Digitalisierung als Zeitfresser – eine moderne Freizeitgestaltung
Mit der Einführung des Internets, mobiler Technologien und digitaler Plattformen hat sich nicht nur die Arbeitswelt, sondern auch der Alltag, die Freizeitgestaltung und das soziale Miteinander grundlegend verändert.
Die Digitalisierung beeinflusst unser Zeitmanagement. Und sie bringt Vor- und Nachteile für den Einzelnen und die Gesellschaft mit sich.
Das Bundesfamilienministerium legt den Beginn der Massendigitalisierung auf die Jahrtausendwende. Eine „Analysen zur Zeitverwendung“ hat sich ausführlich mit den Statistiken für 2001/02 beschäftigt. Dort wird der Alltag der Menschen in drei Abschnitte geteilt: Erwerbszeit, Regenerationszeit und Freizeit. Damals schlussfolgerten die Analysten, dass es unbestritten sei, „dass Massenmedien innerhalb der Freizeit eine dominierende Rolle einnehmen.“
Aus einer Studie „Massenkommunikation 2000“ geht zudem hervor, dass im Jahre 2000 deutsche Bürger ab 14 Jahren bereits täglich rund achteinhalb Stunden Zeit mit Medien verbrachten. Ein ins Kryptische kippender Satz der Analyse von 2004 lautete: „Ein „Mehr“ an Mediennutzung lässt sich einerseits durch ein „Weniger“ an alternativen Freizeitbeschäftigungen erkaufen, andererseits können Medien gleichzeitig bzw. parallel genutzt werden.“
Die sozialen Medien spielten noch keine Rolle oder waren noch nicht einmal auf dem Markt. Facebook etwa gelang 2008 der Sprung nach Europa, andere Anbieter folgten später.
Die täglichen Grundbedürfnisse befriedigen
Geht man in den Jahrhunderten zurück, dann war das Leben der Menschen in starkem Maße durch körperliche Arbeit, Naturzyklen und sozialen Austausch geprägt. Vor der Industrialisierung bestand ein Großteil der Zeitnutzung aus Arbeit in der Landwirtschaft oder im Handwerk. Ansonsten war jeder angehalten, die täglichen Grundbedürfnisse der Familie und der Gemeinschaft zu befriedigen.
Kriege, Missernten und Teuerungen, daneben das Wachstum der Bevölkerung führten immer wieder zu Armut. Freizeit in einem modernen Sinn, also die bewusste Nutzung freier Zeit zur Erholung, war nur prädestinierten Personen vorbehalten. Erst mit der beginnenden Industrialisierung veränderten sich zunehmend die Zeitstrukturen. Die Maschinen mussten in steter Regelmäßigkeit gepflegt und befeuert werden, die Arbeitszeiten wurden entlang dieser Erfordernisse formalisiert und die Wochenarbeitszeit festgeschrieben. Damit war der Arbeitstag klar vom Feierabend und der Freizeit getrennt.
Im 20. Jahrhundert entwickelten sich parallel zur Arbeitswelt neue Freizeitindustrien, wie das Kino, Sportveranstaltungen und später auch das Fernsehen, was die Zeitgestaltung weiter beeinflusste.
Zurück zur Digitalisierung: Sie steht für die massenhafte Umwandlung von analogen Daten in eine digitale Form und eine damit einhergehende Nutzbarmachung durch Endgeräte.
Die Digitalisierung führte in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend dazu, dass klassische Arbeitsmodelle, bei denen Arbeitnehmer an einem festen Ort zu bestimmten Zeiten tätig waren, durch flexiblere und mobile Arbeitsmodelle ersetzt wurden. Dank Laptops, Smartphones und der Cloud-Arbeit kann man in vielen Berufssparten jederzeit und von fast jedem Ort aus tätig werden. Der Vorteil einer ortsgebundenen Unternehmensstruktur wird durch digitale Netzwerke zunehmend vakant gestellt, trifft aber weiterhin auf seine Grenzen, wo Arbeitsplätze weiter an fest installierte Fertigungsstraßen in der Industrie gebunden sind.
Homeoffice und flexible Arbeitszeiten
Generell gilt aber: Digitalisierung ermöglicht eine wachsende Flexibilität, Arbeitszeiten lassen sich konkreter an individuelle Bedürfnisse anpassen und Beruf und Privatleben besser in Einklang bringen. Heimarbeit und flexible Arbeitszeiten sind mittlerweile in vielen Unternehmen Standard.
Auf der anderen Seite verwischen die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit zunehmend. Viele Menschen fühlen sich durch die ständige Erreichbarkeit unter Druck gesetzt, auch außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit verfügbar zu sein. Dies führt in vielen Fällen zu einer mentalen Belastung und erhöhtem Stress. Die Digitalisierung hat nicht nur die Arbeitswelt, sondern auch die Freizeitgestaltung grundlegend verändert. Traditionelle Freizeitaktivitäten wie das Lesen von Büchern, der Besuch von Theater- oder Konzertveranstaltungen und das Zusammensein mit Freunden haben in digitalen Angeboten ernstzunehmende Konkurrenz bekommen.
