Gaydos kann auf jeden Fall eines für sich verzeichnen: eine große Menge an Klicks und viel Aufmerksamkeit. Diese könnte auch bewusst eingesetzt werden, um Verschwörungstheorien, die sich als wahr entpuppen (in diesem Video etwa vom Journalisten Paul Schreyer beschrieben ab Minute 00:58), allesamt lächerlich zu machen.
Kernenergie im Apple-Style: Das enttarnte „Enron-Ei“
Ein Startup namens Enron wirbt mit einem futuristischen Mikro-Kernreaktor für den Hausgebrauch. Doch hinter der Hochglanzpräsentation steckt keine Innovation, sondern Fake News, die Parodie sein wollen. Die Enron-Ei-Kampagne führt vor, wie leichtgläubig die digitale Gesellschaft geworden ist. Und warum es wichtiger denn je ist, Informationen und Nachrichten kritisch zu hinterfragen.
Zuerst war die Nachricht da, dass Enron zurück ist, dann das Enron-Ei. Wer jetzt zu jung ist oder bei wem es nicht sofort klingelt: Enron – das war das amerikanische Energieunternehmen, dessen Milliardengewinne auf umfassendem und jahrelangem Betrug beruhten und das im Jahr 2001 mit seinem Konkurs zum Symbol für die Gier amerikanischer Unternehmen wurde.
Der Zusammenbruch des Energieriesen machte mehr als 5.000 Menschen arbeitslos und vernichtete auf einen Schlag mehr als 2 Milliarden US-Dollar an Mitarbeiterrenten. Vierundzwanzig Enron-Führungskräfte, darunter der ehemalige Vorstandsvorsitzende Jeffrey Skilling, wurden wegen ihrer Beteiligung an dem Betrug verurteilt.
Enron-Comeback: Skandalmarke trifft Silicon-Valley-Ästhetik
Am Montag, 2. Dezember 2024, dem 23. Jahrestag der Konkursanmeldung, kündigte ein Unternehmen, das sich Enron nannte und auch das Logo des Pleitekonzerns benutzte, in einer Pressemitteilung an, dass es sich als „Unternehmen, das sich der Lösung der globalen Energiekrise widmet“, neu aufstellen werde. Außerdem wurde ein einminütiges Video im Firmen-Marketing-Jargon veröffentlicht, in dem von „Wachstum“ und „Wiedergeburt“ die Rede ist. Das Video schließt mit den Worten: „Wir sind wieder da. Können wir reden?“
Zur Relaunch-Kampagne gehört auch ein Marketingvideo inklusive der Behauptung, das neue Produkt der Firma sei „der weltweit erste Mikro-Kernreaktor für den Einsatz in Vorstädten“. Am 6. Januar 2025 dann der Social-Media-Auftritt auf X: „Heute haben wir das Enron-Ei auf den Markt gebracht, den ersten Mikro-Kernreaktor der Welt, mit dem Sie Ihr Haus mit Strom versorgen können.“ Am 10. Januar wird dann das angeblich nukleare Enron-Ei im glattweißen Apple-Style auf der Bühne präsentiert vom „Chief Executive“ des Unternehmens, Connor Gaydos (28) – das alles in Steve-Jobs-Anmutung.
Connor Gaydos ist kein Unbekannter. Der heute 28-Jährige hatte vor allem in den USA als einer der Schöpfer der „satirischen Verschwörungstheorie ‚Birds Aren’t Real‘ (‚Vögel gibt es nicht‘)“ vor ein paar Jahren bereits einmal Aufsehen erregt, wie die FAZ berichtete. Die Theorie, die er zusammen mit Peter McIndoe in die Welt gesetzt hat: Vögel seien in Wirklichkeit Nachbildungen von Drohnen, die die Amerikaner ausspionieren sollen. Bei zunehmender Bekanntheit kam dann das offizielle Outing über das Ziel der Kampagne:
„Wenn jemand glaubt, dass Vögel nicht real sind“, so Gaydos zur „New York Times“, „dann sind wir das Letzte, was ihn beunruhigt, denn dann gibt es wahrscheinlich keine Verschwörung, an die er nicht glaubt.“ Damit machte Gaydos klar: Diese Vogel-Verschwörungstheorie wurde erfunden und lanciert, um Verschwörungstheoretiker vorzuführen und zu verspotten.
