„Kriminalisierung und Rufmord gehören nicht zu Aufgaben öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten“

Kürzlich lief im ZDF eine Reportage über den früheren Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen. Die Sendung gefiel Maren Müller, der Vorsitzenden der Ständigen Publikumskonferenz, überhaupt nicht: Maaßen sei „grobes Unrecht“ widerfahren. Sie reichte Programmbeschwerde ein. Die Epoch Times bat Müller um ein Interview.
Hans-Georg Maaßen war bei der Bundestagswahl 2021 in einem Wahlkreis in Thüringen erfolglos als CDU-Direktkandidat angetreten.
Hans-Georg Maaßen.Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa
Von 15. Juli 2023

Für die einen ist der ehemalige Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen (CDU) ein ehrenwerter Beamter im Ruhestand und ein würdiger Vorsitzender der konservativen WerteUnion. Andere sehen in ihm einen Störenfried mit rechtspopulistischen, wenn nicht rechtsradikalen Ansichten. Keine Frage: Maaßen polarisiert.

Am späten Abend des 5. Juli strahlte das „Zweite Deutsche Fernsehen“ (ZDF) eine halbstündige Sendung über ihn aus. In „Der Fall Maaßen. Zwischen Geheimdienst und Verschwörung“ von Lucas Eiler und Sebastian Galle kam Maaßen alles andere als gut weg. Betont wurde Maaßens vermeintliche Nähe zu „Ultrarechten“ und sein angeblicher Hang zu „Verschwörungstheorien“.

Diese Darstellung erregte den Unmut von Maren Müller, der Vorstandsvorsitzenden des Vereins Ständige Publikumskonferenz in Leipzig. Müller, früheres Parteimitglied der Linken und Betriebswirtin mit Wohnsitz in Bonn, reichte eine detaillierte Programmbeschwerde beim ZDF ein und veröffentlichte ihren Text auf der Website des Vereins. Die Epoch Times bat Müller daraufhin um ein schriftliches Interview.

Frau Müller, Ihre ausführliche Begründung Ihrer Beschwerde zum „Fall Maaßen“ liest sich fast wie ein juristisches Plädoyer. Wie viele Stunden haben Sie in die Recherche gesteckt?

Ungefähr fünf Stunden.

In welcher Beziehung stehen Sie zu Herrn Maaßen, zur CDU oder zur WerteUnion?

Persönlich bin ich kein Wähler der Union, aber ich finde die konservative Sicht in der politischen Landschaft wichtig, da sie – addiert – eine Mehrheitsmeinung in unserer demokratischen Landschaft abbildet und jede Art politischen Handelns ein Gegengewicht braucht.

Da die CDU inzwischen droht, zu einer Kopie der rot-grünen Agendapolitik zu mutieren, ist die Besinnung auf die Grundwerte der Partei nur folgerichtig. Die WerteUnion tut hier wichtige Arbeit im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und im konservativen Wählerauftrag.

Herr Maaßen ist für mich ein verbindlicher, kluger und erfahrener Beamter, dem aus den eigenen Reihen grobes Unrecht widerfahren ist. Ich habe aus Interesse zwei Veranstaltungen der WerteUnion besucht und sehe in ihrem Engagement keine demokratiefeindlichen Tendenzen, sondern eher Bestrebungen, die Spaltung des konservativen Lagers zu überwinden.

Sie sehen eine Reihe von Verstößen gegen Rechtsgrundlagen und Vorschriften, an die sich das ZDF aus Ihrer Sicht zu halten hätte. Wie erklären Sie sich, dass in einem öffentlich-rechtlichen Haus die Endredaktion offensichtlich keine Probleme damit hatte, die Doku trotzdem zu senden?

Meine Sicht auf die Dinge ist nicht allgemein verbindlich. Es gibt sicher eine ganze Reihe von Rezipienten, denen diese Doku Wasser auf die politischen Mühlen war. Ein Verstoß gegen die Programmrichtlinien ist schwer nachzuweisen, denn diese beziehen sich auf das Gesamtprogramm und nicht auf einzelne Sendungen.

