Musiker wegen versuchten Giftmords vor Gericht
Ein Musiker des Schleswig-Holsteinischen Sinfonieorchesters soll versucht haben, seine Mutter und zwei Kollegen zu vergiften – jetzt steht er schon zum zweiten Mal vor Gericht. Die erste Hauptverhandlung am Landgericht Hannover war wegen der Erkrankung einer Richterin ausgesetzt worden – und musste neu beginnen, weil die gesetzliche Höchstdauer einer Unterbrechung zwischen zwei Verhandlungsterminen nicht eingehalten werden konnte. „Dann starten wir leider Gottes erneut“, sagte der Vorsitzende Richter Martin Grote am Freitag zum Prozessauftakt. Der Angeklagte wies die Vorwürfe zurück.
Laut Anklage soll der 62-Jährige im September 2022 in einem Seniorenheim in Hannover Rattengift in Lebensmittel seiner 93 Jahre alten Mutter gemischt haben. Einige Tage später soll er den zwei Orchesterkollegen – einem Mann und einer Frau – auf einer Konzertreise einen Knoblauchdip mit dem Gift gereicht haben. Die Opfer sollen Blutgerinnungsstörungen erlitten haben, an denen sie hätten sterben können.
Allerdings sagte der Mann, niemals habe er seine „geliebte Mutter“ töten oder ihr Schmerz zufügen können und wollen – und auch den beiden Orchestermusikern nicht: „Das ist völlig undenkbar und unvorstellbar für mich.“ Er habe mit den Giftanschlägen auf seine Mutter und die Kollegen – seine Freunde – nichts zu tun. Außerdem habe er „zu keinem Zeitpunkt“ ein Motiv gehabt – „ganz im Gegenteil“. Das Verhältnis zu den beiden Musikern sei eng.
Erst steiler Aufstieg – dann abwärts
Seine Karriere im Orchester verlief zunächst steil, er trat auch regelmäßig solistisch auf. Dann aber verschlechterte sich seine Lage dramatisch: Es habe Spannungen im Orchester gegeben, ein Vorgesetzter habe einzelne Musiker attackiert und deren Fähigkeiten infrage gestellt – schließlich habe es auch ihn getroffen, der Angriff auf seine Fähigkeiten sei „schlicht bösartig“ gewesen. Auch ein Musiker des Orchesters habe ihn angegriffen.
So habe er mit letzter Kraft gespielt – und mit der Angst, zu versagen. Es sei zu Panikattacken auf der Bühne gekommen. Aus verantwortlicher Rolle habe er sich schließlich in die zweite Reihe zurückgezogen – so sei ihm „das Herzstück meines musikalischen Lebens“ genommen worden. Er habe Depressionen und Suizidgedanken gehabt – und auch Mordgedanken. Das habe ihn erschreckt, aber er habe immer stärkeren Hass auf den Musiker verspürt, der ihn quälte.
Tatsächlich habe er das Gift Brodifacoum besorgt, um den Orchestermusiker für bestimmte Zeit, außer Gefecht zu setzen – nicht aber, um ihn zu töten. Die Pläne habe er aber aufgegeben, das Gift ungeöffnet entsorgt. Er bedaure, darüber zunächst nichts gesagt zu haben – auch seinen Anwälten habe er erst drei Monate nach der Verhaftung die Wahrheit gesagt. Der Grund: Er habe sich für den Hass auf den Kollegen geschämt und schäme sich noch immer.
Der 62-Jährige las seine Aussage – erneut – vor. Er war um Fassung bemüht, wirkte aber dennoch nervös. Er sei noch niemals in einer solchen Lebenssituation gewesen, sagte sein Anwalt – dazu der erneute Prozessbeginn: „Für uns ist das anstrengend und nervig, für den Angeklagten ist es ein Schock gewesen, es hat ihn umgehauen.“ (dpa/dl)
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