Kindesmissbrauch im Netz steigt an – was Sie dagegen tun können
Sexuelle Belästigung Minderjähriger im Internet ist keine Seltenheit. 16 Prozent aller Kinder und Jugendlichen wurden bereits im Netz von Erwachsenen zu einer Verabredung aufgefordert. Zwölf Prozent der Kinder und Jugendlichen wurden von älteren Personen Gegenleistungen versprochen, wenn sie Bilder oder Videos von sich verschicken. Jedes zehnte Kind wurde bereits aufgefordert, sich vor einer Webcam auszuziehen oder die Handykamera anzuschalten und elf Prozent aller Kinder haben bereits Nacktbilder zugesendet bekommen. Das sind die Ergebnisse der repräsentativen Befragung von Kindern und Jugendlichen, beauftragt durch die Landesanstalt für Medien.
Das BKA hat in seinem Lagebericht 2023 zum sexuellen Missbrauch von Kindern festgestellt, dass 28 Prozent aller Kindesmissbrauchsfälle in Deutschland ohne eine Vorbeziehung zwischen Opfer und Täter stattfanden, sie kannten sich nicht. Aus diesem Grund geht das BKA davon aus, dass es sich dabei zumeist um Cybergrooming-Fälle handelt.
Missbrauchsanbahnung im Netz
„Grooming“ kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie „präparieren“, „zurechtmachen“ oder „vorbereiten“. Einerseits wird darunter Haut- oder Fellpflege verstanden, andererseits ist es ein Synonym für Pädokriminalität. Der Begriff „Grooming“ bezieht sich meist auf das Cybergrooming und beschreibt das gezielte Ansprechen von Kindern und Jugendlichen im Internet mit dem Ziel, sexuelle Kontakte anzubahnen. Täter nutzen Onlineplattformen, soziale Netzwerke, Foren oder Spiele, um Vertrauen von Minderjährigen zu gewinnen und sie so auf einen Missbrauch vorzubereiten.
Sie nutzen die Anonymität aus und geben sich zuerst als Gleichaltrige aus, machen den Opfern Komplimente oder zeigen sich als verständnisvolle und aufmerksame Zuhörer. So wird das Opfer über einen längeren Zeitraum emotional gebunden, um es dann zu isolieren. Das Endziel dieser Manipulation ist oft, persönliche oder intime Informationen, Bilder oder Videos zu erlangen, die dann zur Erpressung oder Nötigung genutzt werden.
Die Gefahr kommt online ins Kinderzimmer
Cybergrooming ist ein wachsendes Problem in der digitalen Welt, auch deshalb, weil immer mehr Kinder und Jugendliche Zugang zu Smartphones, Tablets und dem Internet haben.
Die Corona-Pandemie hat die Nutzung von Onlineplattformen weiter gesteigert und damit auch die Gefahr von Cybergrooming. Nach einer DAK-Studie nahmen im Vergleich zum Herbst 2019 die Spielzeiten unter dem Corona-Lockdown werktags um bis zu 75 Prozent zu. Ähnlich Problematisches bei den Social-Media-Aktivitäten:
Während der Corona-Krise stiegen die Social-Media-Zeiten werktags um 66 Prozent an – von 116 auf 193 Minuten pro Tag. Laut der Studie gaben 50 Prozent der Eltern an, dass es in ihrer Familie (vor und während Corona) keine zeitlichen Regeln für die Mediennutzung gegeben habe.
Demnach wissen viele Eltern oft nicht einmal, wie viel Zeit ihre Kinder im Netz verbringen. Sie wissen aber oft auch nicht, was sie dort tun, oder wozu sie möglicherweise genötigt werden.
Gefahren des Cybergroomings
Die Gefahren, die vom Cybergrooming ausgehen, sind gravierend: Täter versuchen, die emotionale Bindung zu den Opfern zu verstärken, um sie gefügig zu machen. Die Kinder oder Jugendlichen werden häufig in die folgenden Situationen gedrängt:
Täter nutzen intime Bilder oder Informationen, um das Opfer zu erpressen. Das kann zu Angstzuständen, Schuldgefühlen und emotionaler Belastung führen. Opfer fühlen sich gefangen und haben oft Angst, sich jemandem anzuvertrauen. Die Manipulation durch die Täter kann tiefe psychische Spuren hinterlassen. Kinder fühlen sich betrogen und verlieren Vertrauen in Erwachsene oder Gleichaltrige.
