Die Täter werden immer jünger – Vater vor den Augen seines Kindes erschossen
In Skärholmen, einem Vorort der schwedischen Hauptstadt Stockholm, ist ein Vater vor den Augen seines Sohnes erschossen worden. Laut Medienberichten waren die beiden am Mittwochabend mit ihren Fahrrädern auf dem Weg zum Schwimmbad.
Täter flüchteten unerkannt
Demnach stellte sich der 39-Jährige einer Bande von Jugendlichen entgegen, bevor ihm in den Kopf geschossen wurde. Er starb laut Polizeiangaben am Donnerstag, schreiben Agenturen. Die schwedische Tageszeitung „Expressen“ berichtet hingegen, dass der Mann noch am Tatort seinen Verletzungen erlag.
„Er mochte keine Ungerechtigkeit. Es hat ihn das Leben gekostet“, sagte die Schwester des Getöteten „Expressen“. Die Täter flüchteten, die Polizei fahndet nach ihnen.
Am Freitag, 12. April, sagte Schwedens Justizminister Gunnar Strömmer in der TV4-Sendung „Nyhetsmorgon“, dass es am wichtigsten sei, die Polizeipräsenz zu steigern. „Die Polizei muss in der Nähe der Bürger dort sichtbar sein, wo im Alltag Kriminalitätsgefahr besteht, und dort müssen Kameras vorhanden sein“, so der Politiker der bürgerlich-konservativen moderaten Sammlungspartei (Moderata samlingspartiet).
„Wir betreiben diese ganze Arbeit unglaublich intensiv, aber das hat in diesem konkreten Fall eindeutig nicht gereicht“, betonte Strömmer in der Sendung.
Regierungschef spricht von systemgefährdender Kriminalität
Schwedens Regierungschef Ulf Kristersson und Oppositionsführerin Magdalena Andersson besuchten am Donnerstagabend den Tatort in dem den südlich von Stockholm gelegenen Vorort. Dort war es in den vergangenen Monaten mehrfach zu Angriffen mit Schusswaffen im Zusammenhang mit krimineller Bandengewalt gekommen, schreiben Agenturen.
„Die systemgefährdende Kriminalität, die unser Land derzeit erlebt, hat brutale Folgen für unsere gesamte freie und offene Gesellschaft“, schrieb Kristersson auf der Plattform Instagram. „Die Banden werden in ihrer Skrupellosigkeit nicht aufhören, bis wir sie gestoppt haben.“
Skärholmen ist der Stadtteil, in dem sich die Bewohner Stockholms am wenigsten sicher fühlen, berichtet die Tageszeitung „Dagens Nyheter“. Laut des Jahresberichts der schwedischen Hauptstadt fühlt sich fast jeder zweite Bewohner (46 Prozent) dort nicht sicher. Der Bericht war am Mittwoch, 10. April 2024, Thema im Stadtrat – einen Tag vor dem Tod des 39-Jährigen.
Kritik an Zusammenarbeit
Oppositionsstadtrat Jan Jönsson, der stellvertretender Vorsitzender des Sozialausschusses ist und in Skärholmens Nachbarvorort Bredäng lebt, berichtet von schlimmen Zuständen. So hätten ihm Schüler geschildert, dass sie sich in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt fühlten. Sie können nicht mehr zum Sporttraining oder in den Freizeitpark gehen und müssten bereits um 16 Uhr wieder zu Hause sein.
Jönsson kritisiert, dass die Zusammenarbeit zwischen Schule, Sozialdiensten und Polizei in Skärholmen „nicht zufriedenstellend funktioniert“. Mehrere Schulleiter hätten ihm das bestätigt. Bei den Schießereien gehe es um Konflikte, die sich über mehrere Stadtteile und Gemeinden im Umfeld Stockholms erstreckten. Daher müsse man auch mit Kommunen wie Huddinge oder Botkryka zusammenarbeiten, meint Jönsson.
Finanzstadträtin Karin Wanngård räumt ein, dass Skärholmen „zurückgeblieben“ ist, zusätzliche Anstrengungen seien erforderlich. „Im Grunde geht es darum, eine Gesellschaft aufzubauen, die zusammenhält. Leider ist die Segregation mancherorts ein wachsendes Problem. Wenn man in einer Gegend lebt, in der fast jeder jemanden kennt, der jemanden kennt, der von Gewaltverbrechen betroffen ist, schaffe das eine enorme Unsicherheit“, sagt sie. Gleichzeit betont sie aber die Bemühungen und die gute Zusammenarbeit der Behörden.
Die Täter werden immer jünger
Reine Berglund ist Polizistin, die seit vielen Jahren in Huddinge arbeitet. Sie beobachtet eine ständige Verschiebung der Grenzen, berichtet die Tageszeitung „Aftonbladet“.
Die Täter werden immer jünger und ungehemmter, sagt sie. „Es geht um alles, von der Musik, die sie hören, bis zum Verfolgen von Kriminellen, die in den sozialen Medien sehr aktiv sind. Damit wird man rund um die Uhr gefüttert und baut in der Gruppe eine Hypermaskulinität auf. Dann gibt es kaum noch Grenzen, in Kombination mit der Einnahme von Medikamenten und allem Möglichen. Es ist eine tödliche Mischung“, zitiert die Zeitung sie.
Nachdem die Strafen für Waffendelikte verschärft wurden, trifft die Polizistin vermehrt auf junge bewaffnete Kriminelle statt auf ältere, die mit Strafen rechnen müssten.
Reine Berglund nennt es „einen großen Misserfolg für die gesamte Gesellschaft, dass junge Menschen mit Waffen herumlaufen“. Der Mord an dem 39-jährigen Mann werfe Fragen nach dem Umgang mit Zivilcourage auf. „Ich denke, es ist ein äußerst schwieriger Balanceakt. Als Polizist wird einem grundsätzlich gesagt, man solle sich für die Gesellschaft einsetzen und dass wir uns alle gegenseitig helfen müssen. Aber es besteht ein Risiko. Manchmal ein lebensbedrohliches Risiko“, sagte sie.
Gleichzeitig sei es das Ziel der Kriminellen, die örtliche Bevölkerung zum Schweigen zu bringen.
2023 gab es 53 Tote durch Schusswaffen
Schweden hat seit Jahren mit einer massiven Zunahme der Bandenkriminalität zu kämpfen. Die Banden liefern sich blutige Auseinandersetzungen um die Kontrolle über den Drogen- und Waffenhandel. Dabei kommt es auch immer wieder zu Racheakten.
Oftmals werden Jugendliche für Gewalttaten rekrutiert, da diese strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden können. Einige Täter sind erst zwölf Jahre alt.
„Zivilcourage kann in Schweden tödlich sein“, schreibt „Expressen“ und listet eine Reihe von Vorkommnissen auf, bei den Menschen, die sich in Konflikte einschalteten, zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden. Stets waren Banden mit Heranwachsenden in die Taten verwickelt. Es breite sich eine „gewalttätige und systemgefährdende Jugendkultur“ in dem Land aus, so die Tageszeitung.
Laut der Polizeistatistik gab es im vergangenen Jahr 363 Angriffe mit Schusswaffen, 53 Menschen starben. 149-mal verübten Täter Bombenanschläge.
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