Die Schattenseite des Selbstbestimmungsgesetzes: Was Eltern jetzt wissen sollten (Teil 1)
Eltern wollen normalerweise nur das Beste für ihre Kinder. Angesichts der kontroversen Diskussionen zum geplanten Selbstbestimmungsgesetz sind jedoch viele verunsichert. Welchen Einfluss hat die Selbstbestimmung auf die kindliche Psyche? Epoch Times sprach mit dem Psychotherapeuten Prof. Dr. Kai-Uwe Herthneck.
Dass Kinder viel Freude haben, sich zu verkleiden oder in andere Rollen zu schlüpfen, ist nicht neu. Doch was passiert mit der kindlichen Psyche, wenn Kinder in der Freiheit erzogen werden, dass sie ihr Geschlecht selbst bestimmen können?
Kinder im Allgemeinen erproben sich und ihre innere sowie äußere Realität für gewöhnlich spielerisch – auch im Sinne von Maskierung. Jungen verkleiden sich als Mädchen und umgekehrt. Dies zeigt einerseits, dass sowohl das männliche als auch das weibliche Prinzip stets gleichermaßen in jedem Menschen vorhanden sind – und zwar unabhängig von seinem Geschlecht. Andererseits gehört das Verkleiden einschließlich der Geschlechtsidentitätsentwicklung zum kindlichen Spieltrieb und zur natürlichen Entwicklung und ist vollkommen normal.
Werden Kinder jedoch in dem Glauben erzogen, dass sie selbst über ihr Geschlecht bestimmen können, kommt es auf die Persönlichkeit des Kindes an, was es daraus macht. Bei schwächeren Charakteren kann dies zu einer Identitätsverwirrung, also einer Art Unbehaustheit im eigenen Körper, und möglicherweise auch zu einer Art Entfremdung von sich selbst und der Gesellschaft führen, in welcher der heranwachsende Mensch seinen Platz erst suchen und finden muss.
Kinder mit stärkerem Charakter werden wahrscheinlich einfach das ausleben, wer und was sie sind – wie es das natürliche Leben vorgesehen hat. Wenn die kindliche Psyche nicht schon früh etwa durch Gewalt – zu der auch Verwahrlosung, Missbrauch oder Kinder-alles-tun-lassen gehört – geschädigt wurde, besteht eine Art natürliche Resilienz und Widerstandskraft. Mit dieser angeborenen Fähigkeit können sich Kinder leichter in der heutigen chaotischen Welt zurechtfinden und ein gesundes Selbstwertgefühl entwickeln, wenn man sie lässt.
Keine externe Einrichtung sollte das Thema Geschlechtsentwicklung übernehmen oder von außen vorgeben oder da hineinreden. Man darf nicht außer Acht lassen, dass Kinder mindestens bis zum 18. Lebensjahr in einem sehr starken Entwicklungsprozess stehen. Genau aus diesem Grunde bestehen zu Recht diverse gesetzliche Regelungen, die von Volljährigkeit sprechen. Diese werden jedoch durch das geplante Selbstbestimmungsgesetz torpediert und unterwandert. Die vorgesehene Altersgrenze von 14 Jahren erscheint schon allein deshalb völlig unpassend, da das Gesetz in den natürlichen Entwicklungsprozess der Kinder und Jugendlichen eingreift.
Überlässt man „Entscheidungen“ wie die Wahl des Geschlechtes dem Kind, die ja eigentlich gar keine sind, dann liegt sowohl eine Überschätzung als auch eine Überforderung des kindlichen Geistes vor.
Können Sie das näher erklären?
Kinder neigen hinsichtlich der Analyse ihrer Seelenzustände schnell zu Fehlattributionen, wie wir es in der Psychologie nennen. Das bedeutet, dass sie einer richtigen Wahrnehmung eine falsche Prämisse zugrundelegen, Probleme also einer falschen Ursache zuschreiben.
Fühlen sich Kinder nicht wohl in ihrem Körper, verlagern sie das Problem nach außen und schieben es möglicherweise aufgrund der Genderideologie darauf, dass sie mit dem falschen Geschlecht geboren seien. So leicht sind Kinder zu beeinflussen. Sie kommen gar nicht auf die Idee, dass sie einen inneren Konflikt bewältigen müssten, um die Fähigkeit zu entwickeln, sich so anzunehmen, wie sie sind.
Nehmen wir an, ein Kind fühlt sich in seiner Familie seelisch nicht angenommen. Ihm wird vermittelt: „Du bist nicht ok, wie Du bist!“ Wenn das Kind dann in eine Gender-Indoktrination hineingerät, könnte es auf diesen Zug aufspringen, weil dies eine scheinbare Erklärung bietet – jedoch mit einem gefährlichem „Lösungsansatz“. Ein Kind kann dann beispielsweise bis zur Geschlechtsumwandlung in die Irre geleitet werden, weil es seine Identitätsverwirrung nicht als grundsätzliches externes Akzeptanzproblem interpretieren konnte, sondern als internes Problem der eigenen Geschlechtsidentität missdeutet hat.
