Boehringer-Erbin will ihr Vermögen verteilen – und Ideen zur Umverteilung diskutieren

Marlene Engelhorn, eine Erbin der Boehringer-Dynastie, hat einen Bürgerrat mit der „Rückverteilung“ ihres 25-Millionen-Erbes beauftragt. Bei ihrer freiwilligen Großzügigkeit soll es aber nicht bleiben. Ihr „Guter Rat“ will Erbschaften und Vermögen auch unfreiwillig verteilen lassen.
Von einer gleichmäßigen Verteilung der gewaltigen Summe kann nach wie vor keine Rede sein: Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung besitzen nach Allianz-Berechnungen zusammen 85 Prozent des gesamten Netto-Geldvermögens.
Boehringer-Erbin Marlene Engelhorn will Erbschaften und Vermögen gesellschaftlicher Kontrolle unterwerfen.Foto: Sven Hoppe/dpa
Von 5. Februar 2024

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Am Mittwoch, 31. Januar, konnte der Gute Rat für Rückverteilung, den die Millionenerbin Marlene Engelhorn ins Leben gerufen hatte, eine freudige Nachricht verkünden. Mehr Personen als erwartet seien ihrer Einladung gefolgt, ab März über die Verteilung von Vermögen in Österreich zu diskutieren – und ihr eigenes Erbe zu verteilen.

Über 25 Millionen Euro sollen 50 zufällig ausgewählte Bürger entscheiden

Wie es in der Mitteilung heißt, hatte der Gute Rat seit 9. Januar insgesamt 10.000 Haushalte angeschrieben, deren Adressen einer Zufallsstichprobe aus dem Zentralen Melderegister entnommen waren. Diese hatten die Möglichkeit, sich bis zum vergangenen Freitag für den Rat zu registrieren.

Aus allen Rückmeldungen soll Christoph Hofinger vom Institut Foresight die wissenschaftliche Zufallsauswahl von 50 Personen aus allen Registrierungen überwachen. Diese sollen Ideen zur Verteilung von Vermögen in Österreich entwickeln.

In weiterer Folge sollen sie über die Verteilung der 25 Millionen Euro aus dem Vermögen von Initiatorin Marlene Engelhorn entscheiden. An deren Vorstellungen sollen sie dabei nicht gebunden sein.

„Vermögen sind Macht“ – Rücklauf zur Verteilungsaktion höher als erwartet

Der Rücklauf war mit 1.295 Teilnehmern doppelt so hoch wie bei anderen „Bürgerräten“ üblich, deutete Hofinger an. Für Marlene Engelhorn selbst ein Zeichen dafür, dass sie eine richtige Debatte angestoßen habe:

„Ich freue mich riesig. Das zeigt: Die Menschen sind hungrig nach der Diskussion, die wir führen wollen. Die ungleiche Verteilung von Vermögen beschäftigt Demokratien weltweit.“

Auf der Website des Guten Rates wird noch einmal Näheres zu den Anliegen hinter der Initiative ausgeführt. Dort heißt es:

„Wenn die Politik versagt, müssen wir es selbst richten. Vermögen sind in Österreich ungleich verteilt – und damit auch Macht. Einem Prozent der Menschen gehört die Hälfte des gesamten Nettovermögens. 99 Prozent der Menschen müssen sich die andere Hälfte teilen. Das sind fast vier Millionen Haushalte.“

Nicht nur eigenen Kontostand ändern, sondern die Verhältnisse

Der Gute Rat hält es für ungerecht, dass in Österreich „jeder Euro, den man mit Arbeit verdient, besteuert [wird] – Reichtümer und Erbschaften aber kaum bis gar nicht“. Dass diese bereits zu dem Zeitpunkt besteuert worden sein könnten, als sie eingenommen wurden, kommt dabei nicht zur Sprache.

