Freispruch nach Vergewaltigungsvorwurf – Die Abgründe einer Wiener Jugendbande

Bisher gab es gegen Jugendliche einer Gruppe zwei Freisprüche von dem Vorwurf der Vergewaltigung eines zwölfjährigen Mädchens. Doch die Ermittlungen zu mehr als einem Dutzend Verdächtiger gehen weiter. Ob es zu weiteren Anklagen wegen verschiedener Delikte kommen wird, bleibt abzuwarten.
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Die Göttin Justitia vor dem Wiener Sonnenaufgang.Foto: Istockphoto/Teka77/nick1803/compETD
Von 9. Januar 2025

Vor dem Wiener Landgericht wurde am Dienstag, 7. Januar, ein 17-jähriger Syrer vom Vorwurf der Vergewaltigung eines damals zwölfjährigen Mädchens in Wien-Favoriten freigesprochen. Der im Jahr 2016 mit seiner Familie nach Österreich gekommene Jugendliche hatte Anfang 2023 das Mädchen kennengelernt. Die sexuellen Handlungen hatte er vor Gericht eingestanden. Er sei aber davon ausgegangen, dass das Mädchen älter sei. Für das Gericht drehte sich der Fall hauptsächlich um die Frage, ob der Jugendliche Gewalt angewendet habe – oder nicht.

Die beiden hatten sich – Medienberichten zufolge – bei einem ersten Treffen geküsst und Snap-Chat-Daten ausgetauscht. Das Mädchen habe dem Jungen auch Nacktbilder zukommen lassen. Beim zweiten Treffen sei der damals 15-Jährige mit dem Mädchen dann in ein Parkhaus nahe dem Wiener Hauptbahnhof gegangen, wo es zu Oralsex gekommen sei.

Richterin sieht keine Gewaltanwendung

Die zum Urteil führende abschließende Ansicht der Richterin war, dass bei dem Vorfall keine Gewalt im Spiel gewesen sei, wie die „Kronenzeitung“ berichtete. Das Mädchen sei vielmehr von dem zur Tatzeit 15-Jährigen zum einvernehmlichen Verkehr überredet worden. In der Urteilsbegründung erklärte die Vorsitzende Richterin, dass es sich „um zwei sehr junge Menschen ohne sexuelle Erfahrungen“ handle.

Sein Wissen habe der Angeklagte aus dem Internet gehabt. Beide hätten sich laut „Kurier“ im Vorfeld Videos mit sexuellen Handlungen geschickt.

Die Richterin folgte damit im Prinzip den Angaben der Verteidigung, wonach der Jugendliche um Oralverkehr „gebettelt“ und das Mädchen am Ende dazu überredet habe. „Das Mädchen hätte ja auch um Hilfe schreien können. Oder hätte die Möglichkeit gehabt, zuzubeißen“, so der Verteidiger.

Die Richterin: „Er konnte davon ausgehen, dass sie das freiwillig gemacht hat.“ Zudem sei eine bei dem Mädchen mögliche „innere Ablehnung“ für den Angeklagten „nicht erwiesen […] erkennbar“ gewesen. Weiterhin argumentierte die Richterin, dass es oft passiere, „dass man zuerst Nein sagt und sich dann durch Zärtlichkeiten überzeugen lässt“, zitiert der ORF aus dem Gerichtssaal. Eine Gewaltanwendung sei für das Gericht „nicht feststellbar“ gewesen.

Mädchen: „Ich habe keinen Ausweg gesehen“

Die Staatsanwaltschaft hingegen schilderte im Plädoyer eine andere Sachlage: „Das Opfer teilte ihm mehrfach mit, die geschlechtliche Handlung nicht zu wollen“, sagte laut „Kronenzeitung“ die Staatsanwältin. Die Anklagevertreterin sah eine Gewalteinwirkung des Beschuldigten gegeben: „Er soll das Mädchen mehrmals am Kopf gepackt und zur sexuellen Handlung genötigt haben.“

Die Anklage stützte sich damit auch auf die Aussage des Mädchens, das laut „Kurier“ beteuert hatte: „Ich habe mehrmals gesagt, ich will nicht. Er hat meinen Kopf gepackt. Ich habe keinen Ausweg gesehen.“

Jugendlicher legte 100 Euro auf den Tisch

Der Opferanwalt kritisierte eine „grenzenlose Verachtung gegenüber dem Opfer, die hier im Prozess deutlich zum Ausdruck“ gekommen sei. Damit spielte der Jurist offenbar auf einen Vorfall im Gerichtssaal vor dem Hintergrund einer geforderten Schadensersatzzahlung von 3.000 Euro an.

Der 17-Jährige hatte hingegen 100 Euro angeboten. Kurzerhand sei er – nach Medienangaben – aufgestanden, habe zwei 50er-Scheine aus der Hosentasche gezogen und sie vor dem Rechtsbeistand des Mädchens auf den Tisch gelegt – als symbolischen Betrag zur „Wiedergutmachung“, schreibt „Die Presse“. Dieser, offensichtlich fassungslos, reagierte nicht darauf, während die Mutter des Mädchens, die den Prozess im für die Öffentlichkeit verschlossenen Saal verfolgte, in Tränen ausbrach.

