„Iiih“ gibt es nicht überall – was die Welt sprachlich verbindet
Wer etwas Ekliges entdeckt, sagt überall auf der Welt „iiih!“? Und in jeder Sprache kann man bis zehn zählen? Stimmt beides nicht. In den Tausenden von Sprachen weltweit existieren die unterschiedlichsten Laute und Ideen. Sprachwissenschaftler versuchen trotzdem immer wieder, universelle Eigenschaften von Sprache zu finden. Ab und an werden sie fündig.
Ein interdisziplinäres, internationales Forschungsteam hat sich jüngst angeschaut, welche Ausdrücke Menschen in 131 Sprachen von sich geben, wenn sie Schmerz, Freude und Ekel empfinden. „Ah“, „au“, „autsch“ und „ai“ waren typische Äußerungen bei Schmerz, also mit dem offenen Vokal „a“. Bei Freude und Ekel reagierten die Menschen in verschiedenen Kulturen aber mit unterschiedlichen Vokalen.
Die im „Journal of the Acoustical Society of America“ erschienene Studie kann laut Ko-Autorin Katarzyna Pisanski dazu beitragen, etwas über die Ursprünge der Sprache herauszufinden.
Warum viele Kinder „Mama“ oder „Ma“ sagen
Der Linguist Johann-Mattis List von der Universität Passau zählt im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur Dinge auf, die in vielen Sprachen vorkommen. Das Kinderwort für Mutter ist häufig „Mama“, „Ma“, „Amma“ oder ähnlich, das für den Vater häufig „Papa“ oder „Baba“. Das hänge damit zusammen, dass Babys die Laute „m“ und „a“ sowie bestimmte Laute – sogenannte Plosive – besonders leicht bilden können.
Andere Gemeinsamkeiten ließen sich auf die Wahrnehmung zurückführen. So haben laut List alle der Wissenschaft bekannten Sprachen ein Wort für „rot“. „Das ist besonders wichtig für Früchte, da reagieren wir drauf“, sagt List. Doch wie bei allen anderen Sprach-Universalien würde er nicht darauf wetten, dass dies wirklich für alle Sprachen der Welt gelte. „Es gibt immer Ausnahmen.“ Jedes Mal finde sich irgendwo eine Sprache, für die irgendetwas nicht gelte.
Selbst Babylaute sind nicht wirklich universell
Der Sprachwissenschaftler Fabian Bross von der Universität Stuttgart hat dafür ein weiteres Beispiel. So sei „m“ einer der ersten Laute, die Babys produzieren – und trotzdem kommt er nicht in allen Sprachen vor. „97 Prozent der Sprachen weisen ein „m“ auf“, sagt er. Die Sprache Rotokas auf der Insel Bougainville in Papua-Neuguinea gehöre aber beispielsweise nicht dazu. Diese Sprache komme ohnehin nur mit 11 Sprachlauten aus, wohingegen die Taa-Sprache im südlichen Afrika mehr als 140 Laute aufweise, darunter viele Schnalz- und Klicklaute.
In vielen Fällen, sagt Bross, sei den Forschern klar, warum bestimmte Dinge mit bestimmten Lauten ausgedrückt werden. „Dinge, die klein sind oder „klein“ bedeuten, haben eher ein „i“, Dinge, die groß sind oder „groß“ bedeuten, eher ein „o“. Denn kleine Dinge haben eine hohe Frequenz, große Dinge eine tiefe Frequenz – das hängt mit der Größe des Resonanzkörpers zusammen.“ Ein Bär klinge eben tiefer als ein Spatz.
Manche Fantasiewörter klingen rund, andere eckig
Andere Zusammenhänge aber seien zumindest bislang unklar, etwa der sogenannte Bouba/Kiki-Effekt, sagt Bross. Zeige man Menschen eine runde und eine eckige Form, wiesen sie das Fantasiewort „Bouba“ der runden Form zu und das Wort „Kiki“ der eckigen Form. „Das ist jedem Menschen klar, egal wo er lebt und was er spricht, auch Kindern schon.“
Eine weitere Studie, an der auch deutsche Forscher beteiligt waren, schaute sich gerade an, wie verschiedene Sprecher die Laute „R“ und „L“ empfinden. Ein rollendes „R“ wurde mit einer rauen Textur und einer gezackten Form in Verbindung gebracht, ein „L“ mit einer glatten Textur und einer flachen Form, heißt es ebenfalls im „Journal of the Acoustical Society of America“.
„Unsere Forschung zeigt, dass Sprachlaute eine bestimmte Textur und Form haben“, erklärt Ko-Autor Marcus Perlman von der University of Birmingham. Der R/L-Effekt sei noch stärker und konsistenter als der Bouba/Kiki-Effekt. Diese Übereinstimmungen könnten die Entwicklung der gesprochenen Sprache beeinflusst und die Wörter geprägt haben, die verwendet werden, um über Textur und Form zu sprechen, meint er. (dpa/red)
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