„Die Menschen werden sich daran gewöhnen und Strafen akzeptieren“

Bayern und Wien testen ab Herbst Belohnungssysteme per App. Die Teilnahme ist zunächst freiwillig, doch sind Sanktionen nach chinesischem Vorbild durchaus möglich.
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Handy-Apps.Foto: iStock
Von 2. Mai 2022

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Viele, wahrscheinlich die meisten von uns, haben es als Kinder erlebt: Hat man etwas gut gemacht, brachte man ein Zeugnis voller Einsen und Zweien nach Hause oder war ganz besonders brav, dann gab es Belohnungen. Ein Eis, kleine Geschenke, vielleicht sogar ein paar Münzen ins Sparschwein.

Das weckte Glücksgefühle in uns und wir wurden dadurch so konditioniert, dass wir bemüht waren, uns auch künftig konform zu verhalten, um wieder Lob zu empfangen. Nun sollen wir bald alle davon profitieren, wenn wir Regeln befolgen und uns tugendhaft verhalten.

Belohnungssysteme sollen künftig auf vielen Ebenen unser Leben bestimmen, wenn es nach dem Willen der Regierungen geht. Ein solches System wird ab Herbst in Bologna getestet.

Positives Verhalten wird honoriert

Während in der italienischen Stadt verschiedene positive Verhaltensweisen im alltäglichen Leben honoriert werden, setzt die Regierung in Österreich auf das Umweltbewusstsein seiner Wiener Bürger und will ab Herbst fürs Sparen von CO2 die Menschen in der Hauptstadt der Alpenrepublik mit dem „Wien-Token“ belohnen.

In Deutschland wird Bayern auf derselben Basis eine Vorreiterrolle spielen. Wer die Vorstellungen und Vorgaben der Regierung in Sachen Umweltschutz befolgt, dem winken die sogenannten „Nachhaltigkeitstoken“.

Das geht aus einem 94-seitigen Maßnahmenpaket zur Klimaschutzoffensive des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt- und Verbraucherschutz hervor, das bereits 2019 erstellt wurde.

Wegen der Corona-Pandemie soll es nun erst ab Herbst dieses Jahres umgesetzt werden, da die Bonusleistungen vor allem „analoge“ Angebote umfassen. Wer sich konform verhält, der erhält verschiedene Vergünstigungen, etwa beim Besuch eines Schwimmbads, eines Theaters oder auch beim Einkauf in einem Bioladen. Das Ministerium nennt das „Förderung von nachhaltigem Verhalten im Alltag mittels Belohnung von umweltbewusstem Handeln“.

Mit anderen Worten: Das, was derzeit noch zum alltäglichen (Freizeit-)Angebot gehört, wird zum Privileg, das man sich durch genormtes Wohlverhalten verdienen muss. Die Spielregeln gibt die Regierung vor und greift damit einmal mehr in das Leben jedes einzelnen Individuums ein. Kritik weist sie allerdings zurück und betont, dass die Nutzung der für die Teilnahme notwendigen App freiwillig sei.

Um das Belohnungssystem abwickeln zu können, soll eine staatliche Geschäftsstelle gebildet und ein Finanzdienstleister eingebunden werden. Die Vernetzung mit „Partnern aus der Wirtschaft und dem öffentlichen Bereich“ soll dem Ausbau des anfangs eher noch rudimentären Angebots dienen.

Umerziehungsprogramm und „freiheitsfeindliche Entwicklung“

Jurij Christopher Kofner, Ökonom des Instituts für Marktintegration und Wirtschaftspolitik (MIWI) in Grünwald bei München und Fachreferent der AfD, lässt ebenfalls kein gutes Haar an den Plänen der Landesregierung. „Das vom Staatsministerium für Digitalisierung geleitete Ökotoken-Projekt ist eine äußerst fragwürdige und potenziell freiheitsfeindliche Entwicklung, da es einen staatlichen Eingriff in den Entscheidungsmechanismus und das Konsumverhalten der Bürger (sogenanntes Nudging) mithilfe von (…)  Belohnungsmechanismen darstellt“, kritisiert er auf seiner Internetseite.

Die Bedrohung durch dieses staatlich gelenkte Nudging der Verbraucher bestehe in der Möglichkeit, eine breitere öffentliche Akzeptanz für einen tieferen staatlichen Kontrollmechanismus des Bürgerverhaltens vorzubereiten.