Dynastien würden „über Generationen Geld und Macht anhäufen, aber ihre Steuern lieber vermeiden und so niedrig wie möglich halten“. Damit verweigerten sie „ihren Beitrag an der Gesellschaft“. Ohne diese gäbe es den Reichtum aber nicht, deshalb sei ein Austausch erforderlich. Die Initiatorin selbst sieht sich als rühmliche Ausnahme:

„Auch Marlene Engelhorn stammt aus einer Dynastie. Aber sie kämpft seit Jahren dafür, dass Überreiche wie sie fair besteuert werden. Dass auch sie ihren Teil beitragen. Eigentlich wäre es der Auftrag der Politik, zu handeln und Steuern auf Vermögen und Erbschaften einzuheben.“

Engelhorn will jedoch nicht nur ihr eigenes Vermögen zur Verfügung stellen. Sie will auch eine Debatte anstoßen, um „Rückverteilung“ anzustoßen. Erben ist für sie „eine Zumutung für die Gesellschaft“. Auch darüber, was mit einem großen Vermögen passiert, sollte „eine große Gruppe gemeinsam entscheiden“. Deshalb soll der Gute Rat, so Engelhorn, „nicht nur meinen Kontostand ändern – sondern die Verhältnisse“.

„Rückverteilung“ von Erbschaft und Vermögen ähnlich wie „Tax Me Now“

Ein ähnliches Konzept wie der von Engelhorn präsentierte Gute Rat für Rückverteilung lässt die Kampagne Tax Me Now erkennen. Deren bekanntester Protagonist ist der Bundesschatzmeister des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), Ralph Suikat. Auch dort geht es um eine Vermögenssteuer und eine „höhere, vor allem gerechtere“ Erbschaftssteuer.

Es sollten, so Suikat, „die Leistungswilligen eine Chance bekommen und nicht die Vermögenden bevorzugt werden“. Dies würde seiner Überzeugung nach durch höhere Steuern und Vermögen erreicht.

Allerdings solle dies erst ab einer bestimmten Größenordnung gelten: „Wir haben hier nur die sehr großen Vermögen im zweistelligen Millionenbereich im Visier. Weder die Erben von Oma ihr klein Häuschen noch ein Handwerksbetrieb werden von diesen Plänen betroffen sein.“

Diese Einschränkung nimmt Engelhorns Guter Rat für Rückverteilung nicht vor. Allerdings gehen mehrere Definitionen von „Mittelstand“ übereinstimmend davon aus, dass dessen Jahresumsatz bis zu 50 Millionen Euro betragen kann. Damit wären bereits Mittelständler von solchen Umverteilungsplänen betroffen.

Ist das Problem Reichtumsscham?

Manche Kritiker sehen das eigentliche Problem im Phänomen der Reichtumsscham. Dieses äußert sich darin, dass Kinder reicher Familien oder Erben großer Vermögen eine Art Unbehagen oder Schuldgefühl aufgrund ihres Wohlstands verspüren. Häufig besteht die Reaktion darauf in einem besonders auffälligen Engagement für vermeintlich oder tatsächlich wohltätige Zwecke.

Wo der reale Grund für dieses Engagement jedoch der Wunsch ist, das eigene Gewissen zu beruhigen, besteht möglicherweise die Gefahr, dass dessen Sinn und Folgen nicht weiter hinterfragt werden. Immerhin geht es ja um die eigene Gewissensberuhigung.

Entsprechend spendet beispielsweise US-Milliardenerbin Aileen Getty eine Million US-Dollar aus ihrem ererbten Vermögen an Extinction Rebellion oder die Letzte Generation. Das Gewissen ist dadurch erleichtert. Ob die Aktivitäten dieser Vereinigungen dazu führen, dass Rettungswagen Verletzte nicht rechtzeitig ins Krankenhaus bringen oder aufgrund einer radikalen Umweltgesetzgebung Menschen verarmen oder Betriebe schließen, ist dann kein Thema mehr.



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