In extremen Fällen versuchen Täter, ihre Opfer zu einem physischen Treffen zu überreden, was zu schweren Straftaten wie Entführung oder sexuellem Missbrauch führen kann.
Strafrechtliche Verfolgung: Bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe
Aus strafrechtlicher Perspektive bezeichnet der Begriff Cybergrooming das gezielte Einwirken auf Kinder (Personen unter 14 Jahren) über das Internet mit dem Ziel der Anbahnung sexueller Kontakte. Das ist eine Form des sexuellen Missbrauchs und in Deutschland strafbar (Paragraf 176a und 176b StGB). Cybergrooming kann zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren oder von sechs Monaten bis zu zehn Jahren führen.
Epoch Times berichtete über den Fall eines neunjährigen Mädchens aus Mecklenburg-Vorpommern, das vier Wochen lang mit einem damals 34-Jährigen Kontakt hatte und sich zum Austausch von Nacktfotos hat überreden lassen, dabei Fotos von Geschlechtsorganen. Als das entdeckt wurde, stellte sich heraus, dass der Täter das Mädchen sogar veranlasst hatte, sexuelle Handlungen mit einem Bürstenstiel an sich selbst durchzuführen, wovon ein Video verschickt worden sein soll.
Das Landgericht Neubrandenburg sprach den Mann wegen sexueller Nötigung und sexuellen Missbrauchs in acht Fällen sowie einem Fall von Vergewaltigung für schuldig. Der Täter bekam drei Jahre Gefängnis. Der Albtraum aber bleibt für betroffene Kinder und Eltern.
Im Rahmen der JIM-Studie 2023 haben dreißig Prozent der befragten Jugendlichen (1.200 Jugendliche im Alter zwischen zwölf und 19 Jahren) angegeben, dass sie im Internet sexuell belästigt wurden, Mädchen mit 36 Prozent deutlich häufiger als Jungen (24 Prozent).
Erkennung von Cybergrooming: Anzeichen für Eltern
Für Eltern ist es oft schwer, Cybergrooming zu erkennen, da es im Verborgenen über private Nachrichten oder in Onlineforen stattfindet. Dennoch gibt es einige Warnzeichen, die darauf hinweisen können, dass ein Kind Opfer von Cybergrooming geworden ist:
Dazu gehört Geheimniskrämerei im Umgang mit digitalen Geräten: Wenn Kinder plötzlich sehr zurückhaltend werden, was die Nutzung von Smartphones oder Computern angeht, ihre Bildschirme verbergen oder schnell die Apps schließen, wenn jemand in ihre Nähe kommt.
Auch eine generelle Verhaltensänderung kann ein Hinweis sein: Opfer von Cybergrooming ziehen sich oft zurück, wirken ängstlich oder depressiv. Sie könnten plötzlich misstrauisch gegenüber Gleichaltrigen oder Erwachsenen sein.
Wenn ein Kind plötzlich viele Nachrichten von unbekannten Personen erhält oder neue Onlinekontakte pflegt, ist dies ein Warnsignal, gerade bei anonymen Kontakten. Ebenfalls, falls das Kind Kenntnisse über Themen für Erwachsene hat, die für sein Alter nicht angemessen sind. Wenn das Kind plötzlich Geld braucht oder Angst hat, bestimmte Nachrichten zu öffnen, könnten dies Anzeichen von Erpressung sein.
Eltern fragen sich zunehmend, was sie tun können, damit ihr Kind nicht in so eine missliche Lage kommt. Wie verhindern, dass die Kinder beim Surfen im Internet an den Falschen geraten?
Es gibt mehrere Maßnahmen, die Eltern ergreifen können, um ihre Kinder vor Cybergrooming zu schützen. Wichtig ist die Sensibilisierung für das Thema. Jedoch sollten sie wichtige Regeln für die Onlinekommunikation frühzeitig einführen und mit ihren Kindern fest vereinbaren.
