„Eine der schwersten Bildungskrisen“ – bundesweite Protestwelle im Herbst

Am 23. September gibt es einen bundesweiten Bildungsprotesttag, mit dem Druck auf die Politik ausgeübt werden soll. Dabei geht es nicht nur um mehr Geld für Schulen und Kitas.
Titelbild
Kundgebungn vor dem Bundeskanzleramt am 15. Juni während der Ministerkonferenz.Foto: Bildungswende Jetzt
Von 11. September 2023

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Ein bundesweiter Appell zur Bildungswende vereint eine breite Masse an Akteuren, die sich für eine Bildungswende aussprechen. Eltern, Schüler, Lehrer, Sozialarbeiter, Erzieher, Wissenschaftler, Gewerkschaften und verschiedene Bildungsorganisationen verbindet die Vision einer zukunftsfähigen und inklusiven Bildung. Mehr als 170 Organisationen haben sich bislang der Initiative angeschlossen. Am 23. September wollen sie gemeinsam bundesweit auf die Straße gehen.

„Unsere Gesellschaft erlebt aktuell eine der schwersten Bildungskrisen seit Gründung der Bundesrepublik“, heißt es vom Bündnis „Bildungswende jetzt“.

Kritisiert wird ein enormer und sich vergrößernder Mangel an Lehrern und Erziehern sowie ein „veraltetes, unterfinanziertes und segregiertes Bildungssystem, das sozial ungerecht ist“. Kinder und Jugendliche würden viel zu selten ausreichend auf die Zukunft vorbereitet und notwendige Aufgaben wie Digitalisierung und Inklusion zu lange verschlafen werden. Bis zum Jahr 2035 fehlen demnach 160.000 Lehrkräfte, 384.000 Kitaplätze und über 300.000 zusätzliche Erzieher bundesweit.

Schlechte Bedingungen, schlechte Leistung

Wie jüngste Erhebungen zeigen, gibt es erhebliche Defizite bei Schülern im Lesen, Schreiben und Rechnen. Eine zusätzliche Belastung ist der wachsende Mangel an Lehrer und Erziehern.

Viele Kitas und Schulen beklagen, dass sie aufgrund der nicht kindgerechten Personalausstattung und der Überlastung ihren Bildungsauftrag nicht mehr erfüllen können. Knapp 50.000 junge Menschen verlassen jedes Jahr die Schule ohne Abschluss.

Schlechte Lernbedingungen erzeugen schlechte Leistungen“, so das Fazit der Initiative.

„Die Bildungskrise raubt Kindern und Jugendlichen Zukunftschancen, verbaut ihnen Lebenswege und erschwert gesellschaftliche Teilhabe“, heißt es weiter in dem Appell. Das gehe nicht nur zulasten der Lehrer und Erzieher. Auch Familien würden die Auswirkungen zu spüren bekommen.

Die Folgen für die Gesellschaft seien enorm, denn Bildung sei abhängig von der sozialen Herkunft. Die derzeitige Bildungspolitik verfestige damit die Spaltung der Gesellschaft und beschädige das Vertrauen in die Demokratie.

„Das Bildungssystem muss Zukunftskompetenzen fördern und den großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst werden.“ Dabei gehe es vor allem um die Klima- und Biodiversitätskrise, aber auch den veränderten Umgang mit Wissen und Medien.

Yoga statt Arbeitsentlastung

Empörung rief eine Empfehlung im Anschluss an die Kultusministerkonferenz im Januar 2023 hervor. Dort wurde dem Lehrermangel mit Maßnahmen wie Mehrarbeit, Einschränkungen von Teilzeit und Yoga als Stress-Ausgleich begegnet. Dass ein Teil dieser Vorschläge in manchen Bundesländern gerade Realität wird, findet die Initiative „umso erschreckender“. Denn auf diese Weise werde der Lehrermangel auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen.

Weitere Kritik gab es für den „Bildungsgipfel“ im März, der gerade einmal drei Stunden gedauert habe. Niemand, der täglich in einer Schule oder Kindertagesstätte lernt oder arbeitet, sei hier zu Wort gekommen.

