Kunde verlangte Neuwagen wegen Diesel-Software – Bundesgerichtshof stärkt Position der VW-Kunden
Im VW-Dieselskandal hat erstmals der Bundesgerichtshof (BGH) Stellung bezogen und dabei die Position der VW-Kunden gestärkt. Das oberste deutsche Zivilgericht in Karlsruhe stellte am Freitag klar, dass es illegale Abschalteinrichtungen in Dieselmotoren derzeit als „Sachmangel“ einstuft. Der BGH veröffentlichte diese „vorläufige Rechtsauffassung“, nachdem eine für kommende Woche angesetzte Verhandlung über die Klage eines VW-Kunden aufgehoben worden war. (Az. VIII ZR 225/17)
Mehr als drei Jahre nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals setzt der BGH mit diesem ungewöhnlichen Schritt ein Zeichen.
Bislang gibt es in dem Skandal kein höchstrichterliches Grundsatzurteil, an dem sich die übrigen Gerichte orientieren können. Bereits im Januar wurde eine Verhandlung in Karlsruhe abgesagt, weil der Kläger seine Revision wegen einer außergerichtlichen Einigung zurückzog.
Kunde verlangte Neuwagen wegen Diesel-Software
In dem konkreten Fall, über den eigentlich am kommenden Mittwoch verhandelt werden sollte, hatte ein VW-Kunde gegen einen Autohändler geklagt. Er verlangte wegen der eingebauten Software, die nach Auffassung des Kraftfahrtbundesamt eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, einen Neuwagen. In den Vorinstanzen war seine Klage erfolglos.
Der BGH stellte nun klar, dass nach seiner „vorläufigen Rechtsauffassung“ bei einer unzulässigen Abschalteinrichtung von einem „Sachmangel auszugehen sein dürfte“. Die Bundesrichter begründeten dies damit, dass die „Gefahr einer Betriebsuntersagung“ durch die zuständigen Behörde bestehe.
Die Bundesrichter wiesen zudem darauf hin, dass die Auffassung des Berufungsgerichts in dem konkreten Fall „rechtsfehlerhaft“ sein könnte.
Das Oberlandesgericht Bamberg hatte die Ersatzlieferung eines Neuwagens als „unmöglich“ eingestuft, weil der von dem Käufer erworbene VW Tiguan der ersten Generation nicht mehr hergestellt werde. Der BGH stellte dazu fest, dass die Höhe der Kosten für einen Ersatz entscheidend sei.
Aus dem vom BGH veröffentlichten Hinweis lassen sich nach Ansicht von Volkswagen „keine konkreten Rückschlüsse für die Erfolgsaussichten von Nachlieferungsklagen im Allgemeinen und andere gewährleistungsrechtliche Klagen ziehen“. Erst recht lasse sich nichts für die Aussichten von Klagen gegen die Volkswagen AG ableiten, erklärte der Konzern. Die vom BGH geäußerten Erwägungen seien vorläufig, es sei noch keine Entscheidung getroffen.
Verbraucherzentralen begrüßen das Urteil
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) begrüßte die Positionierung des BGH. Der Beschluss habe auch für die Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen Signalwirkung, erklärte vzbv-Vorstand Klaus Müller. Es sei nun klar, dass auch nach höchstrichterlicher Auffassung die Verwendung der Abschalteinrichtung nicht hinzunehmen sei. Es sei zu begrüßen,
dass die Strategie von Volkswagen nicht erfolgreich war, eine inhaltliche Positionierung des BGH durch einen Vergleich zu verhindern“.
Der vzbv und der ADAC hatten im vergangenen Jahr eine Musterfeststellungsklage eingereicht. Hunderttausende Dieselbesitzer schlossen sich der Klage bereits an. Für Aufsehen sorgt auch eine Klage des Rechtsdienstleisters Myright, der dem VW-Konzern unter anderem Betrug und sittenwidriges Verhalten vorwirft.
Das Oberlandesgericht Braunschweig lehnte die Klage zwar am Dienstag ab, ließ aber die Revision vor dem BGH zu.
Myright-Gründer Jan-Eike Andresen erklärte, der jetzt ergangene Hinweis des BGH gebe auch der Myright-Klage mit 45.000 Teilnehmern „weiteren Rückenwind“. Es sei nur noch eine Frage der Zeit, „bis die Verteidigung von VW zusammenbricht“, zeigte sich Andresen überzeugt. (afp)
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