Gutes Benehmen – gewusst wie!

Mit Freude, Herz und Verstand führt Charlotte Jung Menschen an gute Umgangsformen heran.

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Aufmerksamkeit und Höflichkeit sind die Basis respektvoller Beziehungen.Foto: iStock
Von 30. September 2023

Sie ist siebenfache Mutter, elffache Großmutter und 72 Jahre jung. Charlotte Jung liebt ihre große Familie und freut sich, wenn nun auch das jüngste Enkelkind, gerade neun Monate alt, schon gern am Familientisch Platz nimmt – im Hochstühlchen natürlich und mit gutem Appetit.

„Doch nur dann, wenn auch andere bei ihr mit am Tisch sitzen“, erzählt Frau Jung. Sehr schön könne man am intuitiven Verhalten ihrer jüngsten Enkelin erkennen, wie wichtig Umfeld und Atmosphäre schon für die Allerkleinsten sind.

Weitergeben, was man selbst erfahren durfte

Gern denkt die passionierte Mutter und Großmutter an ihre eigene Kindheit zurück, als Eltern und Großeltern sie mit viel Liebe und Konsequenz lehrten, wie viel Positives gutes Benehmen in jedem Einzelnen bewirkt, gleichzeitig aber auch zum guten Miteinander in einer Gesellschaft beiträgt.

Das beginne schon mit scheinbar kleinen Dingen: Mit dem täglichen gemeinsamen Essen am gedeckten Tisch, der bewussten Absage an Hektik und Unruhe und der freundlichen Zuwendung zum Anderen durch ein angenehmes Tischgespräch.

Grundlegende Kenntnisse, die ihr selbst durch Erziehung und Beispiel geschenkt wurden, gibt Charlotte Jung nun seit Jahren weiter – auch in Kindergärten. Erweitert hat sie ihr umfangreiches Wissen durch Studien in Psychologie, Theologie und der Ausbildung zur zertifizierten Knigge-Trainerin. Natürlich hat sie sich „intensiv mit der schillernden Person des Freiherrn von Knigge beschäftigt“, erzählt sie.

Freiherr von Knigge (1752–1796) auf einer Darstellung des späten 18. Jahrhunderts. Die Radierung wird im Reichsmuseum Amsterdam aufbewahrt. Foto: public domain

Über Menschen und Manieren

Die Originalausgabe seines schon zu Lebzeiten erfolgreichen Buches „Über den Umgang mit Menschen“ von 1788 sei „in Vielem tatsächlich immer noch unverändert aktuell“.

„Zusätzlich inspirierte mich ein Vortrag des äthiopischen Prinzen Asfa-Wossen Asserate, der seit Jahrzehnten in Deutschland lebt. Er hat sich tiefgreifende Gedanken zu Kultur und kultiviertem Verhalten gemacht und ein sehr kluges Buch mit dem Titel ‚Manieren‘ verfasst“, fährt Frau Jung fort.

Eine wunderbare Herausforderung sei es, all diese wertvollen und bereichernden Inhalte zu vermitteln – und das in allen Altersstufen.

Kinder lieben es, zu lernen

„Wann kommst Du wieder?“, fragen die Kindergartenkinder Frau Jung am Ende ihres Besuchs, bei dem sie Knirpsen ab vier Jahren Tipps und Tricks zeigt, wie man das gemeinsame Essen zu einer guten, gemeinsam verbrachten Zeit werden lässt.

„Inzwischen darf in vielen Kindergärten jedes Kind dann, wenn es gerade Lust verspürt, das Pausenbrot auspacken und verspeisen“ bedauert Frau Jung. „Bei dieser chaotischen Praxis kommt es nicht selten vor, dass die Kinder im Spieleifer völlig vergessen, irgendetwas zu essen oder zu trinken. Auch das Erlernen eines guten Miteinanders, das beim gemeinsamen Mittagstisch wunderbar eingeübt werden kann, fällt so völlig aus“, erklärt sie.

„Das ist sehr schade, denn ich weiß aus eigener Erfahrung, dass die Kinder große Freude am Erlernen von guten Tischmanieren haben.“

Für antiautoritäre Ohren mag das wie ein Widerspruch klingen, doch Frau Jung erlebt es immer wieder: „Benimmkurse machen den Kindern großen Spaß. Von den kleinen Geheimnissen der Erwachsenen zu erfahren, erfüllt sie mit Stolz. Was bedeutet es zum Beispiel, wenn Messer und Gabel wie ein großes X auf dem Teller platziert werden? Wohin legt man die Serviette, und warum? Weshalb ist es keine gute Idee, das Messer abzulecken?“

Ein lustiger Rabe begleitet Frau Jung immer auf ihren Kinder-Knigge-Kursen.
 Die Handpuppe hält zusammen mit ihrer Besitzerin für alle Situationen den passenden, freundlichen Ratschlag bereit.

Ein festlich gedeckter Tisch ist eine Augenweide. Foto: public domain

Erfahrungen sammeln und Sicherheit gewinnen

Auch Familienkurse bietet Charlotte Jung an und sieht hier die nachhaltigsten Erfolge ihrer Vermittlungsarbeit.
„Ideal ist es, wenn sich Familien ein Wochenende Zeit nehmen, um gemeinsam ihre Kenntnisse zu erweitern. Dabei entsteht lebendiges, gemeinschaftliches Lernen und so manches, fröhliche Aha-Erlebnis.“ Der Kurs beinhaltet ein mehrgängiges Abendessen in einem guten Hotel in der Nähe von Frankfurt, bei dem man das Erlernte mit Genuss üben und kleine Unsicherheiten beheben kann.

