Kippt die Beitragspflicht für den ÖRR? Bundesverwaltungsgericht erlaubt Revision

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat in einem Rechtsstreit um den Rundfunkbeitrag die Revision zugelassen. Nun soll grundsätzlich die Frage geklärt werden, ob die öffentlich-rechtlichen Programme tatsächlich der Vielfaltssicherung dienen. Falls nein, könnte die Zahlungspflicht kippen.
Experten geben ihre Empfehlung für die Rundfunkgebühren für die nächsten Jahre ab.
Ist ein Zahlungsstopp des Rundfunkbeitrags wegen fehlender Meinungsvielfalt in öffentlich-rechtlichen Medien rechtmäßig? Damit wird sich das Bundesverfassungsgericht beschäftigen.Foto: Nicolas Armer/dpa
Von 6. Juni 2024

Darf man die Zahlung seiner Rundfunkbeiträge verweigern, wenn man überzeugt ist, dass Qualität und Meinungsvielfalt in öffentlich-rechtlichen Medienhäusern nicht gewährleistet sind? Nein, entschied zuletzt am 17. Juli 2023 der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) in zweiter Instanz: Zu zahlen sei schon dann, wenn allein die Möglichkeit des Rundfunkempfangs bestehe – unabhängig von Programminhalten (Aktenzeichen 7BV 22.2642).

Doch nun könnte genau dieses Urteil ins Wanken geraten: Wie erst jetzt bekannt wurde, hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) – anders als der BayVGH zuvor – die Revision gegen das zweitinstanzliche Urteil mit Beschluss vom 23. Mai 2024 zugelassen (Aktenzeichen BVerwG 6 B 70.23 (6 C 5.24), PDF). Damit ist der Weg in die nunmehr dritte Instanz frei. Geklagt hatte eine Frau aus Bayern, Beklagter ist der Bayerische Rundfunk.

Termin wahrscheinlich frühestens im Herbst

Nach Auskunft einer Sprecherin des BVerwG wird das Revisionsverfahren in Leipzig stattfinden. Die dafür obligatorische Begründungsschrift einer der beiden Streitparteien liege dem BVerwG bisher nicht vor, erklärte sie auf Anfrage der Epoch Times. Die Frist dafür betrage einen Monat.

Friedemann Willemer, der Zittauer Rechtsanwalt der Klägerin, teilte auf Nachfrage der Epoch Times mit, dass er bereits einen Antrag auf Fristverlängerung bis zum 30. September 2024 eingereicht habe. „Ich gehe davon aus, das dem stattgegeben wird“, so Willemer. Die Zeit wolle er unter anderem nutzen, um andere Anwälte mit ins Boot zu nehmen, die sich für ihre eigenen Mandanten ebenfalls im Sinne seiner Klägerin engagierten. Er selbst arbeite ohne Honorar und werde auch weiter die Gerichtskosten übernehmen – notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht.

Willemers Mandantin kann zudem auf die Unterstützung der Bürgerinitiative Leuchtturm ARD ORF SRG bauen. Deren Gründer, der Filmproduzent Jimmy C. Gerum, bestätigte auf schriftliche Anfrage der Epoch Times, dass seine Initiative gemeinsam mit der Kanzlei Willemer bereits seit zwei Jahren bundesweit rund 200 Kläger betreue, die sich gegen den Gebührenzwang wehrten. Bei der Klägerin im vorliegenden Fall handele es sich um eine Dame, die bereit gewesen sei, dafür in die zweite Instanz zu gehen.

Eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung

Das BVerwG hatte seine Zulassung der Revision unter anderem mit der „grundsätzlichen Bedeutung“ der Rechtssache im Einklang mit Paragraf 132 Abs. 2 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) begründet:

Das Revisionsverfahren kann Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen gegen die Beitragserhebung geltend gemacht
werden kann, der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, ein der Vielfaltssicherung dienendes Programm anzubieten, werde strukturell verfehlt, so dass es an einem individuellen Vorteil fehle.“

Der Vorsitzende BVerwG-Richter Prof. Dr. Ingo Kraft folgte damit der Argumentation der Kanzlei Friedemann Willemer, nach der der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in Karlsruhe zuletzt am 23. April 2023 festgestellt hatte, dass diese „naheliegende Frage“ eben noch nicht beantwortet sei (Aktenzeichen 1 BvR 601/23, PDF).

Rechtsanwalt hofft auf Ende der „Narrenfreiheit“

Nach einer Pressemitteilung aus der Feder Willemers, die der Epoch Times vorliegt, hätten sämtliche Verwaltungsgerichte in mehreren Bundesländern die Argumente der Kläger bislang stets als „systemwidrig“ zurückgewiesen und den Beitragszahlern somit den Rechtsschutz verweigert. Das BVerwG Leipzig wolle diesen „Makel“ nun beheben. Willemer möchte die „Narrenfreiheit“ der Öffentlich-Rechtlichen nicht mehr hinnehmen:

Wir hoffen, das Bundesverwaltungsgericht schließt sich unseren Argumenten an, die sich auf die exzellenten Entscheidungsgründe des Bundesverfassungsgerichts zur Meinungsvielfalt und zur Struktur der Aufsichtsgremien, dem Gebot einer strikten Partei- und Staatsferne, stützten.“

Leuchtturm-Gründer Jimmy C. Gerum gab sich bereits ziemlich optimistisch: Die Revisionsoption eröffne „uns ein spannendes Verfahren, in dem wir unsere Argumente für die aktuelle Nichterfüllung des verfassungsrechtlichen Funktionsauftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausführlich vor dem Bundesverwaltungsgericht vortragen können“.

Leuchtturm ARD: „100 Wochen Ignoranz“ finden ein Ende

Für ihn sei das eigentliche Thema „die Anerkennung der berechtigten Kritik als Angelegenheit von GRUNDSÄTZLICHER Bedeutung“, betonte Gerum. Immerhin habe „die bisherige Verweigerung dieser Einstufung zu 100 Wochen Ignoranz gegenüber unseren Dialogangeboten“ geführt. Gerum weiter:

Wir wollen schon immer vor allem das bisher fehlende Bewusstsein für die BRISANZ des Themas wecken. Denn hier geht es um ein eklatantes Untergraben der Souveränität von öffentlicher Bürgermeinung und DER GESAMTEN demokratischen Grundordnung.“

Dass die Klägerin am Ende obsiegen könnte, hält Gerum durchaus für möglich: Man habe sich bereits für die zweite Instanz vor dem BayVGH ein Gutachten des Münchener Medienexperten Prof. Michael Meyen erstellen lassen, um den eigenen Standpunkt zu untermauern. „Inzwischen gibt es auch das hervorragende Manifest und reihenweise weitere belegbare Verfehlungen bei Ausgewogenheit und Staatsferne“, so Gerum.

Zu erwarten sei allerdings, dass die Sache mit der Revision noch keinesfalls entschieden sein werde: „Diese für die Demokratie elementare Angelegenheit“ werde sicher noch das Bundesverfassungsgericht beschäftigen, glaubt Gerum. Seine Initiative sei auch dann „zu allem bereit“:

Das ist kein Kinderspiel! Globale Einzelinteressen behindern nachweislich die freie Meinungsäußerung und den verfassungsrechtlichen Funktionsauftrag! Das ist eine elementare Gefahr für die Demokratie! Hier geht es um die Zukunft des gesamten westlichen Demokratieverständnisses!“

100. Mahnwache vor den Medienhäusern

Jimmy C. Gerum hatte die Initiative Leuchtturm ARD ORF SRG im November 2021 ins Leben gerufen – nach eigenen Worten „inspiriert durch den Mut bundesweiter Spaziergänge“, die sich aufgrund des politmedialen Drucks der Corona-Zeit etabliert hatten. Stichwort: Impfzwang. Damals firmierte die Initiative noch unter dem Namen „Leuchtturm ARD“. Mit dabei war auch der langjährige SWR-Redakteur Martin Ruthenberg.

