Langfristige Effekte der Homöopathie in den Niederlanden untersucht – bald auch in Deutschland?

Konventionelle oder homöopathische und anthroposophische Behandlungen, was ist auf Dauer nachhaltiger? Eine Studie könnte Licht ins Dunkel bringen, wie der Berliner Kinderarzt Dr. Stefan Schmidt-Troschke im Interview mit Epoch Times erklärte.
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Dr. med. Stefan Schmidt-Troschke.Foto: ÄFI
Von 9. Juni 2024

Anhand von gesundheitsökonomisch relevanten Daten ist ermittelbar, welche Behandlungsansätze für Patienten wirklich nachhaltiger sind – die integrativen Methoden der Ärzte, die eine Zusatzbezeichnung wie Homöopathie oder Naturheilkunde führen, oder die von Ärzten, die mit konventionellen Methoden behandeln.

Darüber informierte der Kinderarzt Dr. Stefan Schmidt-Troschke, Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin in Berlin und Geschäftsführer des Bürger- und Patientenverbandes Gesundheit Aktiv e.V., in einer Sitzung vor dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages am 3. Juni, wie Epoch Times berichtete. In Zeiten von Ärztemangel könnte eine solche Studie wegweisend sein.

Epoch Times wollte mehr über eine solche mögliche Erhebung wissen und sprach mit dem Arzt. Im Interview erklärte Dr. Schmidt-Troschke, wie eine solche Studie durchgeführt werden könnte, um fundierte Aussagen über die Effizienz und Wirtschaftlichkeit der verschiedenen medizinischen Ansätze zu treffen. Denn Daten gibt es genug.

Epoch Times: Sie hatten während der Anhörung im Petitionsausschuss eine bevölkerungsweite Studie erwähnt. Wo müsste man da anfangen?

Dr. Stefan Schmidt-Troschke: Man könnte aus den Versichertendaten der Krankenkassen ermitteln, welche Patientengruppen durch welche Ärzte mit welchen Zusatzweiterbildungen versorgt werden und entsprechende Gruppen bilden. In den Niederlanden wurde das bereits gemacht.

Die Daten von Patienten, die primär von Hausärzten mit Zusatzweiterbildungen versorgt wurden, wurden mit den Daten von Patienten von konventionell orientierten Ärzten verglichen. Es gibt sogenannte Qualitätsindikatoren, die von Krankenkassen gemessen werden können. Auf dieser Basis kann man dann die Qualität in den Settings bewerten, in denen Menschen versorgt werden.

Man kann schauen, ob Diabetiker ausreichend oft zum Augenarzt überwiesen werden, zum Beispiel wie viele und welche Medikamente die Leute verordnet bekommen, wie oft Patienten in die Klinik eingewiesen wurden, wann sie versterben und welche Kosten sie verursacht haben.

Man würde zwar am Ende nicht herausfinden, ob Homöopathie im direkten Sinne wirkt, aber man könnte eine allgemeine Aussage darüber treffen, ob die von homöopathisch orientierten Ärzten versorgten Patienten häufiger zum Arzt gehen, häufigere Krankenhausaufenthalte haben oder wie viel länger oder kürzer sie leben und so weiter.

Wenn man ein wenig mehr Geld in die Hand nimmt und etwas mehr Aufwand betreibt, kann man Zehntausende Patienten miteinander vergleichen. Man könnte auch einzelne Patientenbefragungen durchführen. Hier in Deutschland gibt es zum Beispiel das AQUA-Institut, das so etwas machen könnte.

Man könnte fragen: Welche Medikamente haben Sie eingenommen? Wie viel haben Sie zusätzlich an Homöopathie eingesetzt? Und so weiter. Das könnte man mit den ermittelten Versorgungsdaten ins Verhältnis setzen.

Das wäre aus Versorgungssicht und aus Solidarsicht interessant – auch für die Kostenträger beziehungsweise für den Staat.

Können Sie das näher erklären?

Den Staat muss es gar nicht so sehr interessieren, welches Verfahren genau wie wirkt und so weiter. Er sollte daran interessiert sein: In welchem Setting geht es meinen Bürgern eigentlich am besten und wofür geben wir dann am Ende Geld aus?

Wenn man will, könnte man noch weiter in die Tiefe gehen und Ärzte befragen, was Patienten genau bekommen haben und Untergruppen nach Diagnosen bilden. Allerdings muss man dazu sagen, dass eine solche Erhebung sehr ungenau wäre, weil Diagnosen überwiegend zu Abrechnungszwecken und nicht als Grundlage für medizinische Studien dienen. Um ein Versorgungssetting zu bewerten, wären diese Daten aber durchaus geeignet.

Statt die reinen Krankenkassendaten zu nehmen, könnte man auch eine Registerstudie machen, innerhalb der einzelne Patienten über die Praxen mit geringem Aufwand erfasst werden. Denn je mehr Daten man aktiv erhebt, desto aufwendiger wird so etwas.

Aber heutzutage gibt es gute Möglichkeiten über Apps und Ähnliches, wo Leute aktiv mithelfen können, die Daten zu übermitteln. Dann hätten wir sogenannte Real-World-Data, also Daten, die man in der realen Versorgung erhebt.

Das ließe sich gut machen, weil es Hausärzte gibt, die dezidiert eine homöopathische Zulassung haben. Diese Daten kann man dann vergleichen mit denen von Ärzten, die keine Naturheilkunde anbieten und keine dieser Zusatzbezeichnungen führen.

Ich vermute, dass sich eine solche Studie aus staatlicher Sicht mit vergleichsweise geringem Aufwand stemmen ließe.

Über welchen Zeitraum reden wir hier? Wie lange müsste eine solche Studie angesetzt werden?

Wir haben über zwei Modelle gesprochen. Also beim Auswerten der bereits vorhandenen Daten können die Zeiträume beliebig festgelegt werden. Drei bis fünf Jahre wären sicher sinnvoll, um die eigentlich interessanten mittel- und langfristigen Effekte zu messen. Das Interessante ist, dass die eigentlichen Effekte einer Behandlung mit Homöopathie oder mit anthroposophischer Medizin sich oft erst über einen mittelfristigen Zeitraum einstellen.

Das sind ja keine Wunderheilungen. Man muss sich das so vorstellen: Jemand mit schwerem Rheuma, der vielleicht viele Jahre konventionell behandelt wurde und einfach die Nebenwirkungen nicht mehr erträgt, möchte einen anderen Weg gehen.

Da kann man nicht erwarten, dass sich alles innerhalb von vier Wochen plötzlich ändert. Unter Umständen kann man nach einem halben Jahr etwas sehen. Bei einer Migräne wird man unter Umständen nach einigen Monaten eine Veränderung feststellen.

Es gibt aber einen interessanten Effekt, den man in dieser niederländischen Erhebung bemerkt hat: Das Verhalten der Leute ändert sich. Irgendwann kommen sie seltener zum Arzt oder sie werden vielleicht nicht so oft ins Krankenhaus eingewiesen.

Das sind dann die Daten, die sowohl aus Patientensicht als auch gesundheitsökonomisch wirklich relevant sind, denn das sind Kosten, für die in einer Solidargemeinschaft alle zusammen aufkommen müssen. Deshalb würde ich an dieser Stelle genau schauen: Was bringt es den Menschen und was kostet es am Ende? Da zumindest zeigen die Daten aus den Niederlanden, dass dies sehr vielversprechende Ergebnisse liefern kann.

Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Susanne Ausic.



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