Für die Menschen, die durch die Enron-Pleite ihre Existenz verloren haben, so die ehemalige Enron-Mitarbeiterin Diana Peters, die im Konkursverfahren des Unternehmens Arbeitnehmer vertreten hat, ist die neue Comedy-Kampagne nicht lustig: „Es ist ein ziemlich kranker Scherz.“ Peters fragt nach dem Sinn der Aktion: „Und warum sollte man das Thema überhaupt wieder aufgreifen?“
Ausgeklügelte Parodie oder schlechter Scherz?
Wollte das wiederauferstandene Enron wirklich Atomreaktoren in die Haushalte der Welt bringen? Oder doch einfach nur die Exzesse der Technologiebranche parodieren? – wie „Trending Topics“ vermutet. Es ginge darum, die Bereitschaft der Technikindustrie zu zeigen, „gefährliche Ideen und Produkte mit unerbittlicher Positivität zu verpacken“. Oder will Gaydos, der laut „New York Times“ die Markenrechte an Enron für 275 US-Dollar gekauft hat, einfach nur wieder leichtgläubige Internetnutzer vorführen? Das scheint nahezuliegen, wenn „Forbes“ über die Reaktionen in den sozialen Medien über die „Wiedergeburt“ von Enron schreibt:
Aber in einer Zeit, in der sich Fehlinformationen sofort und weithin online verbreiten, dachten einige, das Produkt könnte tatsächlich echt sein, und fragten, wie sie eines bestellen könnten.“
Bestellt werden kann zwar kein Nuklear-Ei als Energieversorger für den Hausgebrauch, aber im Shop auf der Enron-Website, wo es sich „das weltweit führende Unternehmen“ nennt, stehen Merchandisingprodukte wie Shirts, Trinkbecher und Aufkleber mit Enron-Logo zum Verkauf bereit. Alleine das X-Profil des Fake-Unternehmens hat über 40.000 Follower.
Kritisches Denken: Täuschung und Manipulation erkennen
Dass überhaupt jemand – jenseits vom mutmaßlichen Unterhaltungswert von Satire – dem Neustart von Enron und seinem Atomreaktor-Ei Aufmerksamkeit und Glauben geschenkt hat, zeigt zumindest auf, dass sich ein genaues Hinsehen lohnt. Nicht zuletzt auch, um nicht hereingelegt oder vorgeführt zu werden.
In der digitalen Welt können in Sekundenschnelle Informationen über soziale Medien und Onlineplattformen verbreitet werden. Neben echten Informationen gibt es auch massenhaft falsche Inhalte. Egal, wie ansprechend oder auf den ersten Blick professionell diese gestaltet sein sollten, eine Zurückverfolgung auf den Ursprung lohnt sich. Im Falle von Enron ist das auf die Website des Unternehmens.
Aufschlussreiche Website: Das Kleingedruckte
Selbst wer beim Slogan „Worlds Leading Company“ auf der Startseite der Website mit einer Aneinanderreihung von standardisierten Werbephrasen („Together, we power a brighter tomorrow“) nicht gestutzt hat, kann spätestens im Impressum prüfen, wer hinter einer Firma oder, wie in diesem Fall, hinter der Kampagne steht. Auch wenn bei amerikanischen Websites kein Impressum wie in der EU gefordert ist, unter „Terms of Use“, den Nutzungsbedingungen, ist bei Enron dort der Satz zu finden:
„The information on the website about Enron is First Amendment protected parody, represents performance art, and is for entertainment purposes only.“ Auf Deutsch: „Die Informationen auf der Website sind eine durch den ersten Verfassungszusatz geschützte Parodie, stellen Performance-Kunst dar und dienen ausschließlich der Unterhaltung.“
Aber auch ohne solche direkten Aussagen im Kleingedruckten: Überspitzte Überschriften, Plattitüden sowie emotionale Sprache können immer ein Hinweis auf Manipulationen sein, was andererseits zum Standard von Werbung gehört. Diesbezüglich auffällig war etwa das Präsentationsvideo, wo Herr Gaydos in seiner Produktankündigung behauptete, mit dem Enron-Ei ein Haus bis zu zehn Jahre lang mit Strom versorgen zu können. Er versprach nicht nur die „Energieindustrie“, sondern auch die „Unabhängigkeitsindustrie“ und die „Freiheitsindustrie“ zu revolutionieren.
