Jeder fünfte Erwachsene in Deutschland hat Schwierigkeiten mit Lesen und Rechnen auf Grundschulniveau

Die Ergebnisse der internationalen Studie zu Alltagskompetenzen werfen ein Schlaglicht auf Bildungsdefizite und den wachsenden Abstand zwischen Bevölkerungsgruppen. Rund 22 Prozent der Erwachsenen in Deutschland können einfache Texte kaum verstehen. Migranten schneiden besonders schlecht ab, während Ältere oft die besten Ergebnisse erzielen.
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Laut einer aktuellen Studie können 6,2 Millionen Erwachsene in Deutschland nicht richtig lesen und schreiben.Foto: Bernd Wüstneck/dpa
Von 17. Dezember 2024

Deutschland liegt laut der alle zehn Jahre durchgeführten Erwachsenen-PISA-Studie leicht über dem Durchschnitt der teilnehmenden OECD-Staaten. Doch jeder fünfte Erwachsene hat Schwierigkeiten mit Lesen und Rechnen auf Grundschulniveau. Besonders stark wirkt sich die soziale Herkunft auf die Bildung aus.

Während die PISA-Studie alle drei Jahre für die 16-Jährigen erhoben wird, sind die Erwachsenen alle zehn Jahre dran, was die Bewertung ihrer Kompetenzen in Lesen und Mathematik und beim adaptiven Problemlösen anbelangt. Gerade wurden die aktuellen Ergebnisse der Studie, an der insgesamt 31 Staaten teilgenommen haben, veröffentlicht. Deutschland liegt nach diesem Erwachsenen-PISA leicht über dem OECD-Durchschnitt bei den Alltagskompetenzen. 60 Prozent der Erwachsenen in Deutschland erreichen immerhin ein mittleres Niveau im Schreiben, Rechnen und adaptiven Problemlösen.

Mehr als jeder Fünfte hat Lese-Rechtschreib-Schwäche

Auch wenn die Deutschen im internationalen Vergleich im oberen Mittelfeld liegen, geben die Ergebnisse nicht unbedingt Grund zu Stolz oder Freude. Denn bei jedem fünften Erwachsenen in Deutschland liegt die Lesekompetenz auf dem Niveau eines zehnjährigen Kindes oder sogar deutlich schlechter. Ähnliche Probleme zeigen sich auch bei den Rechenfähigkeiten.

Das bedeutet konkret, dass rund 22 Prozent der 16- bis 65-Jährigen den Inhalt eines einfachen Satzes wie „Bitte sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind bis 10 Uhr hier ist“ nicht verstehen oder nur mit Problemen erfassen können. 14 Prozent hingegen sind der leistungsstarken Gruppe der Erwachsenen zuzuordnen, die lange, anspruchsvolle Texte verstehen und bewerten können.

Auch beim Rechnen kam jeder fünfte Deutsche beim Erwachsenen-PISA-Test nicht über einfaches Zählen und Rechnen hinaus, so die Ergebnisse. 18 Prozent befinden sich hier in den oberen Kategorien.

3 Prozent der Teilnehmer in Deutschland verfügten übrigens nicht über ausreichende Sprachkenntnisse, um an dem Test teilzunehmen.

Einwanderer in Deutschland Schlusslicht in Lesekompetenz

„Das Leistungsniveau der Erwachsenen ohne Schulabschluss ist sehr schwach“, erklärt OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher. Auch die familiäre Herkunft spiele eine große Rolle.

Im internationalen Vergleich liegt Deutschland insgesamt im oberen Mittelfeld, leicht über dem OECD-Durchschnitt. Von den rund 160.000 Teilnehmern an der „Internationalen Studie zur Untersuchung von Alltagsfähigkeiten Erwachsener“ kamen 4.793 aus Deutschland.

Im Ergebnis war vorwiegend das Leistungsgefälle zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund auffällig hoch. Die Lesekompetenz bei eingewanderten Menschen lag dabei ganze 75 Prozent unter dem der deutschen Teilnehmer.

In den vergangenen zehn Jahren habe sich die Lese- und Schreibkompetenz der im Ausland geborenen Erwachsenen nur in Dänemark, Finnland und Schweden verbessert, während sie in elf Ländern zurückgegangen sei, konkretisiert die OECD die Ergebnisse. Hingegen sei bei den im Inland geborenen Erwachsenen eine positivere Entwicklung zu verzeichnen. Die größte Kluft zwischen beiden Gruppen sei in Deutschland zu verzeichnen.

Doch „in der zweiten Einwanderungsgeneration liegt Deutschland nicht mehr so weit hinten“, betonte Schleicher bei der Vorstellung der Ergebnisse. Bei hier geborenen Menschen mit eingewandertem Elternteil ist der Rückstand beim Textverständnis nicht mehr so groß. Deutschland landete dabei mit weniger als 20 Prozent immerhin auf Platz neun der 31 untersuchten Länder.

Besser im Lesen und Rechnen: Die Älteren reißen es heraus

Auch zwischen den Altersgruppen zeigten sich Leistungsunterschiede. Vor allem die Älteren stehen gut da und ziehen das Gesamtergebnis hoch. Die Leistungen der älteren Generation zwischen 55 und 64 Jahren hätten dazu geführt, dass Deutschland insgesamt gute Testergebnisse verzeichnen konnte, so der OECD-Bildungsdirektor. In anderen Ländern, etwa in Singapur, hätten vor allem die Jüngeren besser abgeschnitten.

PISA-Spitzenreiter im internationalen Vergleich waren übrigens Finnland und Japan. Sie erzielten in allen drei Segmenten die höchsten Werte. Chile war mit den niedrigsten Werten das Schlusslicht der 31 teilnehmenden Staaten.

Bildungskluft wird größer in Deutschland

Über alle Länder hinweg war ein Rückgang der Lese-, Schreib- und Rechenkenntnisse besonders bei den am wenigsten gebildeten Bevölkerungsgruppen zu beobachten mit der Folge einer größer werdenden Kluft zwischen hoch- und niedrig gebildeten Erwachsenen.

Bei der PISA-Studie für Erwachsene war Deutschland nach der Erhebung 2012/13 das zweite Mal dabei.

2022 hatten bei der PISA-Studie von Jugendlichen deutsche Schüler die schwächsten Leistungswerte erreicht, die für Deutschland jemals im Rahmen von PISA gemessen wurden. Nur 30 Prozent der 15-Jährigen verfügen noch über Grundkompetenzen in Mathematik.

Neben dem Standardtest wurde dieses Mal auch erhoben, wie kreativ Schüler in diesem Alter denken können. Die Auswertung zeige, dass die Fähigkeit zum kreativen Denken wesentlich mit den Kernkompetenzen in Mathematik, im Lesen und in Naturwissenschaften zusammenhänge, hieß es in der Auswertung. Es gebe deutliche Unterschiede „zulasten sozial benachteiligter Schüler sowie zulasten von Schülern mit Zuwanderungshintergrund“, wie das Bundesbildungsministerium und die Kultusministerkonferenz in einer Mitteilung formulierten. 



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