Rechtsanwalt Flatz ging davon aus, dass der Angeklagte bei der Tat „die Ich-Schwäche“ der Zwölfjährigen ausgenutzt habe. Das Gericht hatte allerdings auch den Umstand gewertet, dass das Mädchen auch nach dem Vorfall dem Jugendlichen von sich Nacktfotos auf einer Social-Media-Plattform zukommen ließ – und diese ebensolchen Bilder von sich schickte.

Zwei Freisprüche und weitere Ermittlungen

Der Freispruch ist bereits der zweite in der gerichtlichen Aufarbeitung der Erlebnisse des Mädchens von Februar bis Juni 2023 mit einer Gruppe von 17 Jugendlichen aus Syrien, Serbien, Italien, Bulgarien, der Türkei, sowie Österreichern mit Migrationshintergrund. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen hierzu noch weiter.

Bereits im Dezember wurde in einem separaten Prozess ein 16-jähriger Syrer vom Wiener Landgericht von dem Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Laut Staatsanwaltschaft soll er die Zwölfjährige in einem Parkhaus an der Hüfte gepackt und gegen die Wand gedrückt haben. Dann habe er mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzogen. „Aus Angst und mangels Fluchtmöglichkeit“ habe sich das Mädchen nicht gewehrt, so die Staatsanwältin laut „Puls24“, einem österreichischen Privatsender.

Der Angeklagte sagte hingegen: „Sie muss mich verwechseln.“ Er habe sie nur ein paar Mal im Stadtpark gesehen, aber nie sexuelle Handlungen mit ihr gehabt. Ihm sei demnach ein unter Jugendlichen kursierendes Video gezeigt worden, das Jugendliche beim Sex mit der Zwölfjährigen gezeigt habe. Da habe er sie von seiner Kontaktliste gelöscht. Sein Verteidiger sprach von „Vorverurteilung“ und einer „Opferinszenierung, wie ich sie selten gesehen habe“.

Ein Hotelzimmer als „Modus Operandi“

Wie „Puls24“ im Mai vergangenen Jahres bereits berichtet hatte, deuteten ausgewertete Chatverläufe auf den Handys der Jugendlichen darauf hin, dass das Mädchen monatelang von ihnen in Treppenhäusern, Parkgaragen und in einem Hotel schwer sexuell missbraucht worden sei.

Die Gruppe, die sich nach dem Antonspark in Wiener Bezirk Favoriten selbst mit „antons“ benannte, könnte dem Bericht zufolge den Chatverläufen nach noch weitere Opfer gehabt haben. Auf den Handys wurden anscheinend von den Jugendlichen selbst gemachte Fotos und Videos gefunden, die Jugendliche mit sexuellen Handlungen mit Mädchen zeigen sollen. Diese seien auch herumgeschickt worden.

Die Ermittler sollen laut Aktenlage vermuten, dass es sich dabei teils um minderjährige Opfer handeln könnte. Ein häufig genutztes Vorgehen der Gruppe sei dem österreichischen Sender nach ein Hotelzimmer in Wien gewesen sein, das sie mit gefälschten E-Cards angemietet hätten. Bei diesen E-Cards handelt es sich um österreichische Gesundheitskarten, die als offizielles Dokument für den Nachweis der Krankenversicherung dienen und in manchen Bereichen als Identitätsnachweis akzeptiert werden.

Die Polizei fand mehrtägige Buchungsbestätigungen für das Hotel und Logins ins dortige WLAN auf den Handys. Die Chats enthielten zudem Einladungen zu diesen Treffen und explizite Anmerkungen, was man dort mit den Mädchen offenbar machen wolle. Bilder davon sollen untereinander in den sozialen Medien verschickt worden sein.

Was noch: Fake-Profil, Waffen und Drogen?

Auch im Fall der Zwölfjährigen sollen Chats in den Akten nahelegen, dass die Jugendlichen ein Fake-Profil erstellt und sich als die Zwölfjährige ausgegeben haben sollen. So wollten sie offenbar in ihrem Namen verbreiten, dass das Mädchen selbst behauptet hätte, schon 16 Jahre alt zu sein und es sich um einvernehmlichen Sex gehandelt habe.

Weitere Aufnahmen sollen die Jugendlichen bei wilden Schlägereien zeigen und beim Posieren mit Waffen auf den Straßen Wiens, darunter Pistolen, Springmesser und Elektroschocker. Andere Fotos zeigten demnach Joints und mutmaßlich größere Mengen Cannabis auf Waagen und in Päckchen.

Ob nach dem Abschluss der Auswertung der digitalen Unterlagen weitere Anklagen wegen verschiedener Delikte folgen werden, bleibt abzuwarten.

Opferanwalt Sascha Flatz hatte dem Bericht nach jedoch angemerkt, dass es schwer sei, mögliche weitere Opfer zu finden. Er sprach angesichts der Handyauswertungen von einem „verstörenden Bild“ und dass es ihn „wütend“ mache, dass bei den Verdächtigen überhaupt „keine Einsicht herrsche“.



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