Damit könnte zum Beispiel die öffentliche Meinung über die Corona-Maßnahmen der Regierung, zur Einwanderung, zu Steuern und vielem mehr gelenkt werden. Ein Sanktionsmechanismus ähnlich des „sozialen Kreditsystems“ nach chinesischem Vorbild wäre möglich.

Für das ökologische Umerziehungsprogramm der Bayerischen Landesregierung kommen die Betroffenen selbstverständlich selbst auf. Laut Kofner stehen im aktuellen Haushaltsplan des Landes knapp drei Millionen Euro für die Subventionierung des Ökotoken-Projekts und der „Entwicklung eines Dokumentationssystems samt Bewertungsrahmen“ bereit. 

Weitere ähnliche Projekte, die im Herbst innerhalb der Europäischen Union (EU) an den Start gehen sollen, sind Kofner derzeit nicht bekannt, sagt er im Gespräch mit Epoch Times. Er fürchtet, dass der Ökotoken auf gute Resonanz bei der Bevölkerung stoßen wird. „Ich bin da eher pessimistisch – oder realistisch“, sagt er.

Die Deutschen seien sehr obrigkeitshörig, das sei bei keinem anderen Volk in Europa so ausgeprägt. Die digitalen Angebote vereinfachten das Leben. Die Belohnungssysteme lieferten bisher nur positive Anreize. „Daran werden sich die Menschen gewöhnen – und dann auch die Strafen akzeptieren“, glaubt Kofner.

Ob ein Vergleich mit chinesischen Zuständen realistisch ist? Technisch sicher, sagt der Ökonom, der Unterschied liege aber in der Mentalität. Die Deutschen seien nicht so „kollektivistisch“ eingestellt. Widerstand formiere sich, wenn Sanktionen kommen, sagt er und verweist auf die Proteste gegen die Impfpflicht und deren Folgen.

BUND Naturschutz fehlt „jegliche Verbindlichkeit“

Am Ökotoken lässt auch der BUND Naturschutz in Bayern kein gutes Haar. „Gäbe es ausreichend und wirksames Ordnungsrecht, müssten die Bürgerinnen und Bürger nicht in die Pflicht genommen werden“, heißt es in einer Stellungnahme.  Bei der Ausarbeitung eines Belohnungssystems müsse der Datenschutz gewahrt werden. Außerdem sei darauf zu achten, dass gesellschaftliche Teilhabe (z.B. Schwimmbad, Theater) nicht von einer Veränderung im Verhalten abhängig gemacht werde.

Insgesamt kritisieren die Naturschützer den Zehn-Punkte-Plan des bayerischen Klimaschutzgesetzes. So seien die dort aufgeführten 136 Maßnahmen „weiterhin keine zusammenhängende, durchdachte Strategie zur Senkung von Treibhaus-Emissionen“. Viele Maßnahmen seien auch nicht neu. Sie existierten bereits und hätten bislang „noch nicht zu ausreichender Emissionsminderung geführt“. Wie auch im Entwurf des Klimaschutzgesetzes fehle „jegliche Verbindlichkeit“.

„Wien-Token“ belohnt gutes Verhalten mit Kultur

Große Pläne hat indes Wiens Bürgermeister Michael Ludwig. Er möchte, dass die österreichische Hauptstadt europäischer Vorreiter in Sachen Digitalisierung wird, berichtet das Nachrichten- und Wissenschaftsportal tkp. Im Herbst beginnt die Testphase für den „Wien-Token“, ein „digitales Bonussystem, das mittels einer App umweltbewusstes Verhalten mit freiem Zugang zu Kulturveranstaltungen honoriert“.

Die App erkennt beispielsweise, ob jemand Wege zu Fuß, mit einem Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt hat. Dann errechnet sie, wieviel CO2 der Nutzer eingespart hat und honoriert das Verhalten entsprechend mit Token.

Der Wien-Token wird zunächst an 1.000 Freiwilligen unter dem Namen „Kultur-Token“ getestet, schreibt tkp. Mit chinesischen Verhältnissen sei das nicht zu vergleichen, zitiert tkp Heinz Christoph Steinhardt, der an der Wiener Universität ein Forschungsprojekt zum Sozialkreditsystem im Reich der Mitte leitet, und diesen Begriff für den österreichischen Testlauf eher unpassend findet. Letzlich handele es sich um ein Belohn-System, bei dem jeder selbst entscheide, ob er daran teilnehme. Diese Wahl hätten die Chinesen nicht.



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