisch bedingt und vergleichbar mit Benzin, das aus dem Auspuff eines Autos tropft. Allerdings steigt das Methan direkt in die Atmosphäre.

Da durch den Methanschlupf wertvoller Kraftstoff verloren geht, sind Motorenhersteller und Betreiber bestrebt, die Verluste zu begrenzen. Neuere Motoren, einschließlich denen der „MSC World Europa“, liegen daher unter dem gesetzlich vorgegebenen Grenzwert von 3,1 Prozent.

Wie hoch der Wert auf der „MSC World Europa“ tatsächlich ist, konnte die Reederei nicht mitteilen. Stattdessen hieß es anlässlich der Methanmessung, dass die Rate deutlich unter dem Grenzwert liege, der ein „Richtwert auf Grundlage älterer Technologien“ sei. Genauere Daten lägen nicht vor. Man werde möglicherweise noch in diesem Jahr mit einer direkten Messung beginnen.

LNG in Summe 50 Prozent schädlicher

LNG- und Dieselmotoren haben sowohl ähnliche Leistungsdaten als auch einen ähnlichen Kraftstoffverbrauch.

Angenommen, ein Lkw verbraucht 29 Liter Diesel pro 100 Kilometer, so ist damit zu rechnen, dass ein vergleichbarer LNG-Lkw für diese Strecke etwa 24 Kilogramm LNG benötigt. Dabei soll zur besseren Übersicht der Dieselverbrauch ebenfalls in Kilogramm angegeben werden. Er entspricht bei einer Dichte von 0,83 kg/l ebenfalls 24 Kilogramm (24,07 kg).

Bei der Verbrennung von Diesel entstehen etwa 2.650 Gramm CO₂ pro Liter beziehungsweise 3.200 g pro kg. Somit erzeugt der obige Diesel-Lkw rund 77 kg CO₂ pro 100 Kilometer. Dieser Wert lässt sich durch Umstieg auf LNG um bis zu 25 Prozent auf 58 kg CO₂ senken. So weit, so gut, allerdings muss noch der Methanschlupf berücksichtigt werden.

Da es sich dabei um unverbrannten Treibstoff handelt, kann argumentiert werden, dass dies den Verbrauch erhöht. Zugunsten des LNG soll jedoch angenommen werden, dass der Methanschlupf bei den Verbrauchsangaben bereits berücksichtigt wurde.

Die erlaubten 3,1 Prozent entsprechen bei einem Verbrauch von 24 kg zwar lediglich 744 g Methan, diese wirken aufgrund der 80-fach höheren Klimawirkung jedoch so wie weitere 60 kg CO₂ – zusätzlich zu den Abgasen aus der Verbrennung. Der LNG-Lkw stößt in Summe also 118 kg CO₂ beziehungsweise CO₂-Äquivalente pro 100 Kilometer aus. Zur Erinnerung, ein Diesel-Lkw erzeugt auf derselben Strecke 77 kg CO₂.

Für das Klima ist LNG damit nicht 25 Prozent besser als Diesel, sondern rund 53 Prozent schlechter.

Während bei einem Schiffsmotor eher mit einem Verbrauch von 24 Tonnen pro Tag zu rechnen ist, bleibt das Ergebnis das Gleiche. Erst bei einem Methanschlupf von unter einem Prozent halten sich die Emissionen die Waage.

Unpraktische und unerwünschte Alternativen

Der wesentliche Vorteil von LNG gegenüber Diesel ist, dass aufgrund der Reinheit des Kraftstoffs weniger Feinstaub sowie kaum Schwefel und Stickoxide entstehen. Diesen Vorteil haben jedoch auch andere Kraftstoffe, die weniger leicht flüchtig sind. Beispielsweise bemühen sich Motorenhersteller und Reedereien um den Einsatz von Ammoniak und Methanol in der kommerziellen Schifffahrt. Diese sind aufgrund der benötigten Mengen zum aktuellen Zeitpunkt jedoch weit von der flächendeckenden Anwendung entfernt.

Eine andere Technologie gänzlich ohne Abgase ist die Kernkraft. Zwar nutzen einige wenige Kriegsschiffe die Technik seit Jahren unfallfrei, für Handelsschiffe war dies in der Vergangenheit jedoch nicht wirtschaftlich. Das einzige deutsche zivile Schiff mit Nuklearantrieb, die „Otto Hahn“, wurde 1964 zu Wasser gelassen, der Reaktor 1979 angesichts von Schwierigkeiten beim Anlaufen internationaler Häfen jedoch ausgebaut. Bis zur Außerdienststellung 2009 fuhr das Schiff mit konventionellem Motor.

Angesichts steigender Kosten durch immer strengere Regulierungen rückt der Nuklearantrieb wieder in den Fokus, sowohl für schwimmende Kraftwerke und Kreuzfahrtschiffe als auch für Frachtschiffe. Das American Bureau of Shipping (ABS) stellte jüngst zwei Konzepte vor, wonach Containerschiffe und Tanker durch den Einsatz von Kernreaktoren ihre Transportleistung steigern können und maximal einmal in 25 Jahren „nachtanken“ müssen. – Ob diese allerdings auch unter deutscher Flagge fahren könnten, steht auf einem anderen Blatt.



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