Die Kinder der Tech-Elite lernen möglichst ohne Technik

Im kalifornischen Silicon Valley, dem Zentrum des digitalen Fortschritts, favorisieren viele Eltern für ihren Nachwuchs private Schulen mit wenig oder keinem Computereinsatz. Dafür nehmen sie lange Wartezeiten und hohe Schulgebühren in Kauf. Deutschland schreitet derweil mit der Digitalisierung an den Schulen voran. Schweden geht zurück zu Tafeln, Stiften und Büchern.
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Vorteil oder Nachteil? Schüler einer 5. Klasse lernen mit iPads im Englischunterricht.Foto: Julian Stratenschulte/dpa/dpa
Von 24. Oktober 2024

Wer im kalifornischen Silicon Valley, wo die milliardenschwere Tech-Industrie und viele der Big Player sitzen, den Nachwuchs in Hightechklassenzimmern erwartet, der irrt: Denn die Tech-Elite schickt ihre Schutzbefohlenen am liebsten auf Schulen, bei denen gilt: Tafel statt Tablet, Papier und Stift statt ChatGPT.

Während die Technologie das Herzstück der Arbeitswelt der Silicon-Valley-Elite bildet, verfolgen viele Eltern, die in der IT-Branche tätig sind, bei der Erziehung ihrer Kinder einen bewussten, oft technologiefreien Ansatz. Sie sind überzeugt, dass die beste Vorbereitung auf die digitale Zukunft nicht darin bestehe, ihre Kinder sofort in die Welt der Bildschirme und Apps einzuführen. Vielmehr solle es zuerst eine solide Grundlage in Kreativität, kritischem Denken und zwischenmenschlicher Kommunikation geben. So erklärte Alan Eagle, Ex-Kommunikationsmanager bei Google: „Die Idee, dass eine App auf einem iPad meinen Kindern besser Lesen oder Arithmetik lehren kann, ist lächerlich“, schreibt das Portal „Futurezone“.

Eagle war fünf Jahre ehrenamtlicher Treuhänder der Waldorfschule in Palo Alto. Die Einrichtung befindet sich im Herzen des Silicon Valley, 20 Fahrminuten entfernt von den Tech-Hauptquartieren der Firmen Apple, Google, Amazon, Facebook und Co. An der Schule sind Computer verboten und auch der private Gebrauch ist nicht gern gesehen. Erst ab der achten Klassenstufe wird dort ein eingeschränkter Gebrauch technischer Geräte befürwortet, so „Futurezone“.

Laut dem Bericht von 2018 hat drei Viertel der Schüler Eltern, die bei einem Tech-Konzern tätig sind.

Eigene Fantasie statt Tablet-Spiele

An der Waldorf School of the Peninsula lernen die Kinder vorwiegend durch physische Aktivitäten und kreative Werkarbeiten. Die Popularität des traditionellen Unterrichts zieht lange Wartezeiten nach sich und ist teuer. Die private Einrichtung nimmt über 38.000 Dollar pro Schuljahr.

Vergleichsweise günstig dagegen ist die christlich geprägte Canterbury-Schule in Los Altos, die ebenfalls ohne Technik im Klassenzimmer auskommt. Auf der Website der Schule heißt es wie folgt:

„Die Kinder von heute werden mit digitalen Medien und Bildern bombardiert, was oft auf Kosten der Entwicklung solider, grundlegender Fähigkeiten im Bereich des Hör- und Leseverstehens geht. Dies ist der Grund für unsere Politik der technologiefreien Klassenzimmer. Unsere Schüler lernen, nicht von der Technologie abhängig zu sein, sondern die Grundlagen der Phonetik, der Arithmetik und der lesbaren Schrift anzuwenden.“

Die Canterbury School kostet etwa 11.000 US-Dollar pro Jahr.

Keine Handys für Silicon-Valley-Kinder

Das Tech-Verhalten der Silicon-Valley-Kinder unterscheidet sich deutlich von dem vieler anderer Kinder. Während in vielen Familien Smartphones, Tablets und Fernseher eine zentrale Rolle im Alltag spielen, gehen viele Eltern aus der IT-Branche bewusster mit der Bildschirmzeit ihrer Kinder um.

