Julian Assange beim Europarat: Jahre der Isolation haben „ihren Tribut gefordert“

Julian Assange hat sich erstmals seit seiner Freilassung öffentlich geäußert: „Ich habe mich des Journalismus schuldig gemacht“. Der WikiLeaks-Gründer hatte 14 Jahre in Hausarrest, im Botschaftsasyl und in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis verbracht. Die Kriminalisierung der Nachrichtenbeschaffung sei eine Bedrohung für investigativen Journalismus, so Assange vor dem Menschenrechtsausschuss (PACE) des Europarats.
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Julian Assange saß fünf Jahre im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London.Foto: Frederick Florin/AFP via Getty Images
Von 1. Oktober 2024

Der im Juni nach jahrelanger Haft freigelassene WikiLeaks-Gründer Julian Assange hat bei seinem ersten öffentlichen Auftritt besseren Schutz für Journalisten gefordert. „Die Kriminalisierung von Nachrichtenbeschaffung ist eine Bedrohung für den investigativen Journalismus weltweit“, sagte Assange am Dienstagmorgen vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. „Ich wurde von einer ausländischen Macht formell verurteilt, weil ich wahrheitsgemäße Informationen über diese Macht angefordert, erhalten und veröffentlicht habe, während ich in Europa war.“ Das grundlegende Problem sei, dass Journalisten nicht für ihre Arbeit verfolgt werden sollten.

Assange war gestern von Australien nach Straßburg gereist, um vor dem Menschenrechtsausschuss (PACE) des Europarats zu sprechen. Er beschrieb seine Zelle im Belmarsh-Gefängnis, in der er mehrere Jahre verbracht hatte, während er gegen seine Auslieferung an die USA kämpfte, als ein „Verlies“:

Die Erfahrung der jahrelangen Isolation in einer kleinen Zelle ist schwer zu vermitteln. Sie entzieht einem den Sinn für das eigene Ich, sodass nur die rohe Essenz der Existenz übrig bleibt. Ich bin noch nicht ganz in der Lage, über das zu sprechen, was ich durchgemacht habe. Der unerbittliche Kampf ums Überleben, sowohl körperlich als auch geistig“, so Assange.

Er entschuldigte sich für seine unsichere Rede („Wenn meine Worte ins Stocken geraten“) und erklärte, er versuche immer noch, sich anzupassen, nachdem die Jahre der Isolation „ihren Tribut gefordert“ hätten: „Ich versuche sie zu überwinden.“

Wikileaks-Gründer Assange will beim Europarat im Straßburg über seine Haftbedingungen und die Auswirkungen seines Falls auf die Menschenrechte sprechen.

WikiLeaks-Gründer Assange will beim Europarat in Straßburg über seine Haftbedingungen und die Auswirkungen seines Falls auf die Menschenrechte sprechen. Foto: Pascal Bastien/AP

Leak: Dokumente über Militäreinsätze in Afghanistan und im Irak

Assange ist der Protagonist eines großen Spionageskandals. 2006 hatte er die Enthüllungsplattform WikiLeaks gegründet, mit der Mission, Whistleblower zu unterstützen und verborgene Informationen ans Licht zu bringen. Rechtliche Schritte gegen Assange begannen im Jahr 2010, nachdem Hunderttausende geleakter Dokumente von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan veröffentlicht worden waren. Die USA warfen Assange in der Folge vor, geheimes Material gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben.

Es handelt sich um rund 700.000 Dokumente über militärische und diplomatische Aktivitäten der USA. Die Papiere enthielten brisante Informationen über die Kriege, unter anderem über die Tötung von Zivilisten und die Misshandlung von Gefangenen durch Angehörige des US-Militärs.

Nach 14 Jahren frei: „Ich habe mich des Journalismus schuldig gemacht.“

Assange war im Juni 2024 nach einem Deal mit der US-Justiz freigelassen worden, nachdem er 14 Jahre in Hausarrest, im Botschaftsasyl und im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh verbracht hatte.

Er hatte sich im Rahmen einer Vereinbarung mit der US-Justiz der Weitergabe vertraulicher Informationen zur Verteidigung schuldig bekannt und war zu einer Haftstrafe verurteilt worden, die er bereits abgesessen hat. Nach seiner Freilassung kehrte der 53-Jährige in sein Heimatland Australien zurück.

Ich möchte mich klar ausdrücken. Ich bin heute nicht frei, weil das System funktioniert hat. Ich bin heute frei, nachdem ich jahrelang inhaftiert war und mich des Journalismus schuldig bekannt habe. Ich habe mich schuldig bekannt, Informationen von einer Quelle eingeholt zu haben“, stellte Assange eingangs vor dem Menschenrechtsausschuss (PACE) klar.

 „Journalisten müssen Aktivisten für die Wahrheit sein“

Assange zog Parallelen zu aktuellen Ereignissen. Er beobachte aktuell ein „ähnliches Phänomen“: Dass die politische und geopolitische Ausrichtung von Medienorganisationen dazu führe, dass nur über bestimmte Opfer berichtet werde. Aktuelle Beispiele: Gaza oder Ukraine. „Das ist ein Bruch der journalistischen Solidarität. Wir müssen alle zusammenhalten […]. Die Journalisten, die irgendwo zensiert werden, verbreiten die Zensur, die sich dann auf uns alle auswirken kann. Ebenso benötigen Journalisten, die von Geheimdiensten getötet oder ins Visier genommen werden, unser entschlossenes Engagement.“

Mitunter gebe es eine Debatte darüber, ob jemand ein Journalist oder ein Aktivist sei. Genauigkeit bei der journalistischen Arbeit, so Assange, und Primärquellen seien das A und O. Es gebe einen Bereich, in dem er selbst ein Aktivist sei: „Journalisten müssen Aktivisten für die Wahrheit sein.“

Zukunft Europas: Redefreiheit darf kein Privileg sein

Wenn Europa eine Zukunft haben soll, müssten Redefreiheit und die Freiheit, die Wahrheit zu veröffentlichen, keine Privilegien für einige wenige sein, sondern für alle gelten, so Assange. „Keine Privilegien für einige wenige, sondern garantierte Rechte für alle.“  Europa müsse handeln, „damit das, was in meinem Fall geschehen ist, nie wieder jemand anderem passiert.“ Für Assange steht das „Recht auf freie Meinungsäußerung und alles, was damit zusammenhängt, an einem dunklen Scheideweg.“

Dem Europarat, der sich als Hüter der Menschenrechte versteht, gehören seit dem Ausschluss Russlands 46 Länder an.



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