Können Bürger den Rundfunkbeitrag bei mangelnder Programmvielfalt verweigern?
Erfüllen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wirklich ihre Pflicht, ein Programm anzubieten, das der Vielfaltssicherung dient? Und darf man als Privatperson den Rundfunkbeitrag verweigern, falls dem nicht so sein sollte?
Wie die Epoch Times von einer Sprecherin des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig (BVerwG) erfuhr, sollen diese Fragen frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2025 grundsätzlich geklärt werden. Der Vorsitzende Richter des zuständigen 6. Senats habe „angedacht“, die mündliche Verhandlung im Revisionsverfahren in dieser Zeitspanne anzusetzen.
Weitere Auskünfte wollte die Sprecherin unter Verweis auf das anhängige Verfahren nicht geben.
Gerum bedauert späten Termin
Jimmy Gerum, der Gründer der Bürgerinitiative Leuchtturm ARD ORF SRG und Gründungsmitglied des Bundes der Rundfunkbeitragszahler, nahm die Nachricht des späten Termins ebenso mit Bedauern zur Kenntnis wie die Vorverlegung der Bundestagswahl.
„Wir hätten gerne vor der Wahl dieses wichtige gesellschaftliche Thema der journalistischen Ethik öffentlich angesprochen“, schrieb Gerum auf Anfrage der Epoch Times. „Denn auch die Wahlen werden durch einseitige und unfaire Berichterstattung beeinflusst, zum Beispiel in der wichtigen geopolitischen Friedensfrage.“
Gleichwohl werde sich die Leuchtturm-Initiative engagiert „weiter für Aufrichtigkeit und Transparenz bei transnationalen Interessen“ mit „verbaler und faktischer Gewaltlosigkeit einsetzen“. Das sei der „gemeinsame Nenner“ der Bürgerinitiative.
Frau aus Bayern wehrt sich gegen BR
Zum Hintergrund. Eine namentlich nicht genannte Frau aus Bayern hatte sich gegenüber dem Bayerischen Rundfunk (BR) jahrelang zunächst erfolglos gegen die Rundfunkbeitragspflicht gewehrt, weil sie den verfassungsmäßigen Funktionsauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender generell als nicht erfüllt ansah.
Die anonyme Klägerin hatte sowohl im Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht München im September 2022 (Az.: M 6 K 22.3507) als auch mit ihrem Berufungsantrag vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München (BayVGH) im Juli 2023 Niederlagen einstecken müssen. Die Revision war von den Münchener Richterinnen Klein, Winter und Peter ebenfalls nicht zugelassen worden (Az.: 7 BV 22.2642, PDF).
BVerwG: eine Streitfrage von „grundsätzlicher Bedeutung“
Erst ein Urteil des BVerwG in Leipzig machte den Weg zur Revision in dritter Instanz frei: Mit Beschluss vom 23. Mai 2024 hatte der zuständige Richter Prof. Dr. Ingo Kraft entschieden, die Nichtzulassung der Revision durch den BayVGH aufzuheben (Aktenzeichen BVerwG 6 C 5.24, PDF), und zwar wegen jener „grundsätzlichen Bedeutung“ der Rechtssache, den Paragraf 132 Abs. 2 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) für die Zulassung einer Revision vorsieht.
Kraft verwies zudem auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in Karlsruhe. Der Erste Senat des höchsten deutschen Gerichts hatte am 23. April 2023 festgestellt, dass die „naheliegende Frage“ noch immer nicht beantwortet sei,
ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen gegen die Beitragserhebung geltend gemacht werden kann, der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, ein der Vielfaltssicherung dienendes Programm anzubieten, werde strukturell verfehlt, so dass es an einem individuellen Vorteil fehle.“ (Aktenzeichen 1 BvR 601/23, PDF).
Für die Klägerin hatte der Zittauer Rechtsanwalt Friedemann Willemer das Mandat übernommen. Gegenüber der Epoch Times hatte Willemer noch Anfang Juni 2024 erklärt, den Rechtsstreit notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht führen zu wollen.
Karolin Ahrens übernimmt Aufgaben Willemers
Nach Informationen Gerums verstarb Willemer allerdings unerwartet am 31. Oktober. „Er arbeitete seit zwei Jahren zusammen mit unserer Bürgerinitiative an hunderten Prozessen vor den bundesweiten Verwaltungsgerichten gegen die einseitige Berichterstattung des ÖRR. Er war auch Ehrenmitglied im ‚Bund der Rundfunkbeitragszahler e.V.‘“, betonte Gerum.
Willemers 250-seitige Revisionsschrift drehe sich in weiten Teilen um die „konkrete Einseitigkeit des öffentlichen Rundfunks in der Ukraine-Krise“, die sich anhand von hunderten Sendungen in den Mediatheken nachweisen lasse.
