Forsa: „Jeder Fünfte glaubt an Verschwörungserzählungen“ – Tendenz fallend

Nach Auffassung des Kommunikationsforschers Prof. Dr. Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim besitzen aktuell 19 Prozent der Deutschen ein „rechtspopulistisches“ Weltbild. Jeder Fünfte hat kein Vertrauen in die Massenmedien. Der Trend zeigt allerdings nach unten.
Titelbild
Das Symbolbild zeigt ein Protestplakat mit der Aufschrift „Wahrheit statt Lügenpresse!“. Nach einer Forsa-Umfrage hat jeder fünfte Deutsche kein Vertrauen mehr in die Massenmedien.Foto: Daniel Naupold/dpa/dpa
Von 17. Juli 2024

Verschweigt die Regierung der Bevölkerung die Wahrheit? 26 Prozent aller Deutschen stimmen dieser Frage zu, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa jüngst zutage förderte. Dass es in Deutschland geheime Organisationen gibt, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben, glauben 23 Menschen von hundert. Ein gutes Fünftel, nämlich 21 Prozent, denken, dass Politiker und andere Führungspersönlichkeiten nur „Marionetten“ seien, deren Fäden von anderen gezogen würden. Zwölf Prozent sehen in Deutschland inzwischen mehr eine Diktatur als eine Demokratie.

Genau jeder fünfte Deutsche hat laut Forsa zudem kein Vertrauen mehr in die Massenmedien: 20 Prozent gingen davon aus, dass die Bevölkerung von ihnen „systematisch belogen“ werde. Noch ein Prozent mehr glaube, dass Medien und Politik zusammenarbeiteten, „um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren“. Genauso viele sind überzeugt, dass Medien und Politik unter einer Decke steckten und die Herrschenden die Auswahl in der Berichterstattung vorgäben.

Daten zum Thema „Lügenpresse“ aus dem Demokratiemonitoring der Uni Hohenheim, Stand 17. Juli 2024. Foto: Bildschirmfoto/Universität Hohenheim

Daten zum Thema „Lügenpresse“ aus dem Demokratiemonitoring der Uni Hohenheim, Stand 17. Juli 2024. Foto: Bildschirmfoto/Universität Hohenheim

Forsa hatte im Mai und Juni 2024 genau 5.005 Bürger über 16 Jahren mit jeweils 22 Aussagen zu den Themen Demokratiezufriedenheit, Vertrauen in politische Institutionen und Verschwörungserzählungen konfrontiert. Die Befragten sollten den Grad ihrer Zustimmung oder Ablehnung angeben. Den Auftrag dazu hatte der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim erteilt, um ein aktuelles Stimmungsbild für sein jährliches „Demokratiemonitoring“ zeichnen zu können. Am 17. Juli 2024 wurde die Auswertung des Zahlenwerks in Stuttgart vorgestellt (PDF).

19 Prozent besitzen „rechtspopulistisches“ Weltbild

Nicht jede einzelne der 22 zu bewertenden Aussagen aus der Forsa-Umfrage sei populistisch gewesen, heißt es in der Pressemitteilung der Uni Hohenheim. In Summe aber gäben die Antworten „Aufschluss über den Populismus-Grad“ der Leute. Nach diesem Ansatz besitzen in den Augen von Prof. Frank Brettschneider somit aktuell 19 Prozent der Deutschen ein „rechtspopulistisches“ Weltbild: elf Prozent zu einem „starken Grad“, acht Prozent sogar zu einem „sehr starken Grad“.

Besonders stark verortet sei das Phänomen im Osten Deutschlands. Dort pflegten 29 Prozent ein rechtspopulistisches Weltbild nach den Maßstäben Brettschneiders. In den westlichen Bundesländern habe er so etwas nur bei 17 Prozent der Befragten gefunden. Ein tiefes Misstrauen gegen die Massenmedien sei im Osten zudem bei einem Drittel der Menschen anzutreffen.

Grundsätzlich gelte die Faustformel: Je höher die formale Bildung, desto seltener werde ein rechtspopulistisches Weltbild vertreten.

Auch das Alter scheint eine Rolle zu spielen: In der Gruppe der 45- bis 59-Jährigen herrsche rechtspopulistisches Gedankengut bei 24 Prozent vor, in der Gruppe der 16- bis 29-Jährigen nur bei zehn Prozent.