„Auch hier sind die Kinder meist ganz besonders aufmerksam.
Die Atmosphäre des Hotels bringt sie zum Staunen. Ruhig und konzentriert beobachten sie alles, was um sie herum geschieht“, berichtet Charlotte Jung. Doch sie erlebte auch anderes: „Seltsam still und abwesend wirkten bei einem der Kurse hingegen die Erwachsenen einer Familie. Mit gesenkten Blicken saßen sie am festlich gedeckten Esstisch – bis ich bemerkte, dass sie alle Nachrichten auf ihren Mobiltelefonen lasen“, erzählt die Trainerin.

„Die perfekte Gelegenheit, um allen Anwesenden deutlich aufzeigen zu können, dass Handys, Tablets und andere technische Geräte bei einem geselligen Beisammensein wie einem Familienessen fehl am Platz sind. Mobile Geräte und Medien drängen sich zwischen die Menschen und stören die echte, direkte und persönliche Kommunikation. Auch ein flimmernder Fernsehapparat oder ein vor sich hin tönendes Radiogerät lenken ab und bringen nur Lärm und Hektik in wertvolle Momente, die Ruhe und gegenseitige Aufmerksamkeit brauchen, um sich entfalten zu können.“

Warum eigentlich?

Jeder Kurs, den Charlotte Jung gibt, ist so unterschiedlich wie seine Teilnehmer. „Es kommt auch vor, dass Firmenchefs Mitarbeiter zu mir schicken, die ohne Knigge-Kurs nicht befördert werden würden. Zu Beginn solcher Kurse scheint der Widerwille gegen die als überflüssig empfundenen Regeln unüberwindbar zu sein, doch ich habe es immer wieder geschafft, Verständnis für den tieferen, schönen Sinn guten Benehmens zu wecken.“

„Oft stehen Materialismus und Nützlichkeitsdenken im Weg“ meint Charlotte Jung. „Fragen wie ‚warum soll ich mir das antun?‘, ‚was soll mir das denn bringen?‘, verkennen, dass der Mensch als soziales Wesen, gutes soziales Miteinander auch für seine eigene, persönliche Entwicklung dringend braucht.“

Denn ganz sicher geht es nicht um bequeme oder gar devote Anpassung. Im Gegenteil. Die Fähigkeit, sich in eine Situation einzufühlen, sich selbst zu beherrschen und Respekt zu üben, sind Zeichen von Intelligenz.

Bewundernswerte Eigeninitiative

Es ist noch nicht so lange her, dass Charlotte Jung einen Anruf erhielt und eine junge Stimme sie nach dem Preis einer Kursteilnahme fragte.
Er könne nur sein Taschengeld anbieten, sagte der Junge. Charlotte Jung machte es möglich.

Der wissbegierige 15-Jährige kam per Anhalter. Mit einer Mail bedankte er sich später höflich für die wunderbare Gelegenheit, so wichtige Einblicke in die Kunst des guten Benehmens erhalten zu haben. Charlotte Jung wird ihm wieder gern einen Platz in einem ihrer Kurse reservieren.

„Es ist eine wahre Freude, wenn ein junger Mensch von sich aus erkennt, wie schön und bereichernd gute Umgangsformen sind“, sagt sie.

Unsere Gesellschaft brauche diese Besinnung auf ihre nicht materiellen Schätze und guten Traditionen. „Oft reicht doch schon ein strahlendes Lächeln, ein Gruß, ein freundlicher Blick – und das Leben ist schöner.“

Die Vermittlung von gutem Benehmen ist für Charlotte Jung eine Herzensangelegenheit. Foto: privat

Angenehmes Verhalten ist freundlich, respektvoll und rücksichtsvoll

Hier einige einfache Regeln, die das zwischenmenschliche Miteinander schöner machen.

  • Smartphone und mobile Geräte sind vor allem bei geselligen Anlässen ein Stimmungs- und Kommunikationskiller. Auch in Theater oder Oper sind sie nervtötende Störenfriede. Deshalb lieber ausschalten und Nachrichten erst später in aller Ruhe lesen.
  • Pünktlichkeit ist eine Zier. Andere warten zu lassen, ist respektlos. Deshalb möglichst ausreichende Zeitpuffer in den Tagesablauf einplanen. Sollte trotzdem eine Verspätung unvermeidlich sein, telefonisch Nachricht geben.
  • Mit der Tür ins Haus fallen? Bitte nicht. Niemand wird gern überrumpelt. Persönliche Besuche immer vorab ankündigen.
  • Gute Tischmanieren sind wichtig.
  • Bei einer Essenseinladung wird immer dem Gastgeber der Vortritt gegeben. Mit einem „Zum Wohl“ und dem Heben des Glases fordert er seine Gäste auf, ebenso die Gläser dezent zu erheben und dann mit dem Essen zu beginnen.
  • Wie Messer, Gabel und Löffel ansprechend gehalten werden, sollte man auch Kindern so früh wie möglich lehren. So wird es eine lebenslange Selbstverständlichkeit.
  • Eine Serviette legt man beim Essen auf den Schoß. Zum dezenten Abtupfen führt man sie zum Mund, niemals zur Nase oder zur Stirn.
  • Nach dem Essen legt man die Serviette nie auf, sondern locker gefaltet neben den Teller.
  • Tischgespräche bitte nie mit vollem Mund führen. Das ist weder ästhetisch noch von akustischem Vorteil.


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