Missbrauch im Kirchenumfeld: Über tausend Fälle in der Schweiz
In der Schweiz sind mindestens 1.002 Fälle von sexuellem Missbrauch im Umfeld der römisch-katholischen Kirche seit Mitte des 20. Jahrhunderts aufgedeckt worden. Es seien 510 Beschuldigte und 921 Betroffene identifiziert worden, berichteten Historiker der Universität Zürich.
Es war das erste Mal, dass ein unabhängiges Forschungsteam in kirchlichen Archiven in der Schweiz Akten über sexuellen Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche einsehen konnte.
Hohe Dunkelziffer anzunehmen
„Bei den identifizierten Fällen handelt es sich zweifellos nur um die Spitze des Eisbergs“, teilten die Professorinnen Monika Dommann und Marietta Meier mit, die das Projekt leiteten. Zahlreiche Archive hätten noch nicht ausgewertet werden können. Es sei anzunehmen, dass nur ein kleiner Teil der Fälle gemeldet worden sei. Zahlreiche andere Fälle seien „verschwiegen, vertuscht oder bagatellisiert“ worden.
Aufgedeckt worden seien Fälle von „problematischen Grenzüberschreitungen bis hin zu schwersten, systematischen Missbräuchen, die über Jahre hinweg andauerten“. Täter waren katholische Kleriker, kirchliche Angestellte und Ordensangehörige in der Schweiz.
Sie seien oft versetzt worden, um eine weltliche Strafverfolgung zu vermeiden. „Dabei wurden die Interessen der katholischen Kirche und ihrer Würdenträger über das Wohl und den Schutz von Gemeindemitgliedern gestellt“, hieß es in der Studie.
Viele minderjährige Opfer
Rund 39 Prozent waren weiblichen Geschlechts, knapp 56 Prozent waren männlich. Bei fünf Prozent habe sich das Geschlecht in den Quellen nicht eindeutig feststellen lassen. Die Beschuldigten seien bis auf wenige Ausnahmen Männer gewesen. In fast drei Viertel der Fälle ging es um Minderjährige.
Die Fachleute sprechen von einer Pilotstudie. Eine größere Untersuchung soll folgen. „Zukünftig genauer untersucht werden sollte unter anderem die Mitverantwortung des Staates, vor allem im sozialkaritativen und pädagogischen Bereich, weil hier besonders in katholischen Gebieten oft Aufgaben an die Kirche delegiert wurden“, teilte die Universität mit. (dpa/dl)
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