Handwerkskunst statt Billigimport

Aus ausrangierten Fachwerkpfeilern und anderem Holz entstehen weihnachtliche Pyramiden und Lichterbögen. Zu Besuch im Erzgebirge.
Titelbild
Holzkunst ist besonders vor Weihnachten wieder gefragt.Foto: iStock
Von 23. Dezember 2022

Was hat ein hölzerner Fachwerkbalken von 1667 oder ein Transmissionsrad aus dem Bergbau mit der Advent- und Weihnachtszeit zu tun? Das kann man in einer Werkstatt für traditionelles Holzhandwerk im erzgebirgischen Tannenberg bei Annaberg-Buchholz erfahren.

Das Hobby als Beruf

Gunnar Horatzscheck machte sich das Hobby zum Beruf; denn es ist für ihn „eine große Verantwortung, die kulturelle Tradition der erzgebirgischen Region zu pflegen und zu bewahren.“ Früher waren es noch rund fünf Handwerksbetriebe in seinem Ort, jetzt ist er der einzige und mit ihm vier oder fünf in der gesamten Region des Erzgebirges, die noch ganz ihr ursprüngliches Handwerk ausführen.

Er begann damals, traditionelle Weihnachtsfiguren mit originalem Werkzeug und Materialien zu fertigen. Mit seinem Sohn Norman hat er dann eine Werkstatt für Erzgebirgskunst aufgebaut. In ihren Werkstücken spiegelt sich die gegenseitige Befruchtung der Generationen wider. Sein Sohn Norman Horatzscheck sagt Epoch Times: „Es ist schön, gerade in diesen Zeiten Traditionen wieder aufleben zu lassen.“

Aus ausrangierten Fachwerkpfeilern und dem Holz von geschichtsträchtigen Riemen- und Handwerksrädern werden weihnachtliche Pyramiden und Lichterbögen gefertigt. Sowohl der Vater als auch der Sohn haben Holzgestaltung studiert. Denn jede Generation setzt in der Tradition Akzente, so der Sohn Norman Horatzscheck.

Aus der Nische heraus

Bei der gemeinsamen Arbeit blicken sich Vater und Sohn gegenseitig über die Schulter; die traditionelle Linie wird bewahrt, indem beide einander und aufeinander achten. Dadurch erhält man schließlich „Gelegenheit, Vergangenheit und Gegenwart in authentischer und sinnlicher Ausstrahlung gleichzeitig zu erleben.“

Die traditionelle Erzgebirgskunst, von jungen Menschen zuweilen ignoriert, wird aus der Nische heraus geholt und erfahrbar gemacht. Der künftige Junior-Chef, der vom Vater ab Januar 2023 die Werkstatt übernimmt, möchte die traditionelle Volkskunst wieder in die heutige Lebenswelt integrieren. Der Vater steht ihm hierfür weiterhin mit Rat und Tat zur Seite.

Das Interesse an traditionellen Handwerk ist nach Norman Horatzscheck bei Jung und Alt ungebrochen. Zudem erfüllt sich im traditionellen Handwerk immer auch das Prinzip der Nachhaltigkeit: Einige Tonnen Altholz warten in der Werkstatt auf ihre Verarbeitung. Es wird auf Qualität, auf Wertschätzung gesetzt – dem Material, der eigenen Geschichte und dem Menschen gegenüber. In dieser Folge wird dann die Weihnachtspyramide als Kostbarkeit von Generation zu Generation weiter vererbt.

Material atmet Geist …

Alte Fachwerkbalken haben eine eigene Lebendigkeit, tragen einzigartige Spuren, so Gunnar Horatzscheck. Die Linien im Holz erzählen Geschichten, in denen Emotionen atmen. Genau dieser jahrhundertealte Geist wird aufgegriffen.