Es ist allerdings evident, dass Kriminalisierung und Rufmord nicht zu den Aufgaben öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten gehört, insbesondere nicht unter Hinzuziehung fragwürdiger Experten, die aus einem einzigen Wort eine Antisemitismuskeule gegen einen unbescholtenen Beamten schwingen. Das ist schlicht unseriös – genauso wie relevante, entlastende Informationen zu unterdrücken.

Haben Sie schon eine Reaktion vom ZDF oder von einer anderen Seite erhalten?

Ja, die Eingangsbestätigung der Vorsitzenden des Rundfunkrates (Link).

Rechnen Sie überhaupt mit einer ausführlichen Antwort?

Die Sender und Gremien sind verpflichtet, auf formale Programmbeschwerden zu antworten beziehungsweise diese zu bearbeiten.

Was erhoffen Sie sich von der Programmbeschwerde im Fall ZDF/Maaßen?

Publikumsinteresse und natürlich die Sensibilisierung der Programmverantwortlichen.

Sie sind nicht nur Medienkonsumentin, sondern seit Jahren auch Vorsitzende des Vereins Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien. Wie kam es dazu?

Ich habe den Verein im Jahr 2014 mit einigen Mitstreitern aus der Konsequenz der Lanz-Petition heraus gegründet und bin seither von unseren Mitgliedern immer wieder als Vorsitzende bestätigt worden. [Anmerkung Epoch Times: Maren Müller hatte 2014 unter dem Titel „Raus mit Markus Lanz aus meiner Rundfunkgebühr“ eine Online-Petition auf der Website „openpetition.de“ gestartet. Vorausgegangen war eine etwas aus dem Ruder gelaufene Diskussion von Lanz mit der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht. Kurze Zeit später nahm Wagenknecht die Entschuldigung des Moderators an.]

Haben Sie mit einer oder mehreren Programmbeschwerden bereits Erfolg gehabt? Falls ja, inwiefern?

Es gab einige wenige erfolgreiche Beschwerden, in denen wir Falschinformationen im Ukraine-Konflikt, falsche Übersetzung in der Griechenland-Berichterstattung, Fehlinterpretation im Verfassungsschutzbericht und unwahre Tatsachenbehauptungen zum Tod mosambikanischer Vertragsarbeiter in der DDR nachweisen konnten. Wir konnten teilweise Korrekturen und Richtigstellungen von Beiträgen erwirken.

Wie die Mechanismen stramm parteiischer Berichterstattung wirken, haben wir in einem Medienprojekt unter Federführung eines Experten nachgewiesen, welches sich mit Storytelling in der Griechenlandberichterstattung befasste. Die ARD war als verantwortliche Sendeanstalt wenig amüsiert.

Was wollen Sie mit Ihrem Verein generell erreichen?

Zweck des Vereins ist laut Satzung die Erlangung und Förderung demokratischer und kultureller Bildung, Medienkompetenz und der demokratischen Mitsprache bei der Umsetzung des gesellschaftlichen Programmauftrages der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten. Man darf nicht vergessen, dass die öffentlich-rechtlichen Medien der Gesellschaft gehören, von der sie üppig finanziert werden.

Eine hypothetische Frage: Wenn Sie das Sagen bei einem öffentlich-rechtlichen Sender hätten, was würden Sie als Erstes ändern?

Ich würde zunächst die Strukturen reformieren, die eine Verflachung der Qualität und die synchrone Verbreitung von Einheitsmeinungen und unkritischer Regierungspropaganda fördern.

Warum sind Ihnen gerade die öffentlich-rechtlichen Medien ein solches Anliegen?

Weil sie der Gesellschaft gehören und im Gegensatz zu den privaten Medien einen eindeutigen gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen haben. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sollten laut ihren Gründervätern – noch unter dem Eindruck der Nazipropaganda im Dritten Reich – frei von herrschafts-, regierungs-, wirtschaftspolitischen, religiösen oder irgendwelchen anderen Einzelelementen der Gemeinschaft im Dienste der Allgemeinheit wirken.