Ein anderes Beispiel: Wenn der Sohn mehr Anerkennung seitens der Eltern erhält als die Tochter, will diese plötzlich so sein wie ihr Bruder oder umgekehrt – um der elterlichen Anerkennung willen.
Zudem gibt es leider auch nach wie vor nicht selten sexuellen Missbrauch von Kindern. Dann kann es sein, dass ein missbrauchtes Kind aufgrund seiner negativen Erfahrungen sozusagen „sein Geschlecht wegmachen lassen“ will. Ein solches „Selbstbestimmungsgesetz“ könnte das dann auch noch unterstützen.
Zuletzt besteht außerdem die Möglichkeit, dass ein Elternteil seine eigene, vielleicht unbewusste Geschlechtsunsicherheit auf das Kind überträgt oder Eltern ohnehin lieber einen Jungen statt ein Mädchen gehabt hätten oder umgekehrt. In allen diesen Fällen wird das Kind in seiner eigenen Geschlechtsidentitätsentwicklung gestört.
Vorliegend wird also ein seelisches Problem körperlich behandelt: Die kindliche Selbstwertgefühlsmangel-Depression etwa soll mit einer Geschlechtsumwandlung geheilt werden, wobei nicht selten die biologisch-hormonellen Eingriffe auch in ihrer anfänglichen Pillenform zu einer erheblichen, teils sogar suizidalen depressiven Entwicklung führen können. Dieses Kind wird als Erwachsener möglicherweise von einer „körperlichen Selbstverstümmelung“ sprechen, wie ich es aus der Patientenbehandlung kenne.
Gründe für einen „falschen Umwandlungswunsch“ gibt es also genügend, auch dafür, sich im eigenen Körper nicht wohlzufühlen. Die kindlichen Befindlichkeiten können aufgrund ihres Entwicklungsprozesses mitunter wirklich sehr turbulent sein. Es gibt also viele Gründe dafür, den kindlichen Entwicklungsraum zu schützen – auch vor solch massiven Eingriffen, wie ihn die Genderideologie darstellt.
Kinder kommen nicht nur zu Hause, sondern vor allem auch in Kitas und Schulen mit dem Thema sexuelle Selbstbestimmung in Berührung. Wie sollten sich Eltern oder Großeltern verhalten, wenn ihre fünfjährige (Enkel-)Tochter beispielsweise aus dem Kindergarten kommt und erzählt, sie könne später selbst entscheiden, ob sie ein Mann, eine Frau oder etwas anderes sein möchte?
Ich würde versuchen, mit meinem Kind darüber offen zu sprechen: „Was denkst du darüber? Fühlst du dich denn wohl in unserer Gemeinschaft / Familie? Wie geht es dir denn in deinem Dasein?“ Und so weiter.
Nachdem mir das Kind – hoffentlich – seine Gedanken und Gefühle mitteilen konnte, braucht es natürlich auch noch einen zweiten Teil der Erklärung eines Themas, das seine momentanen Fähigkeiten nicht nur kognitiv, sondern im Allgemeinen bei Weitem übersteigt. Das könnte sich so anhören: „Weißt du, diese Idee ist nur ein Erklärungsmodell von bestimmten Leuten. Das sind so wenige in jedem Land, dass es eigentlich kaum ins Gewicht fällt. Darüber müsste man gar nicht reden, vor allem nicht während deiner kindlichen Entwicklung, da das Thema noch viel zu früh für dich ist.“
Je nach Altersstufe würde ich das kindgerecht noch weiter ausführen, worum es dabei geht: „Weißt du, es gibt zwei Geschlechter – Mädchen und Jungen oder wenn sie älter sind, Frauen und Männer. Normalerweise kommt ein Mensch gut mit seinem angeborenen Geschlecht zurecht. Es sei denn, er wurde seelisch oder sozial stark verletzt. Das Leid solcher Menschen wollte man wohl dadurch verringern, indem man ihnen die Möglichkeit eines Geschlechtswechsels anbot. Aber das verschlimmert meist ihre innere und äußere Situation und ist normalerweise keine Lösung.“
Als dritten Baustein würde ich dem Kind meine liebevolle Begleitung ausdrücken: „Wir lieben dich so, wie du bist. Falls du das Gefühl haben solltest – auch bei uns – nicht ganz richtig oder nicht ganz angekommen oder nicht ganz angenommen zu sein, dann rede bitte mit mir und mit uns darüber. Wir sind immer für dich da, weil wir dich von Herzen lieb haben – so wie du bist! Und du bist ein wunderbarer Mensch, so wie das Leben dich uns geschenkt hat – für uns bist du perfekt!“
Damit wäre das Gespräch mit dem Kind geklärt, bleibt noch die Unterredung mit der Kita oder Schule. Was würden Sie empfehlen?
