In flagranti beim Schummeln ertappt – ChatGPT bei Abiprüfung im Einsatz

Wer kennt das nicht: Die Prüfungen stehen an, das Herz klopft bis zum Hals und die Hände sind schweißgebadet. Da ist die Versuchung groß, sich mit einem Spickzettel ein paar Vorteile zu verschaffen – oder sich ein paar Notizen in die Hand zu schreiben. Doch das sind Methoden von gestern.
Titelbild
Eine Schülerin schummelt sich mit ihrem Smartphone durch die Prüfung (Symbolbild).Foto: iStock
Von 29. Mai 2023

Inzwischen hat es der Chatbot ChatGPT in die schriftliche Abiturprüfung geschafft. In Hamburg wurde ein Abiturient laut NDR auf frischer Tat im Schummel-Chat ertappt. Als die Aufsicht den Schüler zur Rede stellte, räumte dieser die Nutzung der sogenannten künstlichen Intelligenz (KI) ein – was hätte er auch anderes tun sollen, denn das Programm war auf seinem Smartphone geöffnet.

Dass der Schüler überhaupt sein Mobiltelefon an der Prüfungsaufsicht vorbeischleusen konnte, stößt auf Unverständnis. Denn ausnahmslos müssen digitale Geräte vor schriftlichen Prüfungen abgegeben werden. „Die Prüfungsaufsicht hat das zu kontrollieren“, so Peter Albrecht von der Hamburger Schulbehörde.

Nach seinen Angaben hat es zudem einige Verdachtsfälle gegeben, die der Rechtsabteilung der Schulbehörde gemeldet wurden. So hatten manche Abiturienten Klausuren mit stark schwankender Qualität abgegeben – einige Passagen waren mangelhaft, andere fehlerfrei. Nach einer Überprüfung mit einer speziellen Software, die KI-generierte Texte enttarnen kann, gehen die Lehrer davon aus, dass auch hier KI im Spiel war.

Der widerrechtliche Einsatz von Mobiltelefonen und ähnlichen Geräten in Prüfungen wird als Täuschungsversuch gewertet. Je nach Situation wird entweder die betroffene Aufgabe mit null Punkten bewertet oder die Abiturprüfung insgesamt für nicht bestanden erklärt. Wenn Schüler allerdings nicht in flagranti beim Schummeln erwischt wurden, wird es schwer, ihnen einen Betrugsversuch nachzuweisen, so Albrecht.

Leistungssystem „oldschool“?

„Wir müssen gucken, dass die Handys nicht gebraucht werden, dann ist das Abitur schummelsicher“, äußerte der Hamburger Schulsenator Ties Rabe gegenüber dem NDR.

Jamie Christophersen von der Schülervertretung Hamburg findet, dass ChatGPT eine Hilfe sei, „aber damit kann man keine guten Noten schreiben“.

Doch Ergebnisse aus Bayern zeigen etwas anderes. Die Lehrerin Judith Bruniecki hat sich laut NDR mit KI-generierten Abiturtexten beschäftigt. Ihr Fazit: gut lesbare Texte, sachlich und richtig geschrieben, ohne Fehler.

Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, Simone Fleischmann, sieht die Lehrer am Zug. „Wir müssen einsehen, dass unser Leistungssystem oldschool ist“, sagte sie. Zensuren dürften nicht allein ausschlaggebend sein. Auch im Berufsleben gebe es unterschiedliche Bewertungskriterien. „Was bringt mir dann ein Fünfer?“ Das Bewertungssystem in den Schulen müsse überarbeitet werden. Der Umgang mit der Informationsquelle sei entscheidend.

Gegen eine Abschaffung von Zensuren sprach sich indes der Verband Deutscher Realschullehrer aus: „Spätestens seit dem grafikfähigen Taschenrechner liegt es in der Verantwortung der Ministerien und letztlich Lehrkräfte, bei Prüfungen besondere Vorkehrungen zu treffen.“ Es liege in den Händen der Lehrer, dafür zu sorgen, dass die Schüler auf digitale Endgeräte bei Prüfungen kontrolliert werden.

Umfrage: Jeder zweite Schüler hat ChatGPT bereits genutzt

85 Prozent der Schüler befürchten, dass sich andere in der Schule durch ChatGPT einen ungerechten Vorteil verschaffen könnten. Das geht aus einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom unter 504 Jugendlichen im Alter von 14 bis 19 Jahren hervor.

Mehr als die Hälfte der befragten Schüler in Deutschland (53 Prozent) hat ChatGPT bereits genutzt. Etwas mehr als ein Drittel (37 Prozent) weiß um die KI, hat sie bisher aber noch nicht eingesetzt. Acht Prozent haben noch nie etwas von ChatGPT gehört.

Zwei Drittel der Schüler gaben an, dass sie durch die Nutzung von ChatGPT ihre Noten verbessern könnten. 58 Prozent wollen im Unterricht lernen, wie man die KI richtig nutzt, und 34 Prozent sprachen sich dafür aus, sie im Unterricht nutzen zu dürfen.

43 Prozent hingegen finden, dass die Nutzung von ChatGPT sogar für Hausaufgaben verboten werden sollte.

(Mit Material von afp)

 



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