Auf die Frage, wie konkret die Arbeitsweise aussieht, antwortet Norman Horatzscheck: „Man muss experimentieren, was am besten zum jeweiligen Werkstoff passt, wie die Materialien zusammenpassen. Das heißt, Altholz braucht entsprechende Edelstahlkerzenhalter, um sie ans Werkstück anzupassen. Es ist eine schweißtreibende Arbeit. Nicht nur das in Form hämmern, sondern auch das Verlöten verlangt viel Fingerspitzengefühl, denn der Schmelzpunkt von Zinkblech und Zinn liegt nah beieinander. Bei der kleinsten Unachtsamkeit ist somit nicht nur das Zinn geschmolzen, sondern auch gleich die Tropfschale mit dazu.“

Mit den Fachwerkbalken wurden Gunnar und Norman Horatzscheck gebeten, daraus eine Weihnachtspyramide zu bauen. Mit der traditionellen Handwerkskunst ist immer auch die regionale Mundart verbunden, so wie in der Werkstatt von Gunnar und Norman Horatzscheck.

… und Mundart

Aufgeschrieben liest sich das so: „Diese Erinnerungssticke hom ene besunnere Vrgangeheet. Klar, jeder dr alten Balken hit enzigartige Spurn, die ihre Geschicht festhaln. Aber dohierdrinne stacken ah noch ganz persönliche Emotionen. Se stamme ausm Bauerngut dr Oom und wurn mr zugetroong, mit dr Bitte ene Peremet draus ze bauen. Is Gut hot bereits in Besitzer gewachselt und Teele dr Gebäude mussten weing. De Balken konnten aber gerettet warbn und derfen bald als Peremet an ene scheene Zeit erinnern.“

Statt dass diese also unachtsam entsorgt worden, erscheinen sie nun in einem sprichwörtlich neuen, weihnachtlichen Licht. Stützpfeiler als tragende Grundlage für Haus und Bergbau gewährten wie das traditionelle Handwerk den Menschen Rückzug und Schutz. Die Balkenpyramide vermittelt gerade zu Weihnachten diese Bedeutung der überzeitlichen Beständigkeit von Tradition.

Und auch das zu einem weihnachtlichen Lichterbogen umgearbeitete Transmissionsrad symbolisiert den Kreislauf von Vergehen und Entstehen. Jedes Stück eröffnet dergestalt eine Reise in die Geschichte und führt die Frage vor Augen, welche Werte im Leben bleiben und wirklich zählen.

Manufaktur – traditionelles Handwerk als gesellschaftliche Herzenspflege

Dadurch sieht auch sein Vater Gunnar Horatzscheck die Kriterien für eine Manufaktur erfüllt, was heute nach seiner Meinung oft als Modewort verwendet wird, wenn „jemand einmal nur per Hand einen Fertigbausatz zusammenbastelt.“ Die seit über Generationen überlieferten Handwerkstechniken der Erzgebirgskunst haben mit der importierten Billigware aus Asien überhaupt nichts zu tun; da fehle der überzeitliche Geist eines Volkes, das gute Material und die präzise Verarbeitung per Hand.

Deshalb verkaufen Gunnar und Norman Horatzscheck nur im Eigenbetrieb, um nicht mit der industriellen Massenproduktion in einem Verkaufsrahmen zu erscheinen. Ganz im Geist des traditionellen Handwerks sieht schon der Sohn Norman Horatzscheck seine Arbeit als „Dienst, da es ja Sachen irgendwo fürs Herz sind, die Freude machen, gerade in solchen Zeiten. […] Das macht’s halt warm, weil es in die Seele geht.“

Sohn Norman Horatzscheck wünscht sich für die Zukunft seines Handwerks, „dass die Leute wieder zu sich finden, und nicht immer das Schlechte überall bei sich hervorholen“.

Dass die Menschen genau wieder das unvergänglich Gute in sich erkennen und achtsam pflegen, zeichnet den Anspruch des traditionellen Handwerks aus. Es schenkt Zuversicht in einer scheinbar unübersichtlich gewordenen Welt. Ein Tagesbesuch in die vorweihnachtliche Werkstatt von Gunnar und Norman Horatzscheck kann daher auch Kindern und Jugendlichen die zuweilen in die Randgebiete des Bewusstseins verdrängte Handwerkskunst des Erzgebirges nahebringen.



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