Früherkennung: Aufklärung und offenes Gespräch
Kinder sollten frühzeitig über die Gefahren im Internet aufgeklärt werden. Eltern sollten Regeln für die Onlinekommunikation einführen und diese mit ihren Kindern fest vereinbaren. So sollte klar sein, dass Jugendliche den Kontakt mit fremden Chatpartnern sofort abbrechen und Rat bei bekannten Vertrauenspersonen einholen sollen.
Ein vorsorgliches und offenes Gespräch über Onlinerisiken ist entscheidend, damit Kinder erkennen, was Cybergrooming ist und wie sie sich davor schützen können. Eltern sollten ermutigen, dass Kinder jede unangenehme Onlineerfahrung mitteilen.
Wichtig ist hier auch, dass sie ihre Kinder für erste Anzeichen sensibilisieren, die laut Polizei auf Cybergrooming hinweisen können. Diese können sein, wenn der Onlinekontakt viele Komplimente macht, für alles Verständnis hat oder bemüht jugendliche Sprache nutzt. Auch wenn er anbietet, Modellfotos zu machen oder fragt, ob das Kind oder der Jugendliche allein chattet, oder wenn persönliche Daten, Bilder oder Videos verlangt werden. Ein Hinweis ist auch das Benutzen eines Profils ohne Fotos oder wenn die Webcam eingeschaltet werden soll (und er die eigene auslässt). Auch das Drängen darauf, dass niemand von den Gesprächen und dem Kontakt erfahren soll, ist ein Anzeichen und auch das Ansinnen, von einer Plattform zu einem Messenger-Dienst zu wechseln oder wenn der Onlinekontakt sich heimlich „offline“ treffen möchte.
Vertrauen und praktische Prävention
Kinder sollten als wichtigste Grundlage wissen, dass sie ihren Eltern immer vertrauen können. Und zwar auch dann, wenn sie in eine unangenehme Situation geraten. Eltern sollten grundsätzlich klarstellen, dass das Kind keine Schuld trägt. Eltern können gemeinsam mit ihren Kindern ihre Onlineprofile durchgehen und sicherstellen, dass keine persönlichen Informationen wie Wohnort, Schule oder Telefonnummer öffentlich zugänglich sind.
Aber auch ganz praktische Sicherheitsvorkehrungen können getroffen werden: Es gibt zahlreiche technische Lösungen, die Eltern nutzen können, um die Onlineaktivitäten ihrer Kinder zu überwachen. Dazu gehören Kindersicherungen, die bestimmte Websites und Apps blockieren, sowie Überwachungsapps, die den Zugang zu bestimmten Inhalten einschränken. Eine Art Kindersicherung fürs Handy bietet beispielsweise Apple an. Für Android-Handys gibt es die App Familylink. Eltern können so zum Beispiel einstellen, dass nachts nur Anrufe möglich sind oder eine neue App nur mit Zustimmung der Eltern heruntergeladen werden kann.
Was tun, wenn das Kind in den Grooming-Brunnen gefallen ist?
Eltern sollten in einem solchen Fall den Chatverlauf (durch Screenshots) dokumentieren. Und sich (auch telefonisch) an die örtliche Polizeidienststelle wenden und Anzeige erstatten. Für die Sicherung anzüglicher Bilder oder Videos aus dem Chatverlauf gibt die Polizei konkrete Anweisungen. Denn je nach Inhalt der Aufnahmen kann sich derjenige, der sie sichert, unter Umständen selbst strafbar machen. Auch in Absprache mit der Polizei wird der Absender blockiert oder die Accountlöschung beantragt.
Wer sich nicht an die Polizei wenden möchte, kann die sexuelle Belästigung zumindest bei dem Portalbetreiber, dem genutzten Netzwerk oder unter jugendschutz.net und internet-beschwerdestelle.de anzeigen. Opferberatungsstellen können Kindern und Eltern helfen, das Erlebte zu verarbeiten.
Viele weitere Informationen, auch zur Prävention von Cybergrooming, gibt es auf dem Portal www.klicksafe.de
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