Der Trabi wird 60: Happy Birthday „Rennpappe“

Der eigene Trabi wurde von vielen Menschen in der DDR mit Hingabe gepflegt, nach der Wiedervereinigung ausgemustert. Inzwischen lebt die alte Liebe wieder auf. Für manchen ist das ein Geschäft.
Straßenszene in Leipzig im Juli 2010.
Straßenszene in Leipzig im Juli 2010.Foto: Jan Woitas/dpa
Von 4. März 2024

Der Traum vom eigenen Auto erfüllte sich für viele DDR-Bürger erst nach jahrelangem Warten. Der Trabant oder kurz Trabi genannte Kleinwagen aus Zwickau war deswegen für viele Objekt der Begierde. Nach der Wiedervereinigung machte das technisch veraltete Kultauto neben den Westmodellen eine schlechte Figur, weshalb er auf den Straßen bald zur Rarität wurde.

Während der Trabi in Westdeutschland zum Witzobjekt gemacht wurde, erhielt er im Osten Deutschlands aufgrund seiner einfachen Bauweise den liebevollen Spitznamen „Zwickauer Rennpappe“. Außerdem gilt der Trabi wegen seiner eingeschränkten Sitzfreiheit inoffiziell als „leisestes Auto der Welt“: vor allem große Mitfahrer hätten sich auf dem Rücksitz automatisch die Ohren mit den Knien zuhalten können.

Seit einigen Jahren lebt der Kleinwagen als Oldtimer auf und hat eine wachsende Fangemeinde – die Zulassungszahlen steigen. Wer ein solches Auto kaufen will, muss eine stattliche Summe aufbringen. Woher kommt die neue Liebe zu diesem kleinen Auto, das 2024 ein Jubiläum feiert?

Trabi in Wittenberg

Trabis erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Foto: iStock

Kult-Reparatur mit einer Damenstrumpfhose

Zweitakt-Motor mit zunächst 23 PS, Luftkühlung, Maximaltempo 100 und eine Karosse aus Duroplast statt Blech: Vor 60 Jahren präsentierten die VEB Sachsenring Automobilwerke den Trabant 601 auf der Leipziger Frühjahrsmesse der internationalen Öffentlichkeit. Dieser Trabi glänzte neben einem Horch mit dem Baujahr 1911 – ein Verweis auf die stolze Autotradition der Region.

Produktionsort des Trabi

Sachsenring in Zwickau (Sachsen) produzierte von 1958 bis 1991 den Trabant in verschiedenen Modellen. Foto: André Karwath (Aka), Wikimedia Commons | CC BY-SA 2.5 Deed

In seinen knapp 35 Jahren Bauzeit gab es den Trabi als Limousine, Kombi, Kastenwagen, Pick-up oder Kübelwagen. Der Erste seiner Art lief 1957 vom Band und hatte den Namen „P 50“ oder „Trabant 500“. Später folgten der „Trabant 600“ und das mit mehr als 2,8 Millionen Exemplaren meistverkaufte Modell „Trabant 601“. Bis 1990 konnten die Käufer dieses Auto in den Kultfarben pastellblau, polarweiß oder cliffgrün für 8.500 bis 10.000 DDR-Mark erwerben.

Prototyp des ersten Trabi

Prototyp des ersten Trabis „P 50“. Foto: Matěj Baťha, Wikimedia Commons | CC BY-SA 2.5 Deed

Kostengünstig und einfallsreich war dagegen die Reparatur des Trabis. Für den Fall, dass der Keilriemen des Trabants gerissen ist, konnten – sofern vorhanden – Damenstrümpfe aus Dederon, dem Nylon der ehemaligen DDR, für eine schnelle Reparatur benutzt werden. Wobei schnell gar kein Ausdruck ist, denn die inoffizielle erzielte Bestzeit für einen Keilriemenwechsel liegt bei unter 20 Sekunden.

