Carolabrücke: Mehr als ein Viertel der Spannglieder vorgeschädigt – TU Dresden sucht nach Einsturzursache

Eine Woche nach dem teilweisen Einsturz der verkehrstechnisch wichtigen Carolabrücke in Dresden sucht ein Forscherteam der TU Dresden immer noch nach dessen Auslöser. Korrosion als Faktor hat mit höchster Wahrscheinlichkeit eine Rolle gespielt. Allerdings wohl nicht der einzige.
Titelbild
Die teilweise eingestürzte Carolabrücke am 17. September 2024 im Stadtzentrum von Dresden.Foto: Jens Schlueter/AFP via Getty Images
Von 19. September 2024

Vor einer Woche stürzte in den frühen Morgenstunden der noch nicht sanierte Teil der Carolabrücke in Dresden ein. Das in den 1960er Jahren wiedererrichtete Bauwerk war eine der wichtigsten Verkehrsverbindungen der Stadt. Wie durch ein Wunder kam bei dem Zusammenbruch niemand zu Schaden. Ein Forscherteam der Technischen Universität (TU) Dresden sucht nach wie vor nach der exakten Ursache des Unglücks.

Korrosion der Carolabrücke wahrscheinlichste Ursache

Die Leitung der Mannschaft hat Steffen Marx, Professor für Ingenieurbau am Institut für Massivbau. Er und sein Team sollen neben jener nach der Ursache auch Fragen nach dem genauen Bruchpunkt der Brücke und der Vorhersehbarkeit des Einsturzes beantworten. Zudem sollen sie klären, warum dieser nicht unter Volllast, sondern zu einem Zeitpunkt stattfand, da sich niemand dort befunden hatte.

Auch ist zu klären, ob, wann und unter welchen Voraussetzungen die sanierten Brückenteile, über die zuvor Pkws und Busse gefahren waren, wieder in Betrieb genommen werden können. Nach einer Woche sind die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen, einige Zwischenergebnisse zeichnen sich jedoch bereits ab.

Gegenüber der „Sächsischen Zeitung“ äußerte Marx, dass die bereits früh geäußerte Annahme, Korrosion von Gliedern der Carolabrücke sei die Ursache, im Kern zutreffe. So könnten unter anderem durch das Einsickern von Chloriden infolge der Einbringung von Tausalz Beton und Glieder angegriffen worden sein. Die Glieder der Spannbetonbrücke könnten aufgrund der Korrosion nicht gehalten haben. Brücken dieser Art seien früher häufig nicht abgedichtet worden, weil man sie für nicht anfällig für Risse hielt.

Starker Temperatursturz könnte Überbeanspruchung dargestellt haben

Als mögliche Rostursachen kämen aber auch andere in Betracht. So müsse man sogenannten Streustrom aus Straßenbahnoberleitungen ebenso als möglichen Auslöser prüfen wie Betonversagen. Man habe bereits Verbundstörungen festgestellt, so Marx. Da die Schienen direkt mit dem Boden verbunden seien, sei dieser starken Erschütterungen ausgesetzt gewesen.

Aufgefallen sei dem Team auch bereits, dass von etwa 156 Spanngliedern der Carolabrücke 40 und damit mehr als ein Viertel vorgeschädigt gewesen seien. Es sei „sehr wahrscheinlich, dass das die Ursache ist, es können aber auch mehrere Faktoren sein“.

Um die Frage nach dem Zeitpunkt des Einsturzes zu klären, sei noch Videomaterial auszuwerten. Marx hält es für möglich, dass „ein sehr schweres Fahrzeug den Bruch der vorgeschädigten Brücke ausgelöst hat, etwa ein Schwerlasttransport“. Ein solcher könnte kurz vor dem Einsturz über die Carolabrücke gefahren sein.

Allerdings könne auch der Temperatursturz zu dem Zusammenbruch beigetragen haben. In den heißen Tagen vor dem Unglück habe sich der Überbau der Brücke stark aufgeheizt. In der Nacht zum 11.9. habe es jedoch sehr stark abgekühlt, dies könne zu einer Überbeanspruchung beigetragen haben.

Schallemissionsverfahren ein Muss für Carolabrücke – „sonst bleibt nur Abriss“

Marx macht darauf aufmerksam, dass es ein spezielles Prüfverfahren für Brücken jener Art gebe. Es würden Proben entnommen und geprüft, ob der Stahl gefährdet sei. Auch bei der Carolabrücke sei ein solches Verfahren zum Einsatz gekommen. Die Prüfungen hätten jedoch keinen Hinweis auf einen möglichen Einsturz gegeben – weder Risse ab einer gewissen Breite noch sichtbare Verformungen.

Der Forscher erklärt, dieser Umstand zeige, dass die gängigen Verfahren nicht ausreichten, und wartet mit einem wenig beruhigenden Hinweis auf:

„Wir glaubten uns sicher mit dieser Methodik. Das hat Auswirkungen für ganz Deutschland, weil sehr viele Brücken so gebaut worden sind.“

Marx mahnt, dass an eine Wiederinbetriebnahme der noch intakten Brückenteile nur unter einer Bedingung zu denken sei. Dies sei die Installation einer Schallemissionsmessung. Dabei würden kleine Mikrofone in die Brücke hineinhören – und Risse im Inneren registrieren, da diese Schallwellen auslösen. Vorgeschrieben sei dieses Verfahren nicht, im Fall der Carolabrücke sei es jedoch alternativlos:

„Nur wenn der Zustand deutlich besser ist als bei dem eingestürzten Zug, kann über eine Wiederinbetriebnahme diskutiert werden, ansonsten bleibt nur der Abriss.“

Sondersitzung im Stadtrat für nächste Woche geplant

Die Unbenutzbarkeit der Carolabrücke hat vor allem tagsüber in Teilen der Innenstadt chaotische Zustände ausgelöst. Auf der Marien- und der Albertbrücke sowie in angrenzenden Straßen bilden sich täglich Staus. Autofahrer müssen mit Verzögerungen von bis zu 20 Minuten oder mehr einplanen.

Da mit einer Wiedereröffnung für längere Zeit nicht zu rechnen sein wird, hat die Stadtverwaltung nun eine Taskforce eingerichtet. Diese soll Strategien gegen das Verkehrschaos erarbeiten. Unter anderem wird eine teilweise Freigabe der Augustusbrücke für den Autoverkehr geprüft. Allerdings wird diese auch zusätzliche Straßenbahnlinien benötigt.

Im Stadtrat wird es voraussichtlich am Donnerstag nächster Woche eine Sondersitzung zur Carolabrücke und Perspektiven für den Verkehr in der Zukunft geben.

 



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