Das Internet und hier insbesondere die sozialen Medien und Streaming-Dienste wie Netflix oder YouTube haben ihren zentralen Platz eingenommen. Menschen verbringen mehr Zeit online, sei es, um Filme und Serien zu schauen, Nachrichten zu lesen, Spiele zu spielen oder mit anderen über soziale Medien zu kommunizieren. Bei aller Kritik bleibt die Popularität der sozialen Medien ungebrochen und hat eine neue Art der Freizeitnutzung hervorgebracht, bei der man zwar vermeintlich sozial interagiert, dabei jedoch in der Regel isoliert ist und über digitale Kanäle kommuniziert.
Hier ist der gesellschaftliche Wandel am deutlichsten spürbar: Moderne soziale Interaktionen unterscheiden sich grundlegend von traditionellen sozialen Aktivitäten. Studien zeigen, dass Menschen im Durchschnitt mehrere Stunden täglich auf Social-Media-Plattformen verbringen, was oft zu einem Gefühl der Entfremdung oder sozialen Isolation führen kann.
Vom exzessiven Konsum von Computerspielen
Auch der Gaming-Bereich hat durch die Digitalisierung enorm an Bedeutung gewonnen. Online-Spiele ermöglichen es ihren Nutzern, in virtuelle Welten einzutauchen und mit anderen Spielern weltweit zu interagieren. Kritiker fürchten, dass der exzessive Konsum von Computerspielen zu negativen Effekten wie Vereinsamung, Abhängigkeit und einer verminderten physischen Aktivität führt.
Ein wichtiger Aspekt der Digitalisierung ist der Einfluss sozialer Medien auf die Zeitgestaltung und das soziale Miteinander. Die permanente Verfügbarkeit und der ständige Fluss an neuen Informationen führen dazu, dass viele Menschen ein „Fear of Missing Out“ (FOMO) erleben – die Angst, etwas zu verpassen. Der Begriff wurde 2004 eingeführt, um ein Phänomen zu beschreiben, das auf sozialen Netzwerken beobachtet wird.
Dieser Drang, ständig online und informiert zu sein, kann nicht nur zu Stress führen, sondern auch zu einer verkürzten Aufmerksamkeitsspanne und einer Konzentrationsschwäche. Mittlerweile beschäftigen sich bereits Drogenbeauftragte der Bundesregierung mit dem Phänomen.
Soziale Medien sind aber zweifellos auch für viele positive Aspekte der Freizeitgestaltung verantwortlich: Sie verbinden Familien und Freunde über große Distanzen hinweg und ermöglichen es quasi von jedem Ort der Welt aus, an gesellschaftlichen Diskussionen teilzunehmen.
Besonders in Krisenzeiten, wie der COVID-19-Pandemie und den damit verbundenen umfassenden Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, haben soziale Medien eine wichtige Rolle gespielt, um Menschen digital miteinander zu verbinden und Informationen zugänglich zu machen. Das Fraunhofer-Institut schrieb in dem Zusammenhang die Schlagzeile „Die Corona-Pandemie als Digitalisierungsbooster“. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Veränderung des sozialen Lebens durch die Digitalisierung. Früher fand sozialer Austausch im direkten, persönlichen Kontakt statt. Heute ist ein Großteil der Kommunikation digitalisiert und findet über Messaging-Dienste oder soziale Medien statt. Dies hat zur Folge, dass persönliche Treffen und traditionelle Formen des sozialen Austauschs immer seltener werden.
Alle 11 Minuten eine digitale neue Liebe
Junge Menschen finden ihre Partner heute ganz überwiegend über eine Anbahnung auf der digitalen Ebene. „Elite Partner“ verkündete 2021 stolz wie werbewirksam die Trendwende: „Immer mehr Paare lernen sich online kennen – Freundeskreis nur noch auf Platz zwei“.
Ist das zwangsläufig mit einem Verlust sozialer Interaktion verbunden? Dagegen spricht, dass dank der Digitalisierung viel mehr neue Möglichkeiten entstanden sind, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen, die zuvor undenkbar waren: Dating-Apps, Foren und Online-Communitys, die Gelegenheiten für Menschen bieten, Gleichgesinnte zu finden, die sich im realen Leben niemals kennengelernt hätten. Die Herausforderung der Zukunft wird vor allem darin bestehen, die Chancen der Digitalisierung so zu nutzen, dass sie dem Menschen dienen, ohne dessen Gesundheit und soziale Beziehungen zu gefährden. Dies erfordert einen bewussten Umgang mit digitalen Technologien, der es Menschen ermöglicht, ihre Zeit selbstbestimmt und gesundheitsfördernd zu gestalten.
Politische Maßnahmen wie das Recht auf „digitale Entgiftung“ im Arbeitsrecht oder die Förderung von Bildungsinitiativen zur Medienkompetenz könnten dazu beitragen, diesen Wandel verantwortungsvoll zu gestalten.
Der Weg in die digitale Zukunft verlangt eine Balance zwischen Innovation und Rücksichtnahme auf die sozialen und psychologischen Bedürfnisse der Menschen. Vermeidbar ist er indes nicht. Jeder muss sehen, wie er für sich die Herausforderung bestmöglich annimmt.
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