Die Initiative stellt auch die Frage in den Raum, ob politische Entscheidungsträger in Bund und Ländern die formulierten Bildungsziele überhaupt noch ernst nehmen. Denn im Jahr 2008 hatte die Regierung auf dem Dresdener Bildungsgipfel beschlossen, zukünftig zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts anteilig für Bildung (sieben Prozent) und Forschung (drei Prozent) auszugeben.

„Fast 15 Jahre später ist dieses Ziel nicht erreicht und wieder in Vergessenheit geraten“, so die Organisatoren des bundesweiten Demo-Tages.

Lösungen gegen Bildungskrise

Inzwischen haben die Akteure vier Forderungen zusammengetragen, die sie im Rahmen einer Petition auf „change.org“ veröffentlichten. 75.000 Unterschriften haben sie bereits erreicht. Mit dem ihrem darin enthaltenen Appell richtet sich die Initiative an Bundeskanzler Olaf Scholz, die Regierungen von Bund und Ländern sowie die Kultusminister.

Um die Bildungskrise abzuwenden, werden verschiedene Ansätze vorgeschlagen, darunter

  • eine Verankerung von verbindlichem Lerninhalt im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung
  • schülerorientierte Lehrpläne, um Freiräume für intellektuelle, emotionale und soziale Entwicklung der Schüler zu schaffen und die Bildungsqualität zu erhöhen
  • alternative Leistungsbewertungen
  • die Aufnahme einer Lehrkräftebildung im Staatsvertrag, sodass alle Bundesländer verpflichtet sind, eine genügende Anzahl von Lehrern auszubilden und gegenseitig Studienabschlüsse anzuerkennen
  • Einbeziehung von mehr Praxis im Lehramtsstudium sowie „neue Wege ins Lehramt“
  • ein Plan zur Sicherstellung attraktiver Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen für qualifizierte Pädagogen und vieles mehr.

Finanzielle Aufstockung

Die Initiative setzt sich dafür ein, dass, wie beim Dresdner Bildungsgipfel 2008 vereinbart, mindestens zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts jährlich für Bildung und Forschung eingesetzt werden.

Außerdem wird ein „Sondervermögen Bildung“ gefordert, das mit mindestens 100 Milliarden Euro beziffert werden. Hiervon sollen notwendige Investitionen in Kitas und Schulen finanziert werden. Beides müsse im Haushalt festgeschrieben werden.

An Schulgebäuden wird der Bedarf an notwendigen Sanierungsarbeiten – man spricht auch vom Sanierungsstau – auf mehr als 45 Milliarden Euro geschätzt, berichtet „news4teachers“. Weitere zehn Milliarden Euro fehlen als dringende Bauinvestitionen im Bereich der Kitas.

Allein in Bremen hatte der rot-grün-rote Senat Ende 2022 den Sanierungsstau an Schulen und Kitas mit 700 Millionen Euro geschätzt. „Das ist einfach erschreckend! Dadurch zeigt sich, wie nachlässig der Senat seit Jahrzehnten mit den Bildungseinrichtungen in Bremen umgegangen ist“, kritisierte Thore Schäck, FDP-Landesvorsitzer in der Bremer Bürgerschaft.

Mehr Beteiligung in Bildungspolitik

Letztlich spricht sich die Initiative für einen „echten Bildungsgipfel auf Augenhöhe“ aus. Nur wenn Vertreter der Gesellschaft und Bildung zusammenkommen, könnte man über Auswege in der Bildungskrise und den Aufbau „eines gerechten, inklusiven und zukunftsfähigen Bildungssystem“ diskutieren.

Die Entscheidungen, die in den nächsten Wochen und Monaten von der Politik getroffen würden, hätten schließlich einen maßgeblichen Einfluss auf Biografien, Zukunftschancen sowie Lern- und Arbeitsbedingungen.

Bislang wurden 28 Orte gemeldet, in denen am 23. September zu unterschiedlichen Zeiten demonstriert werden soll. Einige Veranstaltungen beginnen symbolisch um fünf nach zwölf.



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