Assads „Narco-Staat“: Drogen-Spur führt bis nach Deutschland

In Regensburg beginnt ein Prozess wegen Drogenschmuggels. Dahinter soll eine libanesische Organisation stecken. Der Blick fällt dadurch auch auf eine größere Entwicklung mit mächtigen Hintermännern.
Zwei Männer müssen sich von 27. Mai an vor dem Landgericht Regensburg verantworten, ihnen wird bandenmäßiges Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgeworfen.
Zwei Männer müssen sich von 27. Mai an vor dem Landgericht Regensburg verantworten, ihnen wird bandenmäßiges Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgeworfen.Foto: Armin Weigel/dpa
Epoch Times26. Mai 2022

Die kleinen runden Tabletten, als „Captagon“ gekennzeichnet, lagen sauber in Plastik verschweißt zwischen Säcken mit Marmorsplitt. Rund 250 Kilogramm schwer war die verbotene Ware, sie versprach den libanesischen Hintermännern einen ordentlichen Gewinn.

Die Drogen stammten aus dem Nahen Osten und sollten nach Saudi-Arabien transportiert werden. Gefunden aber wurden sie bei einer Razzia vor etwa einem Jahr an einem ganz anderen Ort: in einer abgelegenen Lagerhalle südlich von Regensburg.

An diesem Freitag beginnt vor dem dortigen Landgericht ein Prozess gegen zwei Syrer, die in den Drogenschmuggel eingebunden gewesen sein sollen. Gehandelt haben sie nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft im Auftrag einer libanesischen Organisation.

Durch das Verfahren fällt der Blick auch auf eine größere Entwicklung, die Ermittler beobachten: Die Produktion von Captagon nimmt seit einigen Jahren massiv zu. Obwohl vor allem für die Golfstaaten bestimmt, läuft der Schmuggel immer öfter über Europa. Dahinter stecken Netzwerke im Libanon und in Syrien mit allerbesten Kontakten in höchste Kreise.

Zentrale Rolle spielen Assads Gefolgsleute

Experten haben keinen Zweifel, dass dabei vor allem Gefolgsleute des syrischen Machthabers Baschar al-Assad eine zentrale Rolle spielen. „Verwickelt sind Personen, die dem Regime sehr nahe stehen“, sagt Dschihad Jasigi, Chefredakteur des „Syria Report“. Schon seit den 2000er Jahren wird Captagon in Syrien hergestellt, zunächst in kleinerem Stil. Doch mit dem Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 2011 bricht die Wirtschaft zusammen. Warlords und bewaffnete Gruppen gewinnen an Einfluss, die in dem Chaos des Konflikts nach Einnahmequellen suchen und sie in der Drogenproduktion finden.

Mit militärischen Gewinnen der Regierung übernahmen mehr und mehr Assad-treue Personen dieses illegale, aber lukrative Geschäft. Mitglieder der Regierung seien mittlerweile „Hauptakteure des Captagon-Handels“, schlussfolgern die Autoren einer Studie des in Washington ansässigen New Lines Institute. Recherchen der „New York Times“ ergaben, dass ein Großteil der Produktion und des Vertriebs von der 4. Division überwacht wird – einer berüchtigten Eliteeinheit unter dem Kommando von Mahir al-Assad, Bruder des Präsidenten.

Captagon ursprünglich als Medikament verschrieben

Auch deutschen Ermittlern liegen Erkenntnisse vor, dass in Syrien heute die weltweit größte Captagon-Produktion zu finden sein dürfte. Wobei der Name irreführend ist. Captagon kam ursprünglich in den 1960er Jahren als Medikament auf den deutschen Markt, wird aber nicht mehr legal produziert. Was heute unter dem Namen Captagon geschmuggelt wird, enthält normalerweise nicht den Originalwirkstoff Fenetyllin, sondern Amphetamin, so auch die Pillen in Regensburg.

Die Herstellung ist vergleichsweise einfach. Die Produktionskosten für eine Tablette liegen im 10-Cent-Bereich. Verkauft werden kann sie – je nach Qualität und Absatzmarkt – für bis zu 25 US-Dollar. Es geht also um ein Milliardengeschäft, das für Assads Gefolgsleute nicht zuletzt deswegen interessant ist, weil das Land internationalen Sanktionen unterliegt und die isolierte Wirtschaft brach liegt.

Es trägt maßgeblich dazu bei, das Überleben der Mächtigen zu sichern. Seit 2018 seien Drogen „eine wichtige finanzielle Lebensader für das Assad-Regime und seine internationalen Verbündeten geworden“, heißt es in einer Studie des von der EU geförderten Center for Operational Analysis and Research (COAR) über den „Narco-Staat“ Syrien. Die Verfasser schätzen, dass das Land 2020 Captagon im Wert von fast 3,5 Milliarden Dollar (3,3 Milliarden Euro) exportierte. „Sie brauchen die Drogen, weil sie das Geld brauchen“, sagt Mit-Autor Ian Larson.

Produktionsstätten werden immer größer

Das Geschäft ist so lukrativ, dass die Produktion weiter ausgebaut wird. Genutzt würden immer größere Produktionsstätten, die sich in Regierungsgebieten unter anderem in der Nähe von Häfen und entlang der Grenze zum Libanon konzentrierten, heißt es in der Studie des New Lines Institute. Beteiligt am Schmuggel sind demnach auch Anführer der schiitischen Hisbollah aus dem Libanon. Deren Miliz kämpft im syrischen Bürgerkrieg an der Seite der Regierungstruppen.

Generell läuft ein Teil des Schmuggels über das Nachbarland, wo es ebenfalls Produktionsstätten gibt, wenn auch kleinere. Allein im vergangenen Jahr fanden libanesische Ermittler mehr als 42 Millionen Captagon-Pillen – ein starker Zuwachs im Vergleich zu Vorjahren.

Die Zollbehörden am Golf werfen mittlerweile ein genaueres Auge auf Exporte aus dem Libanon und Syrien. Der Schmuggel verläuft deswegen immer häufiger über Europa, um die Transportrouten zu verschleiern. Vor allem in den vergangenen zwei bis drei Jahren sei dies verstärkt zu beobachten gewesen, heißt es aus deutschen Sicherheitskreisen.

Amphetaminpillen aus Syrien im Hamburger Hafen

Die Spuren führen nicht nur im Regensburger Fall immer wieder auch nach Deutschland. Ermittler aus Recklinghausen in Nordrhein-Westfallen ließen im vergangenen Jahr mehrere Personen verhaften. Sie sollen aus Deutschland den Schmuggel von Amphetamintabletten über den rumänischen Hafen von Constanta organisiert haben. Die Verdächtigen seien Teil einer Tätergruppe, die den „syrischen Regierungskreisen nahesteht“. Produktionsort: Syrien. 2018 entdeckte der Zoll im Hamburger Hafen etwa 175 Kilogramm Amphetaminpillen. Die Sendung sei von Syrien aus verschifft worden.

Verborgen waren die Drogen in Möbeln. Überhaupt seien die Schmuggler beim Transport der verbotenen Ware sehr findig, sagt ein deutscher Ermittler. „Man gibt sich auf Seiten der Täter sehr viel Mühe dabei, die Pillen zu verstecken. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.“ Im Libanon stießen Fahnder im Dezember auf Captagon-Tabletten, die in ausgehöhlte Orangen gequetscht waren. Für den Transport der in Regensburg gefundenen Tabletten soll ein Angeklagter über Wochen nach Tarnware gesucht haben. Inklusive Testlieferung ohne Drogen. (dpa/red)



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