Generation Z: Ein Rechtsruck in der Jugend?

AfD statt Greta – Die Ergebnisse der Europa- und Landtagswahlen in 2024 haben gezeigt, dass immer mehr junge Wähler der Generation Z in Deutschland der AfD ihre Stimme geben. Vor allem in Ostdeutschland haben bis zu 38 Prozent der 18- bis 29-Jährigen die AfD gewählt. Was sind die Beweggründe?
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Die als klimabewusst geltende Jugend hat gewählt, und zwar rechts.Foto: iStock/Grandbrothers
Von 11. Oktober 2024

Ende 2022 wurde das Mindestwahlalter für das aktive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament in Deutschland von 18 auf 16 Jahre abgesenkt, nur Union und AfD hatten gegen den Gesetzentwurf gestimmt.

In der Begründung für die Herabsetzung des Wahlalters schrieben die Koalitionsfraktionen, dass das derzeitige Mindestalter für das aktive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europaparlament Menschen vom Wahlrecht ausschließe, „die an zahlreichen Stellen in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen und sich in den politischen Prozess einbringen können und wollen“. Gerade die junge Generation werde durch Fragen betroffen sein, die aktuell Gegenstand demokratischer Entscheidungsprozesse sind, etwa Schutz des Klimas oder Regulierung des Internets.

Jugend wählt blau

Die Ergebnisse der Europawahl 2024 zeigten dann in der Zielgruppe der 16- bis 24-jährigen Ergebnisse, die die Befürworter der Herabsetzung der Altersgrenze auf 16 so sicher nicht prognostiziert hätten:

Die Erst- und Jungwähler in der Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen, gaben die meisten Stimmen an Union und AfD. Die Union bekam 17 Prozent (plus 5 Prozentpunkte im Vergleich zu 2019) und die AfD folgte mit 16 Prozent. Sie konnte gleich 11 Prozentpunkte gegenüber der letzten Europawahl bei der Jugend gutmachen. Die Grünen hingegen verloren mit 23 Prozentpunkten fast zwei Drittel und fielen auf nur noch 11 Prozent.

Ähnliche Tendenzen der Erst- und Jungwähler gab es bei den Landtagswahlen 2024 in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Die AfD holte dort:

Ebenfalls aufschlussreich sind die Wahlergebnisse der U18-Wahlen. Diese werden seit 1996 immer neun Tage vor einem offiziellen Wahltermin abgehalten. Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ, sondern vermitteln nur ein Stimmungsbild unter jungen Menschen, die noch nicht wählen dürfen. Bei der U18-Wahl in Thüringen haben 37,4 Prozent der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen ihr Kreuz bei der AfD gemacht.

Gleichzeitig gaben in der repräsentativen Jugendwahlstudie 2024 des Instituts für Generationenforschung 65 Prozent der befragten ostdeutschen Erstwähler und 74 Prozent der westdeutschen an, Angst vor der AfD zu haben. Die Spaltung der Gesellschaft im Großen findet also in der Jugend einen Spiegel.

Generation Greta – Generation Z

Die Alten sind konservativ, die Jugend wählt links oder grün – spätestens mit den Wahlen von 2024 ist diese klischeehafte Behauptung ausgehebelt. Die Jugend ist anders drauf. Die sogenannte „Gen Z“ umfasst Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden. Diese Generation ist die Erste, die vollständig im digitalen Zeitalter aufgewachsen ist. Sie zeigt sich stark geprägt von sozialen Medien. 2019 attestierte der „Stern“-Autor Marc Goergen dieser Generation ein hohes politisches Engagement:

Die Optimierung des Lebenslaufs ist nicht mehr das alleinige Ziel, sondern auch: die Welt zu verbessern.“

Damals stand die Teilnahme am politischen Leben noch im Geiste einer starken Fridays-for-Future-Bewegung mit ihrer Symbolfigur Greta Thunberg. Generationsforscher Rüdiger Maas schrieb dazu, dass Generation Z auch „Generation Greta“ sei.

Wie konnte es also zu einem Rechtsruck in der „Gen Z“ kommen? Maas erklärt das im ZDF bei Markus Lanz mit der Auflösung des „Rechts-Links-Schemas“. „Jugendliche sähen die AfD nicht als rechtsextrem an“, wird der Generationsforscher zitiert.

Keine politische Rechts-Links-Orientierung mehr

Maas hat die Jugendwahlstudie erhoben. Etwa 35 Prozent der Studienteilnehmer hätten sich demnach auf einer Skala der politischen Orientierung nicht einordnen können. Sie sagen:

Diese Links-Rechts-Einteilung macht für mich gar keinen Sinn. Ich finde mich da auch nicht wieder.“

Die AfD sei für viele junge Menschen überhaupt keine extremistische Partei, sondern eine nahbare Partei der konservativen Mitte. Die AfD wird als rechtskonservativ eingeschätzt, das BSW wurde als links konservativ eingeschätzt.