Nach Willemers Tod habe sich die Lüneburger Rechtsanwältin Karolin Ahrens am vergangenen Sonntag bereit erklärt, sein Mandat fortzuführen. Ahrens, unter anderem Spezialistin für Menschenrechtsverletzungen, teilte Epoch Times mit, dass sie „in den vergangenen Monaten mit Herrn Willemer im Austausch zu rechtlichen Fragestellungen“ gestanden sei.
Sie werde den Rechtsstreit nun mit einem Team von Anwälten fortführen, das sie gerade zusammenstelle. „Es geht uns um die Sache und darum, einen Beitrag zur grundgesetzlich zugesicherten Meinungsfreiheit und -vielfalt zu leisten, Artikel 5 Grundgesetz“, betonte Ahrens.
Sie sei bereit, die Angelegenheit „durchzufechten, bis wir den Rechtsstreit gewonnen haben werden“, auch wenn sie mit dem Mandat keine „Gewinnerzielungsabsicht“ verfolge.
Schon jetzt sei klar, dass sie die Revisionsschrift aus der Feder Willemers „ggf. noch ergänzen“ werde. Denn „die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Erhebung der Rundfunkgebühren“ werfe „bei eingehender Prüfung doch komplexe Fragestellungen auf, die sich bislang nicht in den etwaigen Urteilsgründen“ wiederfänden.
Nach Einschätzung von Ahrens „lässt sich wissenschaftlich sehr detailliert belegen, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihrem Auftrag aus dem Medienstaatsvertrag nicht nachkommen“.
Die Anwältin gab allerdings zu bedenken, „dass auf Bundesebene keine Gesetzgebungskompetenz besteht und auch in diesem Lichte die entsprechenden Ermächtigungen zur Erhebung der Beiträge geprüft werden sollten und müssen“.
Gerum plant Kampagne ebenfalls im zweiten Halbjahr 2025
Leuchtturm-Initiator Jimmy Gerum teilte Epoch Times ebenfalls mit, dass er voraussichtlich für das zweite Halbjahr 2025 eine Öffentlichkeitskampagne anstrebe:
Es geht uns vor allem um eine wirklich öffentliche Diskussion in den Leitmedien über die herrschende journalistische Ethik im historischen Sinne. Historische und institutionelle Defizite müssen transparent gemacht werden, die nicht nur den ÖRR, sondern die globale Presselandschaft betreffen und die auch die sozialen Medien einbezieht, die heute zunehmend durch vielfältige Einflussmöglichkeiten zur Steuerung der öffentlichen Meinung herangezogen werden.“
Während er selbst die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks strikt ablehne, nutze etwa der Springer-Konzern seine Publikationen „zur Stimmungsmache gegen den Rundfunkbeitrag“ oder um „den ÖRR im Allgemeinen, um einen lästigen Konkurrenten im Medienmarkt zu schädigen oder auszuschalten“.
Gegen Abschaffung des Beitrags – aber nur bei „fairer Berichterstattung“
„Das große gesellschaftliche Thema ist also nicht, dass der Beitrag abgeschafft werden sollte“, so Gerum weiter, „sondern dass die Berichterstattung fairer werden muss und dem Pressekodex und dem Medienstaatsvertrag aufrichtig entsprechen sollte. Die absichtliche Ablenkung von dieser demokratischen Kernfunktion des zu fördernden offenen Diskurses ist irreführend, ‚dunkel‘ und undemokratisch.“
Gerum war Anfang November in der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz bei einer medienkritischen Veranstaltung zur „Causa Böhmermann“ aufgetreten, um den Standpunkt seiner Bürgerinitiativen in einem 20-minütigen Vortrag zu erklären: „Einen öffentlichen Rundfunk, der als Herrschaftsinstrument missbraucht wird, als ein Instrument zur Steuerung der öffentlichen Meinung in eine gewünschte Richtung, das braucht kein Mensch“, erklärte Gerum. Noch schlimmer werde es aber wahrscheinlich dann, wenn „private Interessen hinter den Leitmedien“ einen noch größeren Einfluss gewinnen würden.
ARD soll zur „Arbeitsgemeinschaft Redlicher Diskurs“ werden
Seine Vision sei es, die ARD in eine „Arbeitsgemeinschaft Redlicher Diskurs“ zu verwandeln. Mit dem Geld der Beitragszahler seien jedenfalls auch Rechte verbunden, „die wir viel zu wenig einfordern“, meinte Gerum (Audio auf YouTube).
Wenige Tage später bemängelte Gerum im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien im Berliner Senat, dass Vertreter der Leuchtturm-Initiative in den vergangenen 120 Wochen immer wieder respektvolle Gesprächsangebote an die Anstalten gerichtet hätten – der „Elfenbeinturm“ aber habe den „konstruktiven Diskurs“ weiterhin verweigert. Lediglich hinter verschlossenen Türen seien „einige Gespräche“ zugelassen worden (Video auf YouTube).
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