Messedebüt 1964

Von einer vollkommen neuen Karosserie schwärmt im Frühjahr 1964 das Magazin „Der Deutsche Straßenverkehr“, „die im Stil der modernen Trapezlinie dem internationalen Geschmack entspricht“. Im Vergleich zu seinen Vorgängern bot der Trabi 601 mehr Kopffreiheit, einen größeren Kofferraum, Kurbelfenster und Druckknopftürgriffe. „Mit dem Platzangebot im Innenraum liegt der Trabant 601 im internationalen Maßstab an der Spitze der vergleichbaren Fahrzeuge“, frohlockt die DDR-Zeitschrift.

Zwar geht das neue Modell im Juni 1964 in Serie, die Produktion hält aber mit der Nachfrage nie Schritt. Die Folge: Wartezeiten von mehr als zehn Jahren. Das lag auch an Besonderheiten der Karosserie, wie Bernd Cyliax erzählt. Der 79-Jährige arbeitete einst beim VEB Sachsenring.

Heute teilt er im Zwickauer Horch-Museum sein Wissen mit Besuchern. Weil es an Devisen und Rohstoffen fehlte, wurde für die Karosserie Duroplast verwendet. „Duroplast besteht im Prinzip aus Baumwolle, die aus der Sowjetunion kam, und Phenolharz aus Braunkohlenteer.“ Das Ganze – jeweils zehn Teile je Auto – wurde bei 180 Grad gepresst und musste wieder abkühlen. „So ein Pressvorgang dauerte acht Minuten – das war das Problem“, sagt Cyliax.

Fertigungsanlage für die Herstellung von Duroplast, der Kunststoffaußenhaut des Trabant im August Horch Museum Zwickau. Foto: Derbrauni, Wikimedia Commons | CC BY 4.0 Deed

Trabi als Filmstar

Dem Trabi brachte diese Eigenheit die Kosenamen wie „Plastebomber“ oder „Rennpappe“ ein. Wegen der langen Wartezeiten waren gebrauchte Fahrzeuge häufig teurer als Neuwagen. Doch wer einen ergattert hatte, für den war er oft ein treuer Begleiter – bis zur Fahrt an die Ostsee, den Balaton in Ungarn oder bei der ersten Stippvisite nach Westdeutschland Ende 1989. Auf den Straßen wich er danach rasch Modellen von Volkswagen, Ford oder Opel.

Das hält der Kultfilm „Go Trabi Go“ Anfang der 90-er Jahre in seiner Eingangsszene fest: Während der Deutschlehrer Udo Struutz (Wolfgang Stumph) in Bitterfeld mit Frau und Tochter im Trabi „Schorsch“ zur Reise nach Italien aufbricht, polieren seine Nachbarn bereits ihre Westautos und haben für seinen 601er nur Häme übrig: „Neapel? So kommste nimma bis Leipzsch.“

Auch in der Komödie „Trabbi goes to Hollywood“ mit Thomas Gottschalk wird der Trabant zum Star auf der Leinwand. Unterhaltung bot er zudem in unzähligen Witzen wie: Ein Trabi-Besitzer an der Tankstelle zum Tankwart: „Für meinen Trabi hätte ich gerne zwei Scheibenwischer.“ Der Tankwart: „Das ist okay, das klingt nach einem fairen Tausch!“

Der Trabi prägte das Stadtbild Ostdeutschlands

Mit mehr als 2,8 Millionen verkauften Exemplaren war das Modell „Trabant 601“ mit Abstand das beliebteste. Foto: Raphaël Thiémard, Wikimedia Commons | CC BY-SA 2.0 Deed

Steigender Wert

Gut 30 Jahre später feiert der Trabi ein Comeback und hat Kultstatus erlangt – nicht nur in Ostdeutschland, wie Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes zeigen. Seit rund zehn Jahren steigt die Anzahl der zugelassenen Trabis. Waren es 2014 gut 32.300 Wagen, stieg die Anzahl im vergangenen Jahr auf über 40.000. Eines zeigte sich jedoch deutlich: Die Liebe zum Trabi ist im Osten noch immer größer als in Westdeutschland. Von den über 40.000 Exemplaren wurden knapp 32.000 im Osten und gut 8.300 im Westen zugelassen.