Für junge AfD-Anhänger seien Parteien, die nicht mit der AfD koalierten, „automatisch links“ und „weg von meinem Spektrum“. Demnach werde sogar die CDU vom Nachwuchs als links eingeordnet.

In der Studie wird auch deutlich, dass 41 Prozent der Jungwähler der Aussage zustimmen, „der Regierung sind wir einfachen Menschen egal“.

32 Prozent der zwischen 16- und 25-Jährigen haben zudem das Gefühl, dass die Regierung gegen die Bevölkerung arbeitet. Unter den jungen AfD-Wählern glauben das sogar über 70 Prozent.

Migration als Hauptproblem

In der Jugendwahlstudie heißt es:

Asyl-Migration wird als wichtiges Problem von nahezu allen Befragten genannt, unabhängig ihrer potenziellen Parteizugehörigkeit.“

Es gibt einen einfachen Grund dafür, dass das Thema Migration in der Lebenswirklichkeit von Jugendlichen häufig eine viel größere Rolle spielt als für Erwachsene, die sich in einem Arbeitsumfeld bewegen. Insgesamt 5,1 Millionen minderjährige Kinder in Deutschland leben in Familien mit Migrationshintergrund. Das macht mittlerweile einen Anteil von 39 Prozent an allen minderjährigen Kindern in Deutschland aus.

In der Studie heißt es dazu: „Auffällig war eine Unterscheidung zwischen: Menschen mit Migrationshintergrund die sich ‚integrieren‘ und die, die dies vermeintlich nicht tun.“

Helikopter-Eltern schuld am Rechtsruck?

Als weiteren Erklärungsversuch liefert Generationenforscher Maas im ZDF die Begründung, dass Jugendliche heutzutage die Verantwortung in den Staat hinein externalisierten. Das widerspricht der These eines erstarkten politischen Engagements der „Gen Z“.

Maas begründet seine Beobachtung damit, dass Kinder heute behüteter aufwüchsen. Es gebe eine höhere Anzahl von „Intensivelternschaften“, sprich, „Helikopter-Eltern“. Weil die Eltern ihren Kindern sehr viel Verantwortung abnehmen würden, so Maas, werde diese von den Jugendlichen auf den Staat übertragen: Der soll verantwortlich dafür sein, „dass ich einen tollen Studienplatz bekomme, dass ich einen tollen Arbeitsplatz bekomme. (…) Dadurch habe ich auch ein Gefühl von Ohnmacht, wenn der Staat das eben nicht so macht.“

Junge Menschen würden heute schon „an Kleinigkeiten zerbrechen“, weil sie nie gelernt hätten, selbst Bewältigungsstrategien zu entwickeln, so der Psychologe.

Die Sorgen der jungen Menschen …

Die größten Sorgen der jungen Menschen in Deutschland sind aktuell Inflation (65 Prozent), teurer Wohnraum (54 Prozent) und Altersarmut (48 Prozent), aber auch die Spaltung der Gesellschaft (49 Prozent) oder die Zunahme von Flüchtlingsströmen (41 Prozent).

Das führe zu hoher Unzufriedenheit der jungen Generation mit ihrer Lebenssituation und den politischen Verhältnissen, so die Ergebnisse von „Jugend in Deutschland“. In dieser Jugendstudie der Hertie School Berlin wird der sogenannten „Gen Z“ eine „tiefsitzende mentale Verunsicherung“ bescheinigt, die auch zum Rechtsruck geführt habe.

Der AfD sei es gelungen, sich bei jungen Menschen als „Problemlöser für die aktuellen Sorgen anzubieten“. Dies wird von den Studienmachern auf das Mediennutzungsverhalten der „Gen Z“ zurückgeführt. Die Jugend informiere sich hauptsächlich in den sozialen Medien, wo die AfD eine besonders hohe Reichweite habe.

In der Studie gaben die befragten jungen Menschen an, stark politisch informiert zu sein. Nur sieben Prozent der Befragten bezeichneten sich als nicht politisch interessiert.

Viele, auch junge Menschen, seien beispielsweise während der Corona-Erfahrung in die alternative Medienlandschaft gewandert, weiß auch Generationenforscher Rüdiger Maas zur Mediennutzung der Jugend.

Seit Corona: Vertrauen in Politik verloren

Was die mitunter auch als „Corona-Generation“ bezeichnete Generation Z aus der Pandemie mitgenommen hat, wird im Kinder- und Jugendbericht des BMFSFJ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) wie folgt beschrieben:

Die Einführung strenger Maßnahmen zur Virus-Eindämmung hat das Bildungs- und Betreuungssystem stark beeinflusst und tiefgreifende Veränderungen in den sozialen Strukturen junger Menschen bewirkt. Junge Menschen fühlten sich während dieser Zeit häufig übersehen, ihre Bedürfnisse und Rechte wurden in den öffentlichen Diskursen und politischen Entscheidungen kaum behandelt. Diese Erfahrungen haben bei vielen zu einem Verlust des Vertrauens in politische Systeme geführt.“



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