Apple-Gründer Steve Jobs hat 2010 einem Journalisten der „New York Times“ eingeräumt, dass seine Kinder das damals gerade herausgebrachte iPad nicht nutzten. Auf die Frage, ob seine Kinder das neue Gerät mögen, antwortete Jobs: „Sie haben es nicht benutzt. Wir schränken ein, wie viel Technologie unsere Kinder zu Hause verwenden.“

Diese Einstellung ist im Silicon Valley weitverbreitet. Konkurrent und Microsoft-Gründer Bill Gates erklärte in einem Interview mit dem „Mirror“, dass seine Kinder bis zum Alter von 14 Jahren kein eigenes Handy besitzen durften. Danach wurde die Nutzung reglementiert: „Wir legen oft eine Zeit fest, nach der es keine Bildschirmzeit mehr gibt, und in ihrem Fall hilft es ihnen, zu einer vernünftigen Zeit schlafen zu gehen“, so Gates. Er fügte hinzu, dass die Kinder keine Handys am Tisch haben dürften, für Hausaufgaben oder zum Lernen sei das aber in Ordnung.

Die Gates-Kinder, die zu der Zeit 20, 17 und 14 Jahre alt waren, hatten zwar das von Gates festgesetzte Mindestalter für den Besitz eines Handys erreicht, durften aber trotzdem keine Apple-Produkte im Haus haben – langjährige Rivalität zwischen Gates und Apple-Gründer Steve Jobs, so der „Mirror“.

Das Geschäft mit der Hardware

Interessanterweise sind, sowohl Microsoft als auch Apple im Bildungsbereich tätig. Die Apple-Bildungsinitiative möchte Schulen dabei unterstützen, sich auf eine Zukunft in einer digitalisierten Welt vorzubereiten. Vorgesehen sind dafür verschiedene Programme und Dienstleistungen, die Technologie in den Unterricht implementieren sollen.

Lehrern wird beim kostenlosen Fortbildungsprogramm „Apple Teacher“ mit verschiedenen Schulungen dabei geholfen, sich im Umgang mit Apple-Produkten wie iPads und MacBooks weiterzubilden. Das Motto: „Bringen wir die Welt ein Stück weiter.“

Doch auf der Tour zum Programm hatte Apple-CEO Tim Cook dafür plädiert, dass Technologie nicht die Lösung für alles sei: „Ich glaube nicht an einen übermäßigen Einsatz von Technologie,“ zitiert ihn „Futerzone“. Und weiter: „Ich denke nicht, dass es ein Erfolg wäre, wenn wir nur noch darauf setzen würden.“ Das gelte auch für computergestützte Unterrichtsfächer. „Es gibt immer noch Ideen, über die gesprochen werden muss, die verstanden werden müssen“, sagte der Apple-CEO laut „The Guardian“. Er selbst wolle nicht, dass seine Neffen Social Media nutzen.

Digitalisierungsland Deutschland

Während der Trend an der US-Westküste für die Nachwuchserziehung zurück zum Analogen geht, fördert Deutschland die Digitalisierung im Schulsystem.

Der 2019 gestartete DigitalPakt Schule soll die digitale Infrastruktur an deutschen Schulen verbessern und diese bestenfalls zu digitalen Kompetenzzentren machen. Insgesamt wurden an die 6,5 Milliarden Euro Fördermittel ausgegeben: primär für den Ausbau von WLAN-Netzen, digitalen Lernplattformen und Anschaffung von mobilen Endgeräten. „Digitale Bildung ist Chancengerechtigkeit und betrifft am Ende jeden“, so die damalige Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU). Der DigitalPakt 2.0 soll ab 2025 bis 2030 laufen.

Auch der Einsatz von KI wird forciert. Entgegen der Empfehlung des eigenen Expertengremiums hat die Kultusministerkonferenz (KMK) sich am 10. Oktober für die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) in schulischen Bildungsprozessen inklusive der Grundschulen ausgesprochen. Potenziale der Technologie sollen für das Lernen und Lehren bestmöglich genutzt und den Schülern soll ein konstruktiv kritischer Umgang mit KI ermöglicht werden, so die Verlautbarung.

