Beruf egal: Jeder fünfte Arbeitnehmer empfindet seinen Job als nutzlos
Studien der letzten Jahre zeigen, dass viele Berufstätige ihre Arbeit als gesellschaftlich nutzlos erachten. Für das Phänomen wurden unterschiedliche Erklärungen vorschlagen. Die viel diskutierte „Bullshit-Job-Theorie“ des amerikanischen Anthropologen David Graeber besagt etwa, dass einige Arbeitsplätze objektiv nutzlos seien und dies in bestimmten Berufsfeldern häufiger vorkomme als in anderen.
Andere Studien gehen davon aus, dass die konkreten Berufe für die negative Einschätzung der Arbeitnehmer nicht relevant sind und Menschen ihre Jobs als sozial nutzlos empfinden, wenn sie unter schlechten Arbeitsbedingungen und Entfremdung leiden.
Beides scheint jedoch nur ein Teil der Wahrheit zu sein, wie eine neue Studie des Soziologen Simon Walo von der Universität Zürich zeigt. Seine Arbeit erschien Mitte Juli im Fachjournal „WES“ (Work, Employment and Society) der Britischen Soziologischen Gesellschaft.
Arbeitnehmer im Büro fast doppelt so häufig betroffen
In seiner Studie analysierte Simon Walo Umfragedaten von 1.811 Personen in den USA aus 21 verschiedenen Berufen. Bereits im Jahr 2015 wurden sie gefragt, ob ihre Arbeit ihnen das „Gefühl vermittle, einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten“ und ob sie „das Gefühl hätten, nützliche Arbeit zu leisten“.
19 Prozent der Befragten über alle Berufe hinweg beantworteten diese Fragen mit „nie“ oder „selten“. Das ist fast jeder fünfte Arbeitnehmer. Es ist kaum zu erwarten, dass sich der Anteil während der Corona-Krise verringert hat, neuere beziehungsweise vergleichbare Daten für Europa liegen derzeit nicht vor.
Weiterhin verglich Walo Berufstätige mit ähnlichen Arbeitsbedingungen und stellte fest, dass die Berufsfelder durchaus einen Einfluss auf die empfundene Sinnlosigkeit hatten. So wiesen Arbeitnehmer in Berufen, die Graeber als besonders nutzlos eingestuft hatte, die meisten negativen Antworten auf:
Angestellte in Finanz- und Verkaufsberufen gaben beispielsweise mehr als doppelt so häufig wie andere an, dass sie ihre Jobs als gesellschaftlich nutzlos erachten. Ebenfalls klare Abweichungen fanden sich bei Managern und Büroangestellten (1,6- bzw. 1,9-mal häufiger als andere).
Zudem stellte Walo fest, dass der Anteil der Arbeitnehmer, die ihre Jobs als sozial nutzlos betrachten, im Privatsektor höher ist als im Non-Profit oder im öffentlichen Sektor.
Bullshit Jobs – ein komplexes Phänomen
„Die ursprünglichen Daten, die Graeber präsentiert hat, waren hauptsächlich qualitativer Natur, was es schwierig machte, das Ausmaß des Problems zu bewerten“, erklärte Walo in einer Pressemitteilung der Uni Zürich.
„Diese Studie erweitert bestehende Analysen, indem sie auf einen umfassenden, noch wenig genutzten Datensatz aus den USA zurückgreift“, so der angehende Doktor der Soziologie. Die Studie liefere damit erstmals statistische Beweise dafür, dass auch das Berufsfeld für die Einschätzung von Sinnhaftigkeit ausschlaggebend sein kann.
Walos Studie bestätigt zugleich andere Faktoren, welche die Wahrnehmung der eigenen Arbeit beeinflussen, darunter etwa Entfremdung, ungünstige Arbeitsbedingungen oder soziale Interaktion.
„Die Einschätzung der Arbeitnehmer, ob ihre Arbeit als sozial nutzlos empfunden wird, ist ein sehr vielschichtiges Thema. […] Sie hat nicht zwingend etwas mit der von Graeber behaupteten tatsächlichen Nützlichkeit der Arbeit zu tun“, schließt Walo. Es könne auch vorkommen, „dass Menschen ihre Arbeit auch als gesellschaftlich nutzlos ansehen, weil ungünstige Arbeitsbedingungen sie als sinnlos erscheinen lassen.“
(Mit Material der Universität Zürich)
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