Auch dort würde ich in jedem Fall die Leitung ansprechen. Es muss einen offenen Diskurs geben zwischen der Einrichtung und mir als die Person, die mit der Fürsorge meines Kindes zentral und auch juristisch betraut ist. Ich könnte sagen:
„Mein Kind hat mir erzählt, dass es in Ihrer Einrichtung von der Geschlechtervielfalt gehört hat. Wir als Eltern wollen das nicht und möchten, dass das ab heute aufhört. Sollten Sie damit weitermachen, werden wir rechtliche Schritte einleiten, da das nicht mit unserem Einverständnis geschieht.“
Sofern sich nichts ändert, wäre abzuwägen, ob ein Kita-Wechsel infrage kommt. Aufgrund der politikkonformen Justiz besteht allerdings wenig Hoffnung auf eine Besserung in der Einrichtung, wenn man den Rechtsweg beschreitet.
Es wäre auch sinnvoll, bereits im Vorfeld die richtige Einrichtung für sein Kind auszuwählen. Bei den Vorgesprächen sollten unbedingt auch Themen abgefragt werden wie: „Wie stehen Sie zur Frühsexualisierung, zur Genderfrage“ und so weiter.
Sehen Sie eine Tendenz, welche Art Eltern eher dazu neigen, ihre Kinder zu einem selbstbestimmten Geschlecht zu ermutigen?
Soweit ich das beurteilen kann, handelt es sich hierbei um Eltern, die es besonders gut meinen, die vielleicht auch besonders modern sein wollen, die vor allem aber mit althergebrachten Rollenmustern brechen wollen, um ihr Kind weder zu gefährden, noch in seiner Entwicklung fehlzuleiten.
Doch dabei gehen sie das Risiko ein, dem Kind stark zu schaden – und damit auch sich selbst. Statt das tatsächlich Bestmögliche für sein Kind zu erwirken, könnte es zum Gegenteil kommen: einer massiven Kindeswohlgefährdung.
Eltern sollten bezüglich aller möglichen Zeitgeistphänomene also durchaus kritisch sein und auch die Genderideologie besonders hinterfragen: Weshalb wird ein gesellschaftliches Minimalphänomen zu einer derartigen Riesensache aufgeblasen? Wer steckt dahinter und was wollen diese Leute damit bezwecken? Und so weiter.
In der Natur gibt es normalerweise zumindest bei Warmblütern auch nur zwei Geschlechter, doch das darf nicht mehr offen kommuniziert werden. Kein Mensch, der noch in der Entwicklung steht, sollte mit solchen Themen wie der Geschlechterfrage konfrontiert oder diesbezüglich beeinflusst werden. Kinder sollten ihren eigenen Weg finden und gehen können – unbeeinflusst von „erwachsenen“ Ideologien.
Wie sollten Eltern ihrem Kind begegnen, wenn es meint, mit dem falschen Geschlecht geboren worden zu sein?
Eltern sollten zunächst einmal versuchen, ruhig zu bleiben und ihr Kind in seinen Aussagen ernst zu nehmen. Allerdings nicht im Sinne eines sofort umzusetzenden Handlungsdrucks, sondern im Sinne eines zunehmenden Verstehen-Wollens: „Warum hast Du denn dieses Gefühl? Woher kommt es, dass Du so empfindest? Lass uns das erst einmal gemeinsam genau herausfinden.“
Nach meinen Erfahrungen kommt dann meist heraus, dass es tatsächlich andere Ursachen für dieses kindliche Empfinden und den Eindruck gibt, falsch zu sein. Dieser bezieht sich häufig auf andere Lebensaspekte und nur in äußerst seltenen Fällen wirklich aufs Geschlecht.
Ich wäre also bemüht, weder in die eine noch in die andere Richtung überzureagieren. Ich würde weder dem kindlichen Empfinden zu viel Raum geben und vielleicht eine Hormontherapie beginnen lassen, noch würde ich dies gewaltsam unterbinden. Man kann kindlichen Ideen ohnehin nicht mittels bloßen Verbots Herr werden.
Zugleich würde ich versuchen, meine Beziehung zum Kind zu intensivieren und möglicherweise zu vertiefen oder zu verbessern. Ich würde versuchen, es mit diesen kindlichen Ideen anzunehmen, aber auch klar sagen, was ich davon halte. Keinesfalls würde ich das Kind darin bestärken oder gar unterstützen, denn es durchläuft bis zum Abschluss der Pubertät sowieso mehrere kritische Entwicklungsphasen – und diesen muss ich einen sicheren Raum und Rahmen geben, das ist eine wesentliche Aufgabe der Eltern.
Prof. Dr. Herthneck studierte und promovierte unter anderem in Humanmedizin und in Psychologie. Die letzten Jahre arbeitete er auch in leitender Funktion in der ambulanten Psychiatrie am Krankenhaus. Er lehrt zudem seine Fächer seit über einem Jahrzehnt an verschiedenen Universitäten.
Im zweiten Teil des Interviews beleuchtet Prof. Dr. Herthneck die Fragen, wie man einen geeigneten Therapeuten findet, und welche weiteren Möglichkeiten es gibt, um dem Kind zu helfen.
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