Immer mehr Kinder wegen psychischer Erkrankungen in Klinken

Schwer belastet: Mehr Kinder und Jugendliche als zuvor sind im Jahr 2022 wegen psychischer Erkrankungen und Verhaltensstörungen in Krankenhäusern behandelt worden. Vor allem Mädchen sind betroffen.
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Datenerhebungen zeigen: Die Corona-Krise hat ihre Spuren hinterlassen. Psychische Behandlungen bei Heranwachsenden steigen. (Symbolbild)Foto: iStock Egoitz Bengoetxea Iguaran
Von 9. August 2024

Psychische Erkrankungen waren 2022 die Ursache für 19 Prozent der Krankenhausbehandlungen von 10- bis 17-Jährigen, hat das Statistische Bundesamt mitgeteilt. Damit stellten 2022 psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen nach Verletzungen und Vergiftungen die zweithäufigste Ursache für stationäre Krankenhausbehandlungen von Heranwachsenden in Deutschland dar.

Von den 435.900 Krankenhauspatienten im Alter von 10 bis 17 Jahren wurden demnach 81.000 aufgrund psychischer Probleme stationär aufgenommen und behandelt. Vor allem Mädchen sind betroffen: Während bei ihnen knapp ein Viertel (24 Prozent) aller Behandlungsfälle auf diese Diagnose entfiel, waren es bei den Jungen 13 Prozent.

„Objektiv mehr Depressionserkrankungen seit Corona“

Depressionen waren mit 28 Prozent der Fälle die häufigste Diagnose, die stationär behandelt wurde. Das entspricht mehr als einem Viertel an allen aufgrund von psychischen Erkrankungen und Verhaltensstörungen stationär behandelten Kindern und Jugendlichen. Alkoholbedingte Störungen machten 11 Prozent und Reaktionen auf schwere Belastungen sowie Anpassungsstörungen 10 Prozent der Behandlungen aus.

Insgesamt werden seit einigen Jahren anteilig immer mehr Kinder und Jugendliche wegen psychischer Erkrankungen und Verhaltensstörungen stationär behandelt. Auffällig ist der Anstieg der Fälle seit 2012, als dieser Anteil noch bei 13 Prozent lag.

„Es gibt objektiv mehr Depressionserkrankungen bei Jugendlichen nach Corona, als wir vor Corona hatten“, sagt Renate Schepker von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) gegenüber der „dpa“.

Die „naive jugendliche Weltsicht“ von Kindern und Jugendlichen sei zuweilen „quasi zerstört worden“ durch die Pandemie und sonstige Katastrophen, „auch durch Kriege in der Welt und alle möglichen Ereignisse, die einem das Leben schwer machen“, so Schepker.

NRW: Behandlungen wegen Depressionen steigen um 29 Prozent

Im Jahr 2021 waren psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen laut Statistik der häufigste Grund, aus dem Jugendliche im Krankenhaus behandelt wurden. Am häufigsten wurde die Diagnose Depression in dieser Altersgruppe gestellt, bereits bei 9 Prozent aller Krankenhausbehandlungen. Die starke Betroffenheit von Heranwachsenden verdeutlicht sich auch im Vergleich zu Erwachsenen: Bei den über 18-Jährigen machte die Diagnose 6 Prozent der Krankenhausbehandlungen aus, also circa ein Drittel weniger in der Relation zu den Jugendlichen.

Zu den psychischen Erkrankungen und Verhaltensstörungen zählen auch solche, die durch Alkohol bedingt sind. Sie umfassen unter anderem Folgen von Alkoholmissbrauch und akuten Alkoholvergiftungen wie Abhängigkeits- oder Entzugssyndrome.

Allein im Bundesland Nordrhein-Westfalen mussten im Corona-Jahr 2021 wegen depressiver Episoden insgesamt 5.758 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren stationär behandelt werden. Das waren 29 Prozent mehr als vor der Pandemiezeit im Jahr 2019.

Die Entwicklung der Zahlen der Krankenhausbehandlungen in den Jahren 2020 und 2021 ist auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, schreibt dazu „Statista“ als Erklärung: „Die hohe Auslastung der Krankenhäuser durch COVID-19-Patientinnen und -Patienten, das Freihalten von Bettenkapazitäten und verschärfte Hygienekonzepte führten dazu, dass ‚planbare‘ Behandlungen verschoben wurden. Zudem vermieden vermutlich viele Menschen Krankenhausaufenthalte, wenn sie diese nicht als unbedingt notwendig erachteten.“

Während sich diese aktuelle Statistik auf die stationären Behandlungen beschränkt, wurden und werden viele der Erkrankungen und Störungen in ambulanten Therapien behandelt. Einen Anhaltspunkt für das Ausmaß der Entwicklung könnte das Angebot von Psychotherapie geben:

Während des vorangegangenen Jahrzehnts hat die Anzahl von Psychotherapeuten kontinuierlich zugenommen, von 2011 bis 2021 stieg sie um 45 Prozent auf nunmehr 53.000.

Trotz dieser Steigerung kann offenbar schnelle Hilfe nicht sichergestellt werden: Laut einer Untersuchung der Universität Leipzig unter niedergelassenen Kinder- und Jugendtherapeuten musste man 2022 durchschnittlich 25 Wochen auf einen ambulanten Therapieplatz warten – eine Verdopplung der Wartezeit im Vergleich zu der Zeit vor dem Beginn der Corona-Krise 2020.

Heranwachsende sind Opfer der Corona-Maßnahmen

Dass insbesondere Jugendliche mit den Folgen der Corona-Zeit zu kämpfen haben, zeigt auch die Sonderanalyse zur Krankenhausversorgung psychischer Erkrankungen des DAK-Kinder- und Jugendreport 2023.

In diese Analyse der Jahre 2018 bis 2022 für die Altersgruppe der 5- bis 17-Jährigen sind Daten von circa 575.000 DAK-versicherten Kindern und Jugendlichen eingegangen. Im Bericht wurde sich vornehmlich auf die Pandemie und deren begleitende Maßnahmen fokussiert. Die Analyse ist vorwiegend ein Vergleich des Jahres 2022 mit dem letzten Vor-Pandemie-Jahr 2019:

Demnach haben stationär behandelte Angststörungen bei jugendlichen Mädchen im Jahr 2022 gegenüber 2019 um 35 Prozent zugenommen. Davor, in den Jahren 2018 bis 2020, lagen stationär behandelte Angststörungen noch auf konstantem Niveau. In den Jahren 2021 und 2022 hingegen wurde ein kontinuierlicher Anstieg der Fallzahlen ausgemacht. Bei jugendlichen Mädchen wurde im Jahr 2022 ein neuer Höchstwert erreicht. Von 1.000 Mädchen in dieser Altersgruppe wurden 6,3 wenigstens einmal mit Angststörungen im Krankenhaus behandelt.

Mädchen leiden der Untersuchung zufolge im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit deutlich häufiger unter Depressionen, Ess- und Angststörungen sowie starkem Übergewicht.

Schon in ihrem Jahresbericht von 2022 hatte die DAK Gründe für diese sich jetzt fortsetzende Tendenz benannt: Insbesondere seien es die Pandemie begleitenden Maßnahmen, darunter Lockdowns, Schulschließungen und das Aussetzen von haltgebenden Strukturen wie Sportvereine oder Jugendeinrichtungen. Auch die daraus resultierenden Belastungen im Familienleben hätten zu den Problemen beigetragen.



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