Lehrermord in Arras: Täter schwört IS Treue in Audio-Botschaft
Nach dem tödlichen Messerangriff auf einen Lehrer in Arras hat die französische Justiz ein Verfahren gegen den 20 Jahre alten Täter wegen Verdachts auf Mord mit terroristischem Hintergrund eröffnet. Nach einer Anhörung unter Ausschluss der Öffentlichkeit habe der Haftrichter Untersuchungshaft für Mohammed M. und seinen 16 Jahre alten Bruder angeordnet, teilte die Staatsanwaltschaft in der Nacht zu Mittwoch mit.
Mohammed M. habe sich entschlossen, vor den Untersuchungsrichtern auszusagen, teilte seine Anwältin Verlaine Etam Sone mit. „Er wird alle nötigen Erklärungen abgeben“, sagte sie.
Gegen seinen 16 Jahre alten Bruder ermittelt die Justiz unter anderem wegen Beihilfe zum Mord mit terroristischem Hintergrund. Er habe Mohammed M. unter anderem Ratschläge für den Einsatz des Messers gegeben, sagte Anti-Terror-Staatsanwalt Jean-François Ricard.
Ein 15 Jahre alter Cousin steht im Verdacht, von dem Plan gewusst und nichts getan zu haben, um die Tat zu verhindern. Er werde zunächst in einer Einrichtung für straffällig gewordene Jugendliche untergebracht, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
Täter schwört dem IS Treue in Audio-Botschaft
Unterdessen ergibt sich ein klareres Bild der dschihadistischen Motivation des Täters. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatte er in einer langen Audionachricht auf Arabisch, die auf seinem Telefon gefunden wurde, der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) seine Treue geschworen. Kurz vor der Tat habe er in Arras ein kurzes Video aufgenommen, in dem er die „Werte der Franzosen“ schmähe und schlimme Drohungen von sich gebe.
Mohammed M. habe seine Unterstützung für Muslime im Irak, in Asien und den Palästinensergebieten bekundet, „ohne seine Tat mit den jüngsten Ereignissen in Israel in Verbindung zu bringen“, erklärte die Staatsanwaltschaft. „Es gibt keinen Bezug zur Aktualität“, hieß es in Ermittlerkreisen, also auch nicht zu den Gedenkveranstaltungen für den drei Jahre zuvor ermordeten Lehrer Samuel Paty.
Innenminister Gérald Darmanin hatte zuvor erklärt, dass die Tat mit der Lage im Nahen Osten in Verbindung stehe.
Über 100 Zeugen nach Attentat vernommen
Seit Freitag wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft mehr als hundert Zeugen vernommen, 13 Menschen waren zeitweise in Polizeigewahrsam. In zehn Fällen sei der Gewahrsam wieder aufgehoben worden, da gegen sie nichts vorliege. Zu ihnen zählt auch die Schwester des Angreifers, die sich von der Entwicklung ihres Bruders schockiert zeigte. Sie habe beobachtet, wie er immer radikaler und gewalttätiger wurde, sagte ihr Anwalt Mikaël Benillouche.
Am Freitag hatte der ehemalige Schüler des Gymnasiums in Arras den Französisch-Lehrer Dominique Bernard vor dem Eingang der Schule mit mehreren Messerstichen in die Schulter und in den Hals getötet. Er verletzte noch drei weitere Angestellte der Schule, die nach Angaben der Staatsanwaltschaft inzwischen außer Lebensgefahr sind.
Frankreich hält Schweigeminute
Am Montag hatten Schulen in ganz Frankreich eine Schweigeminute abgehalten, um der zwei ermordeten Lehrer zu gedenken. Vor drei Jahren war der Lehrer Samuel Paty im Pariser Vorort Conflans-Sainte-Honorine ebenfalls von einem Dschihadisten getötet worden. An der für Donnerstag geplanten Trauerfeier für Dominique Bernard wollen auch Präsident Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte teilnehmen.
Mohammed M. war im Alter von sechs Jahren mit seiner Familie aus der russischen Republik Inguschetien nach Frankreich gekommen. Die französischen Behörden hatten mehrere Asylanträge der Familie abgelehnt und den als radikalisiert geltenden Vater abgeschoben. Mohammed M. konnte nicht abgeschoben werden, da er jünger als 13 war, als er nach Frankreich kam.
Darmanin will diese Bestimmung im Einwanderungsgesetz ändern. Dieses Projekt soll nun vorgezogen und bereits im Dezember in der Nationalversammlung debattiert werden. Bis Ende des Jahres seien Abstimmungen in beiden Kammern des Parlaments geplant, sagte der für das Parlament zuständige Minister Franck Riester.
Mohammed M. war als Gefährder registriert und vom Geheimdienst beobachtet worden. Es habe jedoch keine Hinweise auf eine bevorstehende Tat gegeben, hieß es in Geheimdienstkreisen. Seit Freitag gilt in Frankreich die höchste Terror-Warnstufe. Jüdische Einrichtungen und Schulen werden verstärkt bewacht. Landesweit sind bis zu 7.000 Soldaten im Einsatz. (afp/dl)
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