Seit dem 14. Juli 2022, dem „Tag des Sturmes auf die Bastille“ (Gerum), finden vor den Medienhäusern wöchentlich Leuchtturm-Mahnwachen statt, um mit den Verantwortlichen einen „offenen und fairen Dialog über die Einhaltung etablierter journalistischer Grundsätze“ und über diesbezügliche Fehlentwicklungen anzustoßen. Gerum betrachtet das als den „friedlichsten und ethischsten Weg, die Welt hin zu Demokratiewerten und Friedensdiplomatie zu bringen“.

Am 6. Juni 2024 werde mit der 100. Mahnwache „für eine neue Ethik des Journalismus“ Jubiläum gefeiert, so Gerum. Journalisten, Redakteure und Medienvertreter seien dazu „herzlich eingeladen“: „Es ist unser aller Aufgabe Brücken zu bauen, um unsere Zivilisation jeden Tag einen Schritt nach vorn zu bringen.“

Gerum: „Unabhängigkeit sicherstellen“

Bislang aber seien derartige Appelle ohne durchschlagenden Erfolg gewesen, wie einer Pressemitteilung vom 29. Mai 2024 zu entnehmen ist. Im Gegenteil seien noch immer jene 15 Fragen (PDF) unbeantwortet, die die Leuchtturm-Initiative formuliert hatte, um die „aktuelle Ethik des Journalismus“ zu ergründen.

Der Initiative geht es nach eigener Darstellung keineswegs darum, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Ganzes oder auch nur die Beitragspflicht abzuschaffen. Diese brauche es, um die Unabhängigkeit sicherzustellen, betont Gerum. Nur so könne es im Fernsehen, im Hörfunk und in den Online-Angeboten der Rundfunkanstalten überhaupt zu einem „fairen und ausgewogenen Wettbewerb der besten politischen Ideen“ kommen. Das Bestreben, einen legalen Beitragszahlungsstopp durchzusetzen, soll somit offenbar lediglich als Druckmittel dienen.

Rufe nach Reformen seit Corona unüberhörbar

Das schon lange debattierte Thema Rundfunkreform hatte vor dem Hintergrund der Corona-Krise deutlich an Fahrt aufgenommen: Nicht nur enttäuschte Beitragszahler, sondern auch Mitarbeiter aus den Landesrundfunkanstalten der ARD, aus dem ZDF und aus den Redaktionsstuben des Deutschlandradios hatten ihrem Unmut über die ihrer Ansicht nach unausgewogene Berichterstattung und redaktionsinterne Zwänge auf der Website „Meinungsvielfalt.jetzt“ Ausdruck verliehen.

Treibende Kraft dahinter war damals der ehemalige SWR-Mitarbeiter Ole Skambraks. Er war zuvor wegen seines offenen Briefes („Ich kann nicht mehr“, PDF) im Herbst 2021 entlassen worden. Ziemlich genau zwei Jahre später brachten verbandsorganisierte Drehbuchautoren und Filmregisseure ihre Unzufriedenheit mit den Öffentlich-Rechtlichen ebenfalls zum Ausdruck – in ihrem „Baden-Badener Manifest“ (PDF).

Zuletzt hatte Anfang April 2024 das von Gerum erwähnte „Manifest für einen neuen ÖRR“ erneut für Aufsehen gesorgt. Neben enttäuschten Rundfunkmitarbeitern hatten sich dieses Mal auch Künstler, Mediziner und Wissenschaftler für Veränderungen bei den gebührenfinanzierten Sendern eingesetzt. Der Deutsche Journalistenverband und der Redakteursausschuss AGRA hatten allerdings wenig Verständnis für deren Standpunkt.



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