Stephan B. und der Synagogen-Anschlag in Halle – Christchurch war Initialzündung
Es war eine Spur der Gewalt, des Hasses und der Angst, die Stephan B. im vergangenen Oktober durch Halle zog: Nach einem Anschlag auf eine Synagoge in der Stadt an der Saale erschoss der Attentäter zwei Menschen und verletzte weitere auf seiner Flucht. Die rechtsextremistische und antisemitische Tat löste Entsetzen aus. Am Dienstag beginnt der Prozess gegen den 28-Jährigen vor dem Oberlandesgericht Naumburg, verhandelt wird aus Platz- und Sicherheitsgründen in Magdeburg.
Der 9. Oktober hat sich in das kollektive Gedächtnis der Stadt Halle und vor allem der jüdischen Gemeinde eingebrannt. Schwerbewaffnet versuchte Stephan B. während der Feierlichkeiten zum jüdischen Feiertag Jom Kippur in die Synagoge im Paulusviertel einzudringen und – so beschrieb es Generalbundesanwalt Peter Frank – ein „Massaker“ anzurichten.
Laut Anklage der Bundesanwaltschaft war Stephan B. mit insgesamt acht Schusswaffen, mehreren Sprengsätzen, Helm und Schutzweste ausgerüstet. Er habe „möglichst viele der dort Anwesenden töten“ wollen. Insgesamt 52 Menschen befanden sich in dem jüdischen Gotteshaus. Doch die Türen, die die Gemeindemitglieder von innen zusätzlich verbarrikadierten, hielten selbst dem Sprengstoff stand.
Stephan B. hielt 20-Jährigen für einen Ausländer
Nach seinem fehlgeschlagenen Anschlagsversuch erschoss B. den Ermittlungen zufolge auf offener Straße eine 40-jährige Frau und suchte sich Migranten als weitere Opfer. In einem Döner-Imbiss tötete er einen 20-Jährigen, den er für einen Ausländer hielt. Der Polizei gelang es zunächst nicht, ihn zu stoppen.
Auf der Flucht verletzte B. im angrenzenden Saalekreis zwei weitere Menschen durch Schüsse, bevor er mit einem geraubten Wagen einen Unfall baute und festgenommen werden konnte. Dass nicht noch mehr Menschen starben, lag offenbar auch an wiederholten Ladehemmungen von B.s Waffen.
Der Anklage zufolge handelte Stephan B. aus einer „antisemitischen, rassistischen und fremdenfeindlichen Gesinnung heraus“. B. filmte seine Taten und stellte die Aufnahmen live ins Internet. Zudem veröffentlichte er unmittelbar vor den Anschlägen Dokumente, in denen er dazu aufrief, alle Juden zu töten und den Holocaust leugnete.
Für den Prozess, in dem sich Stephan B. unter anderem wegen zweifachen Mordes, versuchten Mordes zum Nachteil von insgesamt 68 Menschen und Volksverhetzung verantworten muss, sind zunächst 18 Verhandlungstermine bis zum 14. Oktober vorgesehen. Vor allem die rund 50 Nebenkläger, darunter Angehörige der Opfer und Mitglieder der jüdischen Gemeinde Halle wie deren Vorsitzender Max Privorozki, erwarten sich von dem Verfahren auch Aufschluss darüber, wie sich B. derart radikalisieren und bewaffnen konnte.
Großteil der Waffen waren selbstgebaut
Bis zum 9. Oktober war Stephan B., der in Benndorf in Landkreis Mansfeld-Südharz zurückgezogen bei seiner Mutter lebte, den Sicherheitsbehörden nicht aufgefallen. Die Ermittler gehen davon aus, dass der ehemalige Chemiestudent als Einzeltäter handelte und sich einen Großteil der Waffen selbst baute.
Geistige Unterstützung in seiner rechtsextremen Gesinnung fand der 28-Jährige, der in den Vernehmungen ein umfassendes Geständnis ablegte, im Internet. Im Netz traf er sich offenbar anonym mit Gleichgesinnten, die sich gegenseitig in ihrem Juden- und Fremdenhass bestärkten. Zünder für seine Tat soll der rechtsextremistische Anschlag im März 2019 auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch gewesen sein, bei dem der Attentäter 51 Menschen ermordete.
Der Prozess gegen B. wird nicht nur wegen der Corona-Auflagen und des großen Medienandrangs, sondern auch unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen im größten Gerichtssaal Sachsen-Anhalts im Magdeburger Landgericht verhandelt. Stephan B. muss auch während der Verhandlung Fußfesseln tragen.
Fluchtversuch aus der Justizvollzugsanstalt Halle
Bei einem Fluchtversuch aus der Justizvollzugsanstalt Halle hatte der Angeklagte Ende Mai unter anderem unbeaufsichtigt einen mehrere Meter hohen Zaun überklettert. Laut Landesjustizministerium wurden Vorschriften etwa zur Bewachung von B. missachtet, was bereits personelle Konsequenzen nach sich zog. Auch Landesjustizministerin Anne-Marie Keding (CDU) geriet unter Druck. B. wurde in ein Gefängnis nach Burg verlegt und wird seitdem schärfer überwacht. (afp)
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