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) hatte zuvor in einem Papier davor gewarnt, dass ein frühzeitiger Einsatz von KI-gestützten Sprachmodellen diese Kompetenzentwicklung behindert und im ungünstigsten Fall unterbindet. In der Grundschule und in den ersten Jahren der Sekundarstufe I sollte nach Meinung der Kommission darauf verzichtet werden.

Moratorium der Schuldigitalisierung gefordert

Vierzig führende deutsche Wissenschaftler unterschiedlicher Fachbereiche hatten Ende 2023 ein Moratorium der Digitalisierung an Schulen und vorschulischen Bildungseinrichtungen gefordert.

Die Experten, darunter Psychologen, Pädagogen und Mediziner, setzen sich dabei für die Abkehr von der Digitalisierung an Schulen und Kitas ein. Professor Ralf Lankau, Medienpädagoge an der Hochschule Offenburg und einer der Initiatoren des Aufrufs, begründete dies so:

Die wissenschaftliche Erkenntnis ist inzwischen, dass Unterricht mit Tablets und Laptops die Kinder bis zur sechsten Klasse nicht schlauer, sondern dümmer macht. Hinzu kommen laut Studien negative gesundheitliche, psychische und soziale Wirkungen durch den vermehrten Einsatz digitaler Geräte im Unterricht.“

Die derzeitigen Erkenntnisse ließen nur einen Schluss zu:

Jetzt ist der Zeitpunkt, dass die Schulpolitik auf die Pädagogen und Kinderärzte dieses Landes hört und den Versuch des digitalen Unterrichts abbricht!“

In Schweden habe die Bildungsministerin den Tablet-Einsatz in der Primarstufe bereits gestoppt, so Lankau. Nach diesem Vorbild könne man auch in Deutschland handeln.

Digitale Kehrtwende in Schweden

Während es in Deutschlands Schulen aktuell vorrangig darum geht, digital aufzurüsten, passiert in Schweden das Gegenteil.

2023 korrigierte die schwedische Regierung die Entscheidung ihrer Vorgänger, wonach Vorschulen des Landes verpflichtend mit digitalen Geräten ausgestattet werden. Dem Umdenken zugrunde lag eine Stellungnahme von fünf Professoren des renommierten Karolinska-Instituts in Stockholm, nach der die behaupteten positiven Auswirkungen der digitalen Bildung nicht belegbar seien. Vielmehr habe die Forschung gezeigt, dass „die Digitalisierung der Schulen große negative Auswirkungen auf den Wissenserwerb der Schüler“ habe.

Die gesetzten Ziele wie Bildungs- und Chancengerechtigkeit, Unterrichtsverbesserung und gesellschaftliche Teilhabe könnten nicht erreicht werden. Vielmehr sei es genau gegensätzlich: „Es ist offensichtlich, dass Bildschirme große Nachteile für kleine Kinder haben. Sie behindern das Lernen und die Sprachentwicklung. Zu viel Bildschirmzeit kann zu Konzentrationsschwierigkeiten führen und die körperliche Aktivität verdrängen“, heißt es in dem Gutachten des Karolinska-Instituts (Epoch Times berichtete).

Die Wiederentdeckung von Tafel, Stiften und Büchern

Jetzt, zum Schulstart im September 2024, kehrt das größte nordische Land zu Tafeln, Stiften und Schulbüchern zurück. Schwedens Regierung hatte bei der staatlichen Schulbehörde Skolverket einen neuen Lehrplan in Auftrag gegeben, der ab 2025 gelten soll und auf eine Rückkehr zum Lernen ohne digitale Hilfsmittel hinausläuft. Art und Umfang der eingesetzten digitalen Mittel im Schulunterricht lag zuvor im Ermessen von Schwedens Schulen.

Auch die Wissenschaftler, die in Deutschland das Moratorium forderten, warnen, dass zuerst die Folgen der digitalen Technologien abschätzbar sein müssten, bevor weitere Versuche an schutzbefohlenen Kindern und Jugendlichen mit ungewissem Ausgang vorgenommen werden. Medienpädagoge Ralf Lankau sagt dazu: „Diese haben nur ein Leben, nur eine Bildungsbiografie und wir dürfen damit nicht sorglos umgehen.“



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