Sich selbst auf die Spur kommen: Wir glauben, was wir hören wollen
Gerade, wenn Informationen bestimmte Überzeugungen bestätigen, oder eben Ängste bedienen oder pauschale Lösungen versprechen – dann lohnt einmal mehr ein Blick auf weitere Quellen. Die psychologische Tendenz, bei der Menschen Informationen bevorzugen, die ihre bereits bestehende Meinung bestätigen, nennt sich Confirmation Bias (auf Deutsch: Bestätigungsfehler). Informationen, die diesen Überzeugungen widersprechen, werden eher ignoriert oder als falsch abgetan – auch dieser Umkehrschluss gehört zum Prinzip.
KI verzerrt Realität und führt oft in die Irre
Der mittlerweile flächendeckende Einsatz von KI tut sein Übriges dazu: Durch den Boom von Künstlicher Intelligenz spielen durch KI generierte oder bearbeitete Inhalte, also KI-Bilder, Deepfakes und Stimmklone eine zunehmende Rolle. Dieser Trend erschwert die Orientierung im medialen Alltag.
Inzwischen gibt es Tools wie die umgekehrte Bildersuche (Bilderrückwärtssuche), beispielsweise von folgenden Anbietern:
Diese Anwendungen können manipulierte oder aus dem Kontext gerissene Bilder als solche entlarven. Sie sind inzwischen intuitiv und leicht zu handhaben: Einfach das Bild vom eigenen Rechner hochladen oder die URL (die Website mit dem Bild) in die Suchleiste einfügen, und die geprüften Ergebnisse werden umgehend ausgeworfen. Das klappt oft auch mit einem Bildschirmfoto aus Videos.
Mensch gegen Maschine: Logisch denken und genau hinschauen
Gerade bei durch KI generierten Bildern und Videos kann ein einfaches Prinzip helfen: die Frage nach der Logik. Oft entpuppen sich schon Fakes, wenn man genau hinschaut: Haben die Personen auf den Bildern beispielsweise alle Finger und stimmen sonstige Details? Beim Video sollte man auch darauf achten, ob das Bild nach einem Schwenk der Kamera noch den gleichen Hintergrund wie zuvor hat. Stimmen die Details? Und bei Filmen, wo jemand spricht: Stimmen die Mundbewegungen mit dem Gesagten überein? Manchmal kann auch künstliche Intelligenz bei der Entdeckung von Fake-KI helfen: So kann man auf der Website deepware.ai Videos oder Links zu Videos hochladen, um eine Einschätzung zu erhalten, ob es sich dabei um Deepfakes handelt. Weiterführende Informationen in diesem Epoch-Times-Artikel.
Auch wenn die Qualität von KI-generierten oder KI-bearbeiteten Inhalten sich fortlaufend verbessert und sie dadurch zunehmend schwieriger von echten zu unterscheiden sind – ein Blick auf die Ursprungsquelle führt oft zur Entlarvung. Damit kann herausgefunden werden, welche Interessen hinter der Verbreitung eines Videos, eines Bildes oder einer Nachricht stehen. Den Absender von Nachrichten zu überprüfen, lohnt sich auch bei vielen E-Mails, die mittlerweile Postfächer fluten und dazu auffordern, Dinge zu klicken oder etwas zu bezahlen.
Generell gilt beim Prüfen: Der zweite Teil einer E-Mail-Adresse nach dem @-Symbol wird als Domäne (Domain) bezeichnet. Sie gibt an, zu welchem E-Mail-Server oder welcher Organisation die E-Mail gehört. Zum Beispiel in der Adresse [email protected] ist beispiel.com die Domain. Am einfachsten ist es, die Domain (z. B. Beispiel.com) in einen Webbrowser einzugeben und so zu prüfen, ob eine offizielle Website existiert. Aber beispielsweise auch auf Hunter.io oder auf VerifyEmailAddress.org kann überprüft werden, ob es eine Website gibt.
Einfach mal googeln, wer dahintersteckt
Und damit zurück zu Connor Gaydos, dem Erfinder des Enron-Eis. Das Netz liefert zahlreiche Informationen über ihn als Mitschöpfer der Verschwörungstheorie, dass Vögel in Wirklichkeit Drohnennachbildungen seien. Ebenso wird aus seinen eigenen Aussagen, die im Netz zu finden sind, klar, dass er diese Theorie ins Leben gerufen hat, um diejenigen, die an „Birds Aren’t Real“ glaubten, zu verspotten – und mit ihnen auch all jene, die gemeinhin als Verschwörungsgläubige diffamiert werden.
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