Drag-Lesung: Hunderte Menschen demonstrieren vor Münchner Stadtbibliothek
Vor der Tür gibt es Sympathiebekundungen, Pfiffe und wütenden Protest, drinnen werden Bilderbücher vorgelesen mit der Botschaft: Trau dich, so zu sein, wie du bist. Doch weil die Vorleser in einer Münchner Stadtbibliothek Drag-Queen Vicky Voyage und Drag-King Eric BigClit sind, hatte unter anderem die AfD zum Protest aufgerufen. Schon im Vorfeld hatte die Ankündigung für Kritik gesorgt.
So etwa vonseiten der CSU und der Freien Wähler. Letztere forderten, die Lesung abzusagen, berichtete Epoch Times. Auch die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) hatte sich im Vorfeld äußerst kritisch geäußert. „Was die örtlichen Grünen als Vielfalt feiern, ist in Wahrheit knallharte queere Identitätspolitik. Hier werden Grenzen nicht nur überschritten, sondern eingerissen“, schrieb die Schweizer Tageszeitung in einem Artikel.
Katholischer Priester wittert Generalverdacht
„Hände weg von unseren Kindern“, heißt es auf Plakaten der AfD. Zu sehen sind auf dem Bild ein Junge und ein Mann mit roten Haaren, Bart und Make-up. Der Mann greift scheinbar nach dem Kind. Dem katholischen Priester Wolfgang Rothe geht das zu weit. Der Münchner Geistliche, laut „tz“ dafür bekannt, die queere Szene zu unterstützen, wittert Generalverdacht gegen Drag-Queens, die pauschal als Missbrauchstäter verunglimpft würden. Daher zeigt er die AfD wegen Volksverhetzung an. Ihm gleich tut es die bayerische Linke.
Doch kann das Kreisverwaltungsreferat (KVR) als Sicherheits- und Ordnungsbehörde das Plakat nicht verbieten: „Nach sorgfältiger rechtlicher Prüfung kann das KVR keine eindeutige Erfüllung eines Straftatbestandes feststellen. Nur dann aber wäre es dem KVR rechtlich möglich, diese Plakatierung zu untersagen“, heißt es in einem Bericht, aus dem der „Münchner Merkur“ zitiert.
Demonstranten sind laut und friedlich
Andere Protestler warnen vor einer Frühsexualisierung. Laut „Deutsche Presse-Agentur“ (dpa) müssen es etwa 250 Menschen sein, die gegen die Veranstaltung auf die Straße gegangen sind. Denn die Zahl der Befürworter ist mit rund 500 doppelt so hoch, vermeldet dpa. Rund 500 junge Menschen, viele bunt geschminkt und kostümiert, erheben ihre Stimmen gegen Hetze und für Diversität und Toleranz – lautstark, aber friedlich, wie die Polizei feststellt, die mit etwa 200 Einsatzkräften vor Ort ist.
Für Kinder ab vier Jahren bot die Bibliothek die Lesung mit den Drag-Künstlern an, die mit ihren Kostümen und ihrer auffälligen Schminke in eine Kunstfigur schlüpfen, wie ein Schauspieler in eine Rolle. Und die bewusst damit spielen, dass ein Mann Frauenkleider trägt. „Wir brauchen Vorbilder, die zeigen, dass es okay ist, anders zu sein, das ist die schlichte Botschaft“, meint Arne Ackermann, Direktor der Stadtbibliothek. Der 57-Jährige leitet das „bundesweit größte kommunale Bibliothekssystem“ seit 2013.
Mitglieder der Identitären Bewegung verhaftet
Die Gegner der Lesung sehen das allerdings anders als Ackermann. „Ein Mann, der sich als Frau verkleidet und sich große Klitoris nennt – allein wenn der sich schon vorstellt, transportiert er eine sexuelle Erregung, die er den Kindern aufdrängt“, schimpft eine Psychotherapeutin. Zwischendurch verschaffen sich sieben Jugendliche der Identitären Bewegung Zutritt zur Bibliothek. Die Lesung finden sie nicht, sie ist in einem anderen Bereich. Kurz darauf führt die Polizei die Jugendlichen ab.
Aufreizende Kleider, Geschlechtsteile und sexuelle Anzüglichkeiten gibt es bei der Lesung nicht. „Fehlanzeige“, schreibt dpa. Hingegen werde „gelacht, gesungen und erzählt“. Vicky Voyage schwebt im Prinzessinnenkleid herein, mit schwingendem Rock und Zopf-Perücke. Schnell wird klar, wen sie darstellt: „Lass jetzt los“, singt sie Prinzessin Elsas Lied aus dem Film „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“. Ihr Begleiter stellt sich den Kindern als Prinz Eric vor, im Gewand des „Kleinen Prinzen“ von Antoine de Saint-Exupéry.
Trans-Autorin sagt aus Sicherheitsgründen ab
Gebannt lauschen laut „Bild“ etwa 70 große und kleine Zuhörer der Botschaft, sich nicht zu verbiegen und nichts auf die Meinung anderer zu geben.
In „Der Junge im Rock“ zum Beispiel geht ein Bub im Rock in den Kindergarten. „Echte Jungs ziehen Hosen an“, lästern die Kinder. Felix ist verunsichert – bis sein Vater eine Idee hat.
Mit dabei sein wollte eigentlich auch die 13-Jährige Julana Gleisenberg, in der Ankündigung als „Trans-Autorin“ vorgestellt. Doch angesichts des zu erwartenden Protests hatte sie aus Sicherheitsgründen ihre Teilnahme abgesagt, hieß es vonseiten der Bibliothek.
Kritiker der Lesung äußerten schon vor Wochen Bedenken. Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, fürchtete Kindeswohlgefährdung. Und in den sozialen Medien war von „Perversen“ und „Kinderfressern“ die Rede.
Auch Bibliotheksleiter Ackermann berichtet von Drohungen. Laut „Münchner Merkur“ gingen rund 100 Drohungen und Proteste per E-Mail ein. Zudem beschmierten am Abend vor der Veranstaltung Unbekannte die Stadtbibliothek mit Farbe.
(Mit Materialien von der Agentur)
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