Gitarrist R.P.S. Lanrue tot – Mitbegründer von Ton Steine Scherben

Im Straßenkampf der 70er Jahre formiert sich die Band Ton Steine Scherben. Mitbegründer R.P.S. Lanrue ist nun gestorben. Auch Kulturstaatsministerin Roth – einst Managerin der Band – trauert.
Der Mitbegründer und Gitarrist der Rockgruppe Ton, Steine, Scherben ist tot. (Foto-Archiv)
Der Mitbegründer und Gitarrist der Rockgruppe Ton, Steine, Scherben ist tot.Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa
Epoch Times17. Juli 2024

Der als R.P.S. Lanrue bekannte Musiker Ralph Peter Steitz ist tot. Der Mitbegründer der Politrockband Ton Steine Scherben starb am Sonntag in Berlin im Kreise der Familie im Alter von 74 Jahren.

Lanrue hatte die Band 1970 mit Rio Reiser gegründet. Ralph Peter Steitz (Lanrue) und Ralph Christian Möbius (Reiser) verband eine Menge. Im hessischen Nieder-Roden liefen sie sich 1966 über den Weg. Lanrue brauchte einen Gitarristen und ließ Reiser einen Stones-Song vorspielen. Als Beat Kings und De Galaxis spielten sie Covers und erste eigene Songs.

Songs einer ganzen Generation

Kulturstaatsministerin Claudia Roth, einst Managerin der Band, zeigte sich in einer Reaktion sehr traurig und tief getroffen. „Das ist ein großer Verlust, auch für mich persönlich“, sagte die Grünen-Politikerin in einem Statement. „R.P.S. Lanrue war einer der wichtigsten Komponisten und Gitarristen unseres Landes.“

Aus der Zusammenarbeit mit Rio Reiser seien Songs entstanden, die den Sound einer ganzen Generation geprägt hätten. „Sie haben mit Ton Steine Scherben eine der politischsten Bands unseres Landes gegründet, die aber ebenso für große Kunst stand.“

Lanrue habe mehr als 50 Jahre Musik gemacht und geprägt und für eine kämpferische Idee der Verbindung von Musik und Politik gestanden. „Die Songs sind zeitlos, sie berühren heute noch genauso, geben Kraft“, so Roth.

Revolutionsmusik der 70er Jahre

Mit „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ oder „Keine Macht für Niemand“ lieferte die Band Ton Steine Scherben den Soundtrack für den revolutionären Teil der 70er Jahre. Tumult gehörte zur Band und zum Leben der Musiker. Gerade erst in Berlin gegründet, stand die Rockband um Leadsänger Rio Reiser 1970 auf der Insel Fehmarn das erste Mal gemeinsam auf der Bühne.

Das Love-and-Peace-Festival 1970 sollte eine Art deutsches Woodstock werden. Zur Empörung der Musiker ist die Tageskasse verschwunden. Die Politrocker spielen „Macht kaputt, was euch kaputt macht“. Reiser heizt die Fans noch auf. Die erste Scheiben-Single entfaltet ihre Urgewalt: Im allgemeinen Tumult geht die Bühne in Flammen auf.

Reiser ging nach West-Berlin, Lanrue folgte kurz darauf. Kurz darauf gründeten Reiser und Lanrue mit dem Bassisten Kai Sichtermann und dem Schlagzeuger Wolfgang Seidel Ton Steine Scherben. Im Laufe der Jahre sollte es zahlreiche Zuwächse, Auszeiten und Wechsel in der Besetzung geben.

Die Scherben lieferten auf drei Alben den Sound der Revolte: „Ich will nicht werden, was mein Alter ist“ symbolisierte den Generationenkonflikt, der „Rauch-Haus-Song“ ist Begleitung für Hausbesetzungen, „Keine Macht für Niemand“ standen für den Drang zu Freiheit und Anarchie.

Vieles von der Playlist zum Kampf gegen das Establishment spielte sich in Kreuzberg ab. Im geteilten Berlin war der Bezirk wie getrennt vom Leben des restlichen Westteils der Stadt, Battleground von Ton Steine Scherben. „Die Erfindung Kreuzbergs“ ist aus Sicht der „Tageszeitung“ die „historische Großtat von Ton Steine Scherben“.

Bescheidene Gagen und RAF

Bei vielen Events sollten die Scherben spielen. Die Gagen waren bescheiden, Veranstalter erwarteten Solidarität von der Band. Reiser, Lanrue und andere Musiker lebten am „T-Ufer“, eine Kommune am Tempelhofer Ufer. Offenes Haus. Viel Besuch, unangemeldete Eindringlinge, Polizeirazzien.

All das wurde Reiser und Lanrue Mitte der 70er Jahre zu viel, mit einer kleinen Scherben-Gemeinde zogen sie nach Fresenhagen in Nordfriesland. Dort entsteht das vierte Album „IV“, das selbst viele Scherben-Fans kaum kennen. „Mein Lieblingsalbum“, sagte Lanrue.

Im Gründerjahr der Politband formierte sich auch die Rote Armee Fraktion. Besuch von RAF-Leuten in der Berliner Scherben-Kommune war keine Seltenheit.

„Die gingen ja bei uns ein und aus“, erinnerte sich Lanrue. Trotzdem steckte aus Sicht des Musikers „nicht viel“ RAF in Ton Steine Scherben. „Obwohl wir viele Protagonisten kennengelernt haben, haben wir immer unser eigenes Programm gemacht“, sagte Lanrue. Bewaffneter Kampf und blanker Terror gehörten nicht dazu. (dpa/red)



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