Immer mehr Geldautomatensprengungen – viele Täter aus den Niederlanden
Aufgrund der häufigeren und heftigeren Angriffe auf Geldautomaten verstärken Deutschlands Banken weiter ihre Schutzmaßnahmen. Das geht aus dem Entwurf einer gemeinsamen Erklärung des „Runden Tisches Geldautomatensprengungen“ unter Federführung des Bundesinnenministeriums hervor.
„Das Kriminalitätsphänomen der Sprengung von Geldautomaten hat in jüngerer Zeit eine besorgniserregende Entwicklung genommen“, heißt es in dem Entwurf, der am 8. November unterschrieben werden sollte. Das „Handelsblatt“ hatte zuvor darüber und über die mutmaßliche Herkunft der Täter berichtet.
Nur die Hälfte der Sprengungen ist erfolgreich
Im Jahr 2020 wurden demnach 414 Geldautomatensprengungen verzeichnet, ein Jahr später waren es 392. Dies seien die beiden höchsten Fallzahlen seit dem Beginn der statistischen Erfassung durch das Bundeskriminalamt im Jahr 2005. Die vorläufigen Zahlen für das erste Halbjahr 2022 ließen einen neuen Jahreshöchststand erwarten. Dabei kommen nur etwa die Hälfte der Täter auch tatsächlich an das Geld heran.
Mit am häufigsten ereigneten sich die Geldautomatensprengungen bisher in Rheinland-Pfalz. Laut der Statistik des Landeskriminalamts gab es hier bis dato etwa doppelt so viele Sprengungen wie im gleichen Zeitraum 2021, wie der „SWR“ berichtet.
Solche Taten zählt die Polizei jedoch nicht nur in Deutschland und den Niederlanden. Auch in vielen anderen europäischen Staaten registrieren die Behörden inzwischen Geldautomatensprengungen, Tendenz steigend. Daher beschäftigt sich bereits seit einiger Zeit die europäische Kriminalpolizei Europol mit diesen Fällen.
Ein großer Teil der in Deutschland aktiven Täter kommt aus den Niederlanden, nach einem Anschlag flüchten sie über die Grenze.
Das Landeskriminalamt von Nordrhein-Westfalen geht davon aus, dass der Großteil der Taten von einer mehreren Hundert Mann starken kriminellen Szene aus den Niederlanden verübt wird. NRW hat eine gemeinsame Grenze mit den Niederlanden.
Das Bundeskriminalamt kann die Gruppe in seinem Lagebild sogar weiter eingrenzen: „Bei den reisenden Tatverdächtigen aus den Niederlanden handelt es sich überwiegend um Personen aus der Region Utrecht/Amsterdam, die häufig einen marokkanischen Migrationshintergrund aufweisen.“ Sie würden ein kriminelles Netzwerk bilden, allerdings nicht mit einer festen Struktur. Ihre Taten begehen sie demnach in wechselnder Zusammensetzung.
Sprengstoffe werden gefährlicher
„Die zunehmende Sprengung mit Explosivstoffen birgt neben erheblichen Sachschäden besonders hohe Gefahren für Leib und Leben unbeteiligter Personen“, heißt es in dem Papier. So wurden beispielsweise jüngst bei einer Automatensprengung in Neuss zwei Anwohner leicht verletzt.
Auch die verwendeten Sprengstoffe werden demnach stärker und gefährlicher. Immer häufiger würden Sprengstoffe eingesetzt, „durch die sogar Gebäude einstürzen und auch unschuldige Menschen getötet werden könnten“, sagte Europol-Sprecherin Claire Georges.
Geld einfärben und Bargeld reduzieren
Um gegenzusteuern, beschlossen Polizei und Banken, für jeden der 11.000 Geldautomaten in NRW eine „Gefahrenbewertung“ zu erstellen. Die Kreditwirtschaft will eine Kombination verschiedener Präventionsmaßnahmen je nach Standort und Risikoanalyse priorisieren und umsetzen.
Dazu zählt etwa, den Bankkunden in der Zeit von 23 Uhr bis 6 Uhr keinen Zugang mehr zu Geldautomaten in den Vorräumen von Filialen zu gewähren. Als weitere Maßnahmen werden Einbruchmeldeanlagen im Selbstbedienungsfoyer und Videoüberwachung von Geldautomaten und Foyer genannt. Dabei scheint sich Deutschland stark an den Niederlanden zu orientieren, die ähnliche Maßnahmen bereits seit Jahren umgesetzt haben. So sind in dem Nachbarland die meisten Geldautomaten schon seit Ende 2019 zwischen 23 Uhr und 7 Uhr geschlossen.
Zu weiteren Präventionsmaßnahmen zählen auch sogenannte Einfärbesysteme. Im Alarmfall würde das in den Geldkassetten enthaltene Geld mit Farbe weitgehend unbrauchbar gemacht. Standorte, bei denen im Fall einer Sprengung ein besonders hohes Gefährdungspotenzial für unbeteiligte Dritte besteht, sollen nach Möglichkeit vermieden werden, „wenn die Risiken nicht durch geeignete Maßnahmen angemessen reduziert werden können“, heißt es in dem Entwurf.
Als eine andere Maßnahme wird die Reduktion des Bargeldhöchstbestandes angesehen. Bargeld wird europaweit verringert, in Deutschland sank der Anteil der Bargeldzahlung zwischen 2016 und 2020 von 80 Prozent auf 44 Prozent. In den Niederlanden verringerte sich dieser Anteil von 45 Prozent auf nur noch 12 Prozent.
Am „Runden Tisch Geldautomatensprengungen“ beteiligten sich Vertreter der Deutschen Kreditwirtschaft, der Bundesbank, des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, des Bundeskriminalamts (BKA) und weiterer Sicherheitsbehörden.
(Mit Material von dpa)
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