Wer einen der inzwischen zum Oldtimer geadelten Wagen kaufen will, muss immer mehr Geld zahlen. Im Schnitt würden sie derzeit für rund 7.300 Euro angeboten, sagt Gerd Heinemann vom Beratungsunternehmen BBE Automotive. Es erstellt regelmäßig Marktanalysen für Old- und Youngtimer in Deutschland. Für einige besondere Varianten werden im Internet gar Preise von 25.000 Euro und mehr verlangt. „Die Preise werden tendenziell weiter steigen.“ Fünf Prozent im Jahr seien realistisch.

Dass es in Deutschland wieder mehr Trabis gibt, sei auch auf Reimporte zurückzuführen, erklärt Heinemann. Aber vor allem die einfache Konstruktion befeuert seine „Wiedergeburt“. Denn vieles lässt sich von Hobbyschraubern reparieren und mit vorhandenem Rahmen wird ein Trabant auch schon mal komplett neu aufgebaut.

Trabi-Flotte

Den Trabi gab es unter anderem in den Kultfarben pastellblau, polarweiß oder cliffgrün. Foto: iStock

Trabi am Nordkap …

Als Beleg führt Frank Hofmann über den Hof seines Unternehmens Trabantwelt in Zwickau. Er öffnet das Tor eines Garagencontainers. Darin kommt ein Trabant 601 Kombi in panamagrün zum Vorschein. „Den hat mein Junior fast komplett neu aufgebaut und ist damit zu seinem Abiball gefahren.“

Vor rund 20 Jahren gründete Hofmann seinen Versandhandel. Auf YouTube gibt er Tipps für Schrauber. Rund 5.200 Trabi-Teile hat er nach eigenen Worten auf Lager: vom Zylinderkopf bis zum kompletten Motor, von der Radkappe bis zum Sitzbezug. Mit 15 Mitarbeitern sorgt er dafür, dass den Trabi-Fans nicht die Teile ausgehen – und dass mancher Trabant neu zum Leben erweckt wird.

„Wir haben Kunden in der ganzen Welt – bis nach Neuseeland, Australien, Brasilien und den USA“, sagt Hofmann. „Der Trabi ist weit gekommen.“ Auch er will mit dem Zweitakter noch weit kommen – nicht nur wirtschaftlich. „Mit meinem Sohn will ich bis ans Nordkap fahren.“ Der zweite Trabi dafür müsse allerdings erst noch neu aufgebaut werden.

Trabi mit Dachzelt

Ein Trabant 601 mit Dachzelt. Foto: Torsten Maue, Wikimedia Commons | CC BY 2.0 Deed

… aber nicht in Innenstädten?

Nicht jeder teilt die Begeisterung. Der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sind die Abgase der Zweitakter ein Dorn im Auge. Dabei gehe es vor allem um unvollständig verbrannten Kohlenwasserstoff und Kohlenmonoxid. „Wir fordern ein Fahrverbot für alte wie neue Fahrzeuge ohne eine wirksame Abgasreinigung“, heißt es in einer Stellungnahme.

Denn mit H-Kennzeichen können Fahrer von Trabis und anderer Oldtimer auch in Umweltzonen in Großstädten. Das sei nicht vertretbar, „da sie zur Luftbelastung und damit zur Gesundheitsgefährdung beitragen“, moniert die Umwelthilfe.

Das Kultauto der DDR: Der Trabant 601. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-P0619-306 / Ludwig, Jürgen / CC-BY-SA 3.0

Bezogen auf die Kohlenstoffdioxid-Emissionen schneidet der Trabi indes gar nicht so schlecht ab. Mit ungefähr 200 g CO₂ pro Kilometer liegt er zwar im oberen Bereich der aktuellen Fahrzeugflotte, aber insbesondere große und schwere Fahrzeuge – einschließlich Hybride im Verbrenner-Modus – liegen häufig darüber.

Tatsächlich lohnt sich ein H-Kennzeichnen finanziell eher nicht. Denn der Pauschalbetrag der Kfz-Steuer für Oldtimer ist höher als jener Normalbeitrag, der sich unter anderem aus der Höhe der Emissionen berechnet. Ob derart viele Trabis, wie die DUH befürchtet, in Fahrverbotszonen anzutreffen sind, ist daher fraglich.

Mit Material von dpa.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion