Käselager? Weindepot? – Was wird aus dem Cyberbunker?
Kein Bunker hat es in Deutschland in den vergangenen Jahren so in die Schlagzeilen geschafft wie dieser: Der Cyberbunker in Traben-Trarbach an der Mosel, der vor gut vier Jahren als illegales Rechenzentrum für millionenschwere kriminelle Geschäfte im Darknet aufgeflogen war.
In einem der bundesweit größten Prozesse gegen Cybercrime wurden die Betreiber des Bunkers verurteilt – deren Machenschaften sind auch Thema einer 100-minütigen Doku bei Netflix. Und die Bunkeranlage? Sie steht über fünf Ebenen heute noch weitgehend so da wie zum Zeitpunkt des spektakulären Zugriffs.
„Ich habe schon einige Anfragen bekommen. Sie sind teilweise sehr kurios“, sagt der Stadtbürgermeister des idyllischen Städtchens, Patrice Langer (SPD). Ein Niederländer habe dort Käse einlagern wollen, ein anderer Interessent wollte den Schutzbau als Weindepot nutzen.
Andere Ideen, die bei Langer aufschlugen, waren ein Back-up für eine Bank in Frankfurt, eine Großraumdisco und ein Bunkerhotel, erzählt er. Tätig wird er aber nicht, denn das insgesamt 13 Hektar große Gelände gehört inzwischen dem Land Rheinland-Pfalz.
Hunderttausende Straftaten abgewickelt
Die Cyberbunker-Bande hatte Hunderte Server betrieben, über die fast 250.000 Straftaten abgewickelt wurden – Drogendeals, Datenhehlerei, Computerangriffe und Falschgeldgeschäfte. Man warb damit, ein „Bulletproof-Hoster“ (kugelsicherer Hoster) zu sein, der vor Polizei und Regierungen sicher sei.
Am Ende flog die Bande dann doch auf – und Ende 2021 wurden die sieben Männer und eine Frau vom Landgericht Trier wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt. Sie erhielten Haftstrafen zwischen einem Jahr auf Bewährung bis hin zu fünf Jahren und neun Monaten.
Seit September ist nun das Land Rheinland-Pfalz Eigentümerin der Anlage. Hausherrin über das Objekt mit dem rund 5500 Quadratmeter großen Bunker ist das Landesamt für Steuern, sagt Oberstaatsanwalt Jörg Angerer, der bei der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz die Landeszentralstelle Cybercrime in Rheinland-Pfalz leitet.
Die Generalstaatsanwaltschaft hatte die Bunkeranlage im Oktober 2019 beschlagnahmt, nun hat das Land sie eingezogen.
Könnte künftig wieder Privatleuten gehören
Wie es dort weitergeht, ist offen. „Eine konkrete Nachnutzung konnte zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht bestimmt werden“, sagt die Sprecherin des Landesamtes, Wiebke Girolstein. Das Amt habe die Bunkeranlage der öffentlichen Hand angeboten: Gespräche liefen unter anderem mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Aber auch ein Verkauf an privat sei möglich. „Der künftige Erwerber wird sodann über die konkrete Nachnutzung entscheiden.“
Momentan mache man sich einen detaillierten Überblick über die komplette Immobilie mit Bunker und zwei überirdischen Gebäuden. Jene zwei Gebäude seien teils stark sanierungsbedürftig und im aktuellen Zustand nicht nutzbar.
Zum Bunker gebe es noch keine abschließende Beurteilung und auch noch keinen Verkaufspreis. Kurzfristig gebe es Maßnahmen zur Instandhaltung – um zum Beispiel den Eintritt von Grundwasser zu verhindern oder unliebsame Gäste fernzuhalten.
Früher war in dem unterirdischen Schutzbau, der auf dem Bergrücken Mont Royal oberhalb von Traben-Trarbach liegt, das Amt für Geoinformationswesen der Bundeswehr.
„Das war die Einheit, die die Bundeswehr in allen naturwissenschaftlichen Fragen beraten hat“, sagt Bürgermeister Langer, der dort früher selbst mal gearbeitet hat. Aufgearbeitete Daten, unter anderem zum Wetter an den Einsatzorten, gingen dann von dort an die Verbände, auch ins Ausland.
Ende 2012 war Schluss mit dem Amt. Und Ende 2013 kaufte der Rädelsführer der Cyberbunker-Bande den alten Bundeswehr-Bunker für 450.000 Euro.
Haftbefehle in aller Welt vollstreckt
Der Niederländer baute nach und nach den Cyberbunker auf. Bei dem Zugriff auf die Bande im September 2019 rückten 650 Polizeikräfte aus Deutschland mit Unterstützung von Spezialeinheiten wie der GSG 9 an: Sie fanden 886 physische und virtuelle Rechner.
Auch Betreiber im Darknet, die das Zentrum nutzten, gerieten ins Visier: In folgenden Verfahren seien weltweit rund 150 Haftbefehle vollstreckt worden, sagt Oberstaatsanwalt Angerer.
Für den Bürgermeister der knapp 6000-Einwohner-Stadt ist klar: Er hätte am liebsten wieder eine Behörde, die da einzöge, wie zur Zeit der Bundeswehr mit 345 Dienstposten. Auch wegen der Einkommensteuer. „
Seit dem Weggang des Amtes fehlt mir jedes Jahr gut eine halbe Million Euro im Stadtsäckel“, sagt Langer. Und er hat auch eine Idee: „Jahrelang ist da oben hochkriminell gearbeitet worden. Wie wäre es, dort jetzt vom Bund oder Land eine Behörde anzusiedeln, die gegen Cybercrime kämpft? Das hätte eine große Strahlkraft.“ (dpa/red)
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