Die Anstalten haben mit ihren Programmangeboten zur Information, Bildung, Beratung, Kultur und Unterhaltung einen Beitrag zur Sicherung der Meinungsvielfalt und somit zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten. Die Kontrolle des Auftrages obliegt den Aufsichtsgremien (Rundfunkräte), die sich allerdings oft und sehr offensichtlich als verlängerter Arm der Intendanten verstehen. Es braucht daher ein wachsames Auge seitens der Rezipienten.

Maren Müller, die Vorsitzende der „Ständigen Publikumskonferenz öffentlich-rechtliche Medien e.V.“ bei einem Vortrag in Kassel im Januar 2018

Archivbild: Maren Müller, die Vorsitzende der Ständigen Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien e.V. bei einem Vortrag in Kassel im Januar 2018. Foto: Bildschirmfoto/YouTube/weltnetzTV

Der Verein sitzt in Leipzig, Sie leben in Bonn. Reisen Sie viel?

Nein. Die Hauptarbeit findet online statt.

Derzeit zeigt Ihr Profil auf der Website der „Ständigen Publikumskonferenz“ beinahe 7.000 Einträge. Sie verfassen ja auch Artikel oder führen Interviews. Wie viel Zeit stecken Sie in Ihr Engagement? Und wie lässt sich das mit Ihrem Beruf als Betriebswirtin vereinbaren?

Als ich mit der Vereinsarbeit begann, war ich arbeitslos und habe nahezu in Vollzeit ehrenamtlich für den Verein gearbeitet. Seit 2016 war ich bei einer Behörde als Sachbearbeiterin in Vollzeit beschäftigt und hatte dann natürlich weniger Zeit für die Programmbeobachtung und Recherche. Etliche Mitstreiter unterstützen mich bei der Arbeit, wobei da natürlich noch immer Luft nach oben ist. Seit dem 1. Juli 2023 bin ich in den vorzeitigen Ruhestand getreten und werde wieder mehr Zeit in die Vereinsarbeit investieren können.

Wie viele Mitglieder hat der Verein Ständige Publikumskonferenz heute?

Der Verein hat 20 ordentliche Mitglieder und um die 80 Fördermitglieder.

Welche Voraussetzungen müssen Interessierte erfüllen, um dem Verein beizutreten?

Sie müssen Interesse am Thema haben und sich an unserer Satzung orientieren.

Frau Müller, vielen Dank für das Interview.

Die Fragen stellte Patrick Reitler.

Das Video zum Dokumentarfilm „Der Fall Maaßen. Zwischen Geheimdienst und Verschwörung“ ist noch bis zum 5. Juli 2025 unter „ZDF.de“ abrufbar. Die Programmbeschwerde von Maren Müller ist unter „publikumskonferenz.de“ zu finden.

Zur Person: Hans-Georg Maaßen

Der Rechtsanwalt Dr. Hans-Georg Maaßen (CDU), Jahrgang 1962, war zwischen August 2012 und November 2018 Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV). Seine abweichende Einschätzung zum Protestgeschehen in Chemnitz im Sommer 2018 infolge der Ermordung eines jungen Deutsch-Kubaners durch einen Syrer kostete ihn den Rückhalt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): Sie ließ ihren obersten Verfassungsschützer Anfang November in den einstweiligen Ruhestand versetzen.

Seitdem ist Maaßen viel unterwegs auf Vortragsreisen, seit Ende Januar 2023 häufig in seiner neuen Rolle als Vorsitzender der konservativen und unionsnahen WerteUnion. Dabei prangert er bei umstrittener Wortwahl häufig die politischen, gesellschaftlichen und medialen Probleme in Deutschland an.

Niederlage für die CDU

Erst vor wenigen Tagen war ein Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen gescheitert, das der CDU-Vorstand um den Parteivorsitzenden Friedrich Merz und Generalsekretär Mario Czaja am 13. Februar 2023 in die Wege geleitet hatte. Merz ersetzte daraufhin Czaja durch Carsten Linnemann.



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