Daten zum Thema „Politische Eliten“ aus dem Demokratiemonitoring der Uni Hohenheim, Stand 17. Juli 2024. Foto: Bildschirmfoto/Universität Hohenheim

Daten zum Thema „Politische Eliten“ aus dem Demokratiemonitoring der Uni Hohenheim, Stand 17. Juli 2024. Foto: Bildschirmfoto/Universität Hohenheim

Pessimismus, negative Wahrnehmung von Lebensqualität und Wirtschaftslage

Am deutlichsten aber werde der Unterschied im Blick auf die Welt bei der Parteipräferenz: Während unter den Wählern der Grünen nahezu niemand (ein Prozent) ein rechtspopulistisches Weltbild habe, seien es bei den AfD-Anhängern 84 Prozent. Sogar 85 Prozent der AfD-Sympathisanten hätten zudem der Aussage zugestimmt, nach der die Regierenden das Volk betrügen würden. In der Gesamtheit der Deutschen dächten das nur rund ein Viertel. Und vier von fünf AfD-Wählern würden unterschreiben, dass die Bevölkerung in Deutschland von den Medien systematisch belogen werde.

Aus diesen Befunden leitete Studienleiter Brettschneider auch sein Klassifizierungsschema ab: „Da der Populismus-Grad immer größer wird, je weiter rechts sich die Befragten auf der Links-Rechts-Skala einschätzen, ist es gerechtfertigt, von Rechtspopulismus zu sprechen.“ Und weiter: „Ein rechtspopulistisches Weltbild geht einher mit Pessimismus, einer negativen Wahrnehmung der Lebensqualität und der Wirtschaftslage im eigenen Bundesland und mit einem nostalgischen Blick in die Vergangenheit.“

Brettschneider: „Kommunikations-Kosmos der AfD-Wählerschaft“ ein anderer

Während insgesamt 36 Prozent der Deutschen pessimistisch in ihre persönliche Zukunft blickten, seien es unter den „Rechtspopulisten“ 80 Prozent. Letztere seinen zur Hälfte der Auffassung, dass früher „alles viel besser“ gewesen sei. In der Gesamtheit glaubten das nur 13 Prozent.

Höchstwahrscheinlich spiele auch die Art des Medienkonsums eine Rolle: Social-Media-Plattformen und Internetseiten würden von AfD-Wählern deutlich häufiger genutzt als von den übrigen Wählern. Besonders beliebt seien unter den AfD-Anhängern YouTube, bestimmte Messenger-Dienste und Facebook, aber auch X und TikTok würden öfter angeklickt als von Gruppen mit anderen politischen Präferenzen. „Der gänzlich andere Kommunikations-Kosmos der AfD-Wählerschaft führt zu einer anderen, nämlich negativen Sicht auf die Gegenwart“, schließt daraus Studienleiter Brettschneider.

Misstrauen insgesamt leicht gesunken

Die aktuellen Zahlen zeigen allerdings: Die Menge derjenigen, die an Erzählungen wie an jene der verborgenen Mächte hinter den Kulissen glauben, sind innerhalb eines Jahres in Deutschland wieder leicht gesunken. Nur drei Beispiele aus dem Demokratiemonitoring des Jahres 2023 (PDF):

  • Dass es in Deutschland geheime Organisationen gibt, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben, glaubten vor einem Jahr noch 26 Prozent der Deutschen – drei Prozent mehr als heute.
  • Dass Politiker und andere Führungspersönlichkeiten nur „Marionetten“ seien, dachten vor einem Jahr noch 25 Prozent der Deutschen. Das waren vier Prozent mehr als aktuell.
  • Der Aussage „Unser Land gleicht inzwischen mehr einer Diktatur als einer Demokratie“ stimmten 2023 noch 16 Prozent der Befragten zu – ebenfalls vier Prozent mehr als heute.
Umfragedaten zum Thema „Bedrohung durch geheime Mächte“ aus dem Demokratiemonitoring der Uni Hohenheim, Stand 17. Juli 2024. Foto: Bildschirmfoto/Universität Hohenheim

Umfragedaten zum Thema „Bedrohung durch geheime Mächte“ aus dem Demokratiemonitoring der Uni Hohenheim, Stand 17. Juli 2024. Foto: Bildschirmfoto/Universität Hohenheim

Während die Daten aus dem aktuellen Demokratiemonitoring 2024 der Bevölkerung in der Gesamtschau zu 19 Prozent ein rechtspopulistisches Weltbild attestieren, hatte der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, im November 2020 noch einem Drittel der Deutschen eine Neigung zu Verschwörungserzählungen zugeschrieben. Hintergrund waren die Proteste gegen die Corona-Politik.

Die Leipziger Autoritarismusstudie des Jahres 2020 (PDF) habe damals festgestellt, so Klein, dass sich das Spektrum der Demonstranten über Esoterikbegeisterte, Heilpraktiker und Friedensbewegte bis zu Reichsbürgern und „offen Rechtsextremen“ erstrecke. „Antisemitisch mindestens aufladbare Verschwörungsmythen und auch ganz offene Erzählungen über angeblich geheime Mächte im Hintergrund“ bezeichnete Klein als das „Hauptvehikel solcher Einstellungen“ (Video auf YouTube).



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