Politisch motivierte Kriminalität erreicht neuen Höchststand
Die Zahl der politisch motivierten Straftaten ist im Jahr 2021 in Deutschland erneut deutlich gestiegen. Insgesamt registrierten die Sicherheitsbehörden 55.048 Fälle, teilte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Dienstag mit. Das ist ein Anstieg um 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und der höchste Stand seit Einführung der Statistik im Jahr 2001.
Mit einem Plus von mehr als 147 Prozent war der Anstieg bei solchen Straftaten, die von der Polizei keiner speziellen Ideologie zugeordnet wurden, am größten. Auf Tatverdächtige, die weder als Rechte, Linke, Islamisten oder Anhänger einer ausländischen Ideologie verortet wurden, entfielen den Angaben zufolge 21.339 Delikte. Ein wesentlicher Teil dieser Taten wurde im Zusammenhang mit Protesten gegen die staatliche Corona-Politik erfasst (7.142 Straftaten). Zudem wurden im Zusammenhang mit Wahlen, insbesondere der Bundestagswahl 2021, 7.298 Straftaten registriert.
Insgesamt werden in dem Bericht 21.964 der erfassten Straftaten dem politisch rechten Spektrum zugeordnet, knapp sieben Prozent weniger als im Vorjahr. 10.113 politisch motivierte Straftaten werden dem linken Spektrum zugeordnet (minus 7,8 Prozent). Weitere 1.153 Fälle zählen die Behörden zum Bereich „ausländische Ideologie“ (plus 13,5 Prozent), 479 Fälle zum Bereich „religiöse Ideologie“ (plus 0,4 Prozent). 2020 waren insgesamt 44.692 Fälle politisch motivierter Kriminalität erfasst worden.
Die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten stieg 2021 um 15,6 Prozent auf 3.889. Den mit Abstand stärksten Anstieg gab es auch hier bei politisch nicht zuzuordnenden Delikten, plus 1.44,3 Prozent auf 1.444. Darunter sind 459 Körperverletzungen.
Die Zahl antisemitischer Taten stieg um 28,75 Prozent auf 3027 Fälle. Davon wurden 2552 Fälle dem rechten Spektrum zugeordnet, 127 Fälle dem Bereich ausländischer Ideologie und 57 dem Bereich religiöse Ideologie. Den höchsten Anstieg gab es auch hier bei offiziell nicht zuzuordnenden Taten, deren Zahl um 519,6 Prozent auf 285 zunahm. 64 der antisemitischen Delikte waren Gewalttaten, darunter 51 Körperverletzungen.
Im Bereich Hasskriminalität bliebt die Zahl der Straftaten mit 10.501 weitgehend konstant (plus 2,5 Prozent).
Dass die Hintergründe für politisch motivierte Taten „vielfältiger und auch diffuser geworden sind“, ist aus Sicht von Bundesinnenministerin Faeser ein Spiegelbild aktueller gesellschaftlicher Konflikte.
„Jede Form des Extremismus und Antisemitismus in welchem Gewand auch immer sind völlig inakzeptabel; da darf es keinerlei Rabatt geben – weder kulturell noch für irgendein politisches Lager“, mahnt die FDP-Innenpolitikerin Linda Teuteberg.
Grüne kündigen „Gesetz gegen digitale Gewalt“ an
Die Grünen wollen mit umfassenden Maßnahmen auf die erheblich gestiegene Zahl der politisch motivierten Straftaten im vergangenen Jahr reagieren. „Der Koalitionsvertrag enthält eine Vielzahl an Vorhaben gegen weiter grassierenden Hass und Hetze, die jetzt zeitnah angegangen werden müssen“, sagte Fraktionsvize Konstantin von Notz dem „Handelsblatt“. Als Beispiele nannte er ein „Gesetz gegen digitale Gewalt“ sowie Verbesserungen der Möglichkeit von Melderegistersperren für bedrohte Menschen.
Einen neuen Straftatbestand des sogenannten Politikerstalkings, wie vom Städte- und Gemeindebund gefordert, um gegen die Aufmärsche vor Wohnungen von Amts- und Mandatsträgern vorzugehen, lehnte von Notz aber ab. „Angriffe auf Amts- und Mandatsträger stehen heute bereits unter teils empfindlicher Strafe“, sagte der Grünen-Politiker. Das halte Täter jedoch häufig nicht ab. „Vor diesem Hintergrund bin ich bezüglich der Schaffung eines speziellen Paragrafen im Strafgesetzbuch, der allein ein Politikerstalking unter Strafe stellt, eher skeptisch.“
Ähnlich äußerte sich FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle. „Ein Sonderstrafrecht zum Schutz von Politiker-Wohnungen ist überflüssig“, sagte Kuhle dem „Handelsblatt“. Polizei und Justiz könnten bereits auf der Basis des vorhandenen Rechts tätig werden. „So können beispielsweise Auflagen für Versammlungen verhängt werden“, so Kuhle.
Wenn Aufrufe zu Bedrohungen und körperlichen Übergriffen öffentlich bekannt seien, müssten die Sicherheitsbehörden zudem frühzeitig Schutzmaßnahmen ergreifen. „Erfolgt dies zu spät, kann es nicht durch das Strafrecht kompensiert werden.“ (afp/dpa/dts/red)
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