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plus-iconAbsage eines Investors

Doch keine Pflegeschule mit Kita: Zu viele AfD-Wähler vor Ort und Unsicherheit in der Pflege

Ein Pflegeunternehmer von der schwäbischen Alb hat seine Pläne verworfen, eine Kita und eine Pflegeschule in Onstmettingen zu bauen. Einer der beiden Hauptgründe: Aus seiner Sicht hätten zu viele Bürger vor Ort die AfD gewählt.

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Das Städtchen Onstmettingen auf der Schwäbischen Alb hatte sich schon auf einen privat finanzierten Kita-Bau durch einen Pflegeunternehmer gefreut – doch der nimmt nach der Bundestagswahl Abstand von seinen Ursprungsplänen.

Foto: Julian Stratenschulte/dpa

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Lesedauer: 6 Min.

Der Albstadter Stadtteil Onstmettingen auf der Schwäbischen Alb bekommt nun doch keine private Pflegeschule mit angeschlossener Kita: Der Investor Kaspar Pfister verzichtet auf sein Bauvorhaben, weil sich unter den Bewohnern des 6.000-Einwohner-Städtchens aus seiner Sicht zuletzt zu viele Wähler für die AfD entschieden hatten. Der „Schwarzwälder Bote“ hatte als erstes Medium über den Fall berichtet.
Bei der Bundestagswahl war die AfD in ganz Baden-Württemberg auf 19,4 Prozent gekommen. In Albstadt hatten 27,73 Prozent der Wähler ihre Zweitstimme an die AfD vergeben. In zwei Wahllokalen des Stadtteils Onstmettingen waren es nach Angaben des Oberbürgermeisters Roland Tralmer (CDU) sogar 37 und 33 Prozent.
Offenbar zu viel für Kaspar Pfister, den Chef des Mössinger Pflegeunternehmens Benevit, Autor des Buchs „Die Pflegekatastrophe“, ehemaliger Oberamtsrat und ebenfalls CDU-Parteimitglied.

Bauträume zerplatzt

Wie Pfister auf Anfrage der Epoch Times mitteilte, hatte seine schon länger schwelende Idee einer Pflegeschule speziell für 75 ausländische Azubis konkret im Jahr 2023 Gestalt angenommen. Sie sollte sich „neben der klassischen Pflegeausbildung auch um Integration, Sprache, Kultur usw.“ kümmern. OB Tralmer sei nach einem Gespräch im vergangenen Jahr für die Realisierung in Onstmettingen offen gewesen.
Nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“ sei Pfister bereit gewesen, etwa 10 Millionen Euro für einen Bau auf dem leer stehenden Gelände einer Textilfabrik unweit des örtlichen Benevit-Pflegeheims zu investieren. Das Lern- und Wohnhaus hätte nach Pfisters Plänen auch eine Kita in Trägerschaft Albstadts beherbergen sollen.

Pfister: „Konflikte wären vorprogrammiert“

Nun aber sei das bereits „in konkrete Planung gegossene Projekt schweren Herzens“ vom Tisch, so Pfister. „In einer 6.000-Einwohner-Gemeinde eine Schule mit Internatsunterbringung für 75 ausländische Schüler aufzubauen, ist eine Herausforderung für alle, auch für die Bevölkerung“, betonte er auf Nachfrage der Epoch Times.
„In einem Gemeinwesen, das sich zu 37 Prozent für eine politische Haltung ausspricht, die Remigration usw. als Ziel“ verfolge, wären aus seiner Sicht „Konflikte vorprogrammiert, ein hohes und nicht kalkulierbares Risiko“, und zwar sowohl für die Gemeinde als auch für die ausländischen Azubis.
Auch OB Tralmer glaubt nicht an die Akzeptanz der Onstmettinger AfD-Wähler: „Das Investitionsrisiko ist zu hoch“, so der Kommunalpolitiker laut „Schwäbische“. Dabei werde man seiner Meinung nach auf Dauer nicht um „gesteuerte Zuwanderung“ für die Pflege älterer oder behinderter Menschen herumkommen. „Meinen Rollstuhl wird einmal keine Original-Schwabe schieben“, habe Tralmer zu bedenken gegeben.

Verlässlichkeit und Stabilität laut Investor nicht gegeben

Die „absolute Unsicherheit in der Pflege“ habe seine Investitionslust ebenfalls ausgebremst, ergänzte Pfister gegenüber der Epoch Times. Man wisse nicht, woher das Personal kommen solle, was sich im Hinblick auf Finanzierung und Regeln ändern und was die angekündigte Pflegereform noch erbringen werde:
„Für Investitionen braucht es Verlässlichkeit, Stabilität und ich muss wissen, was gilt in 3-5-10-20 Jahren. Die Investition in ein Gebäude ist nur langfristig refinanzierbar. Deshalb muss auch die Nutzung langfristig gesichert sein.“
Pfister kritisiere laut „Schwäbischer“ auch den Mangel an Begeisterung für sein „Stambulant“-Konzept, das Elemente der stationären und der ambulanten Pflege zusammenführt. Über ein Pilotprojekt in Wyhl am Kaiserstuhl hinaus habe sein Modell bislang keine Unterstützung erfahren, schon gar nicht in gesetzlicher Form. Er werde erst wieder an Investitionen denken, wenn er auf Verlässlichkeit und Sicherheit bauen könne.

Bald hunderttausende neue Pflegekräfte erforderlich

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts klafft die Schere zwischen vorhandenen Pflegekräften und ihrem Bedarf in Deutschland immer weiter auseinander. Das Institut der Deutschen Wirtschaft errechnete bereits 2018, dass 2035 rund 130.000 zusätzliche Altenpfleger gebraucht würden (PDF). Die Versorgungslücke könnte nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts bis zum Jahr 2049 auf einen Wert zwischen 280.000 und 690.000 steigen. Dann nämlich würden wahrscheinlich 2,15 Millionen Pflegekräfte gebraucht.
Nach Erhebungen des DAK-Pflegereports 2024 arbeiteten 2023 bereits mehr als 1,14 Millionen Arbeitnehmer in der Pflege. „Mehr als 249.500 von ihnen erreichen in den nächsten zehn Jahren das Renteneintrittsalter, das sind 21,9 Prozent“, heißt es in einer DAK-Pressemeldung (PDF). „In jedem Bundesland müssen dann um die 20 Prozent des Personals ersetzt werden.“

Auch Kita-Plätze Mangelware

Die Bertelsmann Stiftung hatte 2022 eine bundesweite Lücke von rund 383.600 Kita-Plätzen in Deutschland prognostiziert: 362.400 in den westlichen Bundesländern, 21.200 im Osten. Ähnlich sehe es beim Personalmangel aus: Um den Betreuungsbedarf der Eltern zu decken, müssten 93.700 Erziehungsfachkräfte im Westen und 4.900 im Osten unter Vertrag genommen werden.
Auch in Onstmettingen könnte sich der Mangel an Kitaplätzen demnächst weiter verschärfen. Nach Angaben der „Schwäbischen“ seien die Häuser, in denen die beiden Kindertagesstätten vor Ort untergebracht seien, „nicht erhaltungsfähig“.
Die Epoch Times schickte auch Oberbürgermeister Tralmer einen Fragenkatalog, um zu erfahren, wie das Problem des Gebäude- und Personalmangels gelöst werden könnte. Zudem baten wir den örtlichen AfD-Landtagsabgeordneten Hans-Peter Hörner um eine Stellungnahme. Bis zum Redaktionsschluss am Freitag lagen noch keine Antworten vor.

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