„Keine Gleichschaltung, aber Gleichschwingung“ – Uwe-Tellkamp-Lesung
Etwa 250 Zuhörer waren am Donnerstag, 25. April, der Einladung der Konservativen Mitte gefolgt und hatten sich in den Parksälen in Dippoldiswalde (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) eingefunden. Der 2008 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnete Schriftsteller Uwe Tellkamp las aus seinen Werken. Dazu diskutierte er mit Freitals Oberbürgermeister Uwe Rumberg und dem Publikum über Themen, die von der DDR über Medien bis hin zu Corona reichten.
Nach Hahne-Auftritt der zweite politisch-kulturelle Abend der Konservativen Mitte
Die Konservative Mitte (KM) ist als Wählervereinigung 2020 durch Übertritte aus der CDU entstanden. Auslöser war der Widerstand der damaligen Stadträte gegen den Kurs ihrer Partei in der Corona-Frage. Mit der Zeit haben sich auch Stadträte der Freien Wähler und der AfD der KM angeschlossen. Mittlerweile ist sie die stärkste Fraktion im Stadtrat von Freital. Bei den bevorstehenden Kommunalwahlen will sie dort ihre führende Position verteidigen und im Kreistag ihre Mandatszahl zumindest verteidigen.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Konservative Mitte bekannte Autoren zu öffentlichen Veranstaltungen einlädt. Bereits im September des Vorjahres veranstaltete die Vereinigung ein viel beachtetes Event mit Autor und TV-Moderator Peter Hahne in Freital.
Der Dresdner Uwe Tellkamp hat zu Dippoldiswalde ein besonderes Verhältnis. Sein Erfolgsroman „Der Turm“ spielte zu erheblichen Teilen in dem fiktiven Ort „Waldbrunn“, der „Dipps“ – so der lokale Name für die Stadt – nachempfunden sei.
Tellkamp: Habe „Staat als feindselig wahrgenommen, nicht aber das Land“
Wie Tellkamp in der Gesprächsrunde zudem selbst ausführt, war er Schüler des 2018 verstorbenen Dippser Musiklehrers Wolfgang Mende. Dieser hatte im „Turm“ als Lehrer Uhl Verewigung gefunden. Im „KuBi“-Mobil fuhr er in seiner Freizeit durch die Dörfer, um den Menschen die klassische Musik nahezubringen. Uhl, so der Autor, stehe als Symbolfigur für Musiker, die sich selbst in der DDR durch ihre Kunst beschützt hätten.
Zudem hatte Tellkamp sein Abitur an der Erweiterten Oberschule (EOS) in Dippoldiswalde erlangt. Über seine Jugendzeit in der DDR berichtete er, dass er „den Staat als feindselig erfahren“ habe, „aber nicht das Land“. Er habe schon zu einem frühen Zeitpunkt das „Reden mit gespaltener Zunge“ kennengelernt. Man habe gewusst, welches Wissen und welche Aussagen aus dem privaten Umfeld nicht für die Ohren Dritter bestimmt gewesen seien.
Oberbürgermeister Rumberg schilderte seine DDR-Kindheit als unbeschwert und behütet. Allerdings habe er mit Fortdauer der Zeit erfahren, dass gewisse Eigentümlichkeiten, auf die seine Familie Wert legte, keine Vorteile brächten. Dazu gehörte etwa der freiwillige Besuch der Christenlehre außerhalb der Schule.
Die Unzuverlässigkeit in den Augen des Regimes habe dazu geführt, dass er erst auf Umwegen die Möglichkeit zu Abitur und Studium fand. Die Arbeit im Edelstahlwerk sei zwar mental eine Herausforderung gewesen, allerdings sei sie „auch der Grund, warum ich nie die Wurzeln verloren habe“, so Rumberg.
Rumberg: Die Kinder verdienen ein Leben im Frieden
Der OB von Freital erzählte auch, dass sein Vater nach Jahren an der Ostfront und in sowjetischer Kriegsgefangenschaft ihm den Wert des Friedens mit dem russischen Volk und dem Land vermittelt habe. Deshalb zeige er auch heute noch klare Kante gegen Politiker, die einen Eskalationskurs verfolgen.
Wie Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius von „Kriegstauglichkeit“ zu sprechen, sei „bereits jenseits des Abgrunds“, betonte Rumberg. Seine Botschaft in Dippoldiswalde lautete:
„Wir haben alle Kinder und Enkelkinder, die ihr Leben im Frieden verdient haben – Kriegstreiber, macht euch vom Acker!“
Freital als Beispiel für Agenda Setting
Ausgehend von einem Ausschnitt aus Tellkamps 2022 erschienenem Buch „Schlaf in den Uhren“ waren Medien und ihr Agenda Setting ein weiteres Schwerpunktthema des Abends. Tellkamp hatte zentrale Mechanismen, die er in deutschen Medien während der Flüchtlingsdebatte Mitte der 2010er-Jahre wahrgenommen hatte, in diesem Buch allegorisch verarbeitet.
Die Rede kam auf einen Artikel im „Spiegel“ des Jahres 2016, als Freital zu einem bundesweiten Symbolort für Rechtsextremismus und Fremdenhass erklärt wurde. Rumberg sprach von einer „Zeit, wo wir gefühlt durchs Land getrieben worden sind“. Man sei jederzeit bereit, solidarisch zu helfen. Allerdings beharre man auf Bedingungen und dazu gehöre, dass Einwanderung nicht unkontrolliert verlaufen dürfe.
Sein Vater, so Rumberg, habe ihm vom Lagerkoller als Erscheinung in sowjetischer Kriegsgefangenschaft erzählt – und dass dieser Situationen schaffen könne, die nicht mehr beherrschbar seien. Dies wollte man in Freital verhindern, so Rumberg. Aus diesem Grund sollte damals vonseiten westdeutsch dominierter Medien „an uns für die gesamte BRD ein Exempel statuiert werden“. Wer sich gegen Merkels Politik stelle, würde in gleicher Weise angeprangert.
Keine Gleichschaltung, aber „Gleichstimmung“
Tellkamp wurde gefragt, ob es eine Gleichschaltung in der deutschen Medienlandschaft gebe. Dies verneinte er, weil es keine zentralen Vorgaben gebe, die eine Person für alle verbindlich treffe. Allerdings gebe es eine „Gleichstimmung“. Es gebe „Leitjournalisten“, an denen sich Kollegen gerne orientierten – vor allem, wenn jemand sich „schnell in Agenden hineinfinden soll, von denen er wenig Ahnung hat“.
Neben dem Konformismus- und Nachahmereffekt müssten vor allem auch Lokaljournalisten zusehen, wie sie an ihr Geld kämen. Auch hier orientiere man sich im Zweifel an der Mehrheit der Kollegen. Mut zur Abweichung sei selten, da der Gegenwind schnell komme. Dies hätten beispielsweise „Berliner Zeitung“ und „Nordkurier“ ihrer kritischen Corona-Berichterstattung wegen erfahren müssen.
Der kulturelle Goldstandard werde immer noch vom Westen vorgegeben. Drohe ein Journalist zu kritisch zu werden, werde zum Teil auch zum Nudging gegriffen. Dabei würden dem Betreffenden zeitnah übermittelte exklusive Einblicke und Informationen angeboten. Diese drohten auszubleiben, sollte sich der Journalismus des Begünstigten in einer nicht willkommenen Weise orientieren.
Tellkamp rät zur Bildung von Freundeskreisen für Fall eines Blackouts
Auf eine Publikumsfrage nach der Wirksamkeit von Wahlen sprachen sich sowohl Tellkamp als auch Rumberg in jedem Fall dafür aus, zur Wahl zu gehen. Tellkamp erklärte, Dinge dauerten lange, aber sie änderten sich. Mittlerweile seien nicht mehr die Grünen stärkste Partei unter den Jungwählern. Auch „Brandmauern“ hielten nicht ewig.
An das Publikum richtete der Autor den Ratschlag: „Gehen Sie wählen, vertrauen Sie Ihrem Bauch!“
Darüber hinaus riet Tellkamp dazu, arbeitsteilige Strukturen aufzubauen, die beispielsweise die Funktionstüchtigkeit des täglichen Lebens im Fall eines Blackouts sicherstellen könnten. Solche Freundeskreise könnten schnell funktionsfähig werden.
„Sand im Getriebe sein und nicht das Öl“
Aber auch abgestimmter ziviler Ungehorsam könne etwas bewirken, so Tellkamp. In der Zeit des Corona-Lockdowns hätten Handwerker und Kindergärtner in Dresden gedroht, ihre Dienstleistungen für Polizei und Politiker einzustellen. Dies habe die Staatsregierung zum Einlenken bewegt.
Uwe Rumberg rief zum Zusammenhalt auf – dieser sei auch entscheidend gewesen für den gemeinsamen Entschluss zum Austritt aus der CDU. Sein Credo:
„Nicht die Flinte ins Korn werfen und glauben, dass Wahlen nichts ändern. Wir müssen die Sache friedlich verändern.“
Es sei wichtig, „der Sand im Getriebe zu sein und nicht das Öl“. Im Grunde stelle sich auch in der nunmehrigen Situation breiter öffentlicher Unzufriedenheit mit dem politischen Mainstream die Frage:
„Was kann schon